Motorradlärm
Debatte um Lautstärke von Motorrädern

Demos gegen Streckensperrungen: Motorradfahrer-Demos am 4. Juli

Petition und Demos gegen Streckensperrungen Tausende Motorradfahrer demonstrierten am 4. Juli

Die Petition gegen Streckensperrungen will die steigenden Fahrverbote für Motorradfahrer abwenden. Am ersten Juli-Wochenende gab es zudem jede Menge Demos, an denen tausende Motorradbegeisterte teilnahmen.

Motorrad-Demo 2020 Angelina Leser
Motorrad-Demo 2020
Motorrad-Demo 2020
Motorrad-Demo 2020
Motorrad-Demo 2020 13 Bilder

Mit der Petition keine Fahrverbote für Motorradfahrer an Sonn- und Feiertagen richtet sich der Initiator Heiko Schmidt an den Petitionsausschuss der Bundesregierung – und mit ihm bereits 197.487 Unterstützer (Stand 06.7.2020). Dass die Androhung von Fahrverboten an Sonn- und Feiertagen für einen großen Aufschrei bei allen Motorradfahrern sorgt, zeigen zudem die Demos, die am ersten Juli-Wochenende 2020 in zahlreichen deutschen Großstädten stattgefunden haben. Laut Polizeiangaben haben sich beispielsweise in Stuttgart rund 10.000 Motorradbegeisterte versammelt, um gegen drohende Fahrverbote zu protestieren. 23.000 Biker waren es in München, 12.000 in Düsseldorf, 5.000 in Dresden sowie tausende in Hamburg und Berlin. Zudem wurde unter anderem in Schwerin, Wiesbaden, Friedrichshafen und einigen anderen Städten bundesweit demonstriert. In Leipzig kamen am 12. Juli auch noch einmal 16.500 demonstrierende Motorradfahrer zusammen.

Stimmen aus Stuttgart

MOTORRAD-Nachwuchskraft Angelina Leser war in Stuttgart vor Ort und schildert nachfolgend ihre Eindrücke: "Es war überwältigend. Ich habe noch nie so viele Motorräder auf einem Haufen gesehen. Auf dem Weg zum Wasen ging es kaum voran, es war sehr heiß. Die Passanten hatten scheinbar nicht wirklich etwas gegen die vielen Motorradfahrer – häufig winkten und filmten sie die Geschehnisse. Als ich am Wasen ankam hatten sich bereits einige Hunderte Motorradfahrer versammelt. Nach uns kamen immer mehr Sternfahrten an und es nahm kein Ende bis drei Parkplätze voll waren – ein Meer von Motorrädern – sehr beeindruckend. Um 14 Uhr sollte die eigentliche Demofahrt dann beginnen. Allerdings waren bis dahin noch nicht alle Sternfahrten eingetroffen, da der Verkehr in Stuttgart zum Erliegen kam. Um 15.00 startete die Demofahrt, jedoch wurde sie nach kurzer Zeit von der Polizei abgebrochen und die Demo aufgelöst."

Motorraddemo in Stuttgart im Juli 2020.
Angelina Leser.
Auch in Stuttgart wurde demonstriert.

Demo in München wurde nicht genehmigt

Eine besondere Situation ergab sich in München, wie Werner Schneider, Teilnehmer der Demo skizziert: "Am Freitag, 3.7.2020 teilte das Kreisverwaltungsreferat München (KVR) um 15:00 Uhr dem Veranstalter der Demo mit, dass die urspünglich angekündigte Veranstaltung mit 8.000 Teilnehmern nicht stattfinden könne. Der finale Termin war mehrmals von Seiten des KVR nach hinten verschoben worden. Besonders die massiven Sicherheitsbedenken aufgrund des Corona-Virus und fehlender Abstandsmaßnahmen sowie eine eventuelle Behinderung von Rettungsfahrzeugen wurde vom KVR als Begründung genannt, weshalb die Veranstaltung schweren Herzens abgesagt wurde. Die Motorradfans im Freistaat Bayern ließen sich durch das Verbot der Behörde allerdings nicht wirklich beeindrucken und organisierten am Freitag-Abend ein neues Event. Unter dem Motto "BLM – Biker Lives Matter" wurde eine Münchner Rundfahrt für den 04.07.2020 ins Leben gerufen. Das Motto war dabei als eine kleine Spitze in Richtung der zuständigen Behörden gedacht, die eine Demo gegen Rassismus am 06.06.2020 mit über 25.000 Teilnehmern auf dem Königsplatz genehmigt hatten. In den Morgenstunden machten sich Tausende von Motorradfahrern bei bestem Wetter auf den Weg um an der Rundfahrt teilzunehmen. Trotz über 10.000 Teilnehmern und großem Polizeiaufgebot blieb alles friedlich und tiefenentspannt."

Demo gegen Fahrverbote in München (Juli 2020).
Werner Schneider.
An der Demo in München nahmen mehr als 10.000 Motorradbegeisterte teil.

Streckensperrung trifft unfairerweise alle Motorradfahrer

Es ist gut möglich, dass in Zukunft noch weitere Demos folgen werden. Nicht nur die Demos im Juli zeigen, dass sich Motorradfahrer ungerecht behandelt fühlen. Auch die sehr erfolgreiche Online-Petition zeigt, dass Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen als zu extrem angesehen werden. Heiko Schmidt, der Initiator der Petition, kritisiert:
"Durch dieses Verbot werden wir in unserer freien Entfaltung eingeschränkt und die Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer mit Füßen getreten.
Eine Begrenzung ist in meinen Augen nur eine Hinhaltetaktik, um es dann schnell in ein generelles Fahrverbot zu ändern.
Dieses Verbot diskriminiert uns Motorradfahrer. Es werden damit alle Motorradfahrer für die Verstöße von wenigen bestraft."

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Aktueller Anlass für die Petition

Am 10. März unterschrieb Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) einen sogenannten Entschließungsantrag, wonach der Bundesrat die Bundesregierung zum Handeln gegen Motorradlärm auffordern möge. Dann kam Corona – und dem Papier wurde keine Beachtung mehr geschenkt. Am 15. Mai nahm der Bundesrat den Antrag an, und jetzt gilt’s: Das Thema Motorradlärm, bisher eher ein lokal begrenzter Aufreger, der es höchstens mal in einzelne Landesministerien geschafft hat, soll in Berlin auf die bundespolitische Agenda. Wann das der Fall sein wird, ist noch unklar, aber die Inhalte gibt der Beschluss der Länderkammer detailliert vor: Die Bundesregierung soll sich dafür einsetzen, dass künftig 80 Dezibel (A) als Lärmgrenzwert für Neumaschinen (nur Motorräder) über sämtliche Fahrzustände gelten sollen, was Sache der EU – und technisch bei Verbrennern unmöglich – ist. Aber auch national soll sich einiges tun: So hat der Verkehrsausschuss des Bundesrates die Laschet-Initiative um weitere Punkte ergänzt. Demnach sollen Geräusch-Messmethoden und Beschlagnahmungen bei Polizei-Kontrollen rechtssicherer werden. Weiter sollen zum Lärmschutz auf besonders betroffenen Strecken zeitlich begrenzte Wochenendfahrverbote möglich werden. Ferner soll die rechtliche Möglichkeit einer Halterhaftung geprüft werden, um Motorradfahrer auch dann wenigstens bei den Verwaltungskosten zur Kasse bitten zu können, wenn der Fahrer etwa bei Tempokontrollen wegen des vorn fehlenden Kennzeichens nicht ermittelt werden kann. Bei Mehrfach-Verstößen soll eine Fahrtenbuchpflicht kommen.

Motorlärm-Initiative statt Motorradlärm-Initiative

Im Detail gibt es wahrlich viel zu diskutieren. Wir möchten an dieser Stelle aber einen in unseren Augen wirklich inspirierenden Hinweis eines Lesers weitergeben: Wenn es mit dem Lärmschutz wirklich so dringend ist, wie wäre es dann mit einer Motorlärm-Initiative statt mit einer Motorradlärm-Initiative?

Fakten und Anregungen zum Thema:

1. Für unseren Artikel Alles zum Thema Motorradlärm – Streckensperrungen und Fahrverbote recherchierten wir 2018 fast 50 Vollsperrungen für Motorräder allein in Deutschland, dazu rund 30 Wochenend-Fahrverbote – Tendenz steigend.

2. Motorräder sind im Straßenverkehr nicht lauter als Autos, sondern eher leiser.

3. Aber: Motorradgeräusche werden als lästiger wahrgenommen, als Pkw-Geräusche. Das zeigte eine Studie zum Thema Motorradlärm im Auftrag der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg aus dem Jahr 2010. Näheres erfahrt ihr im Artikel Alles zum Thema Motorradlärm – Streckensperrungen und Fahrverbote.

4. Die aktuellen Grenzwerte und Messverfahren bringen in Sachen Laustärkereduzierung nur wenig bis nichts. Euro 4 hat da nicht viel gebracht. Unser ultimativer Auspuff-Praxistest vergleicht Euro 3 und Euro 4 genau zu diesem Aspekt.

5. Nur weil du mit einem legalen oder sogar mit dem Serienauspuff unterwegs bist, heißt das nicht, dass dein Motorrad nicht laut ist, siehe Artikel Euro 4 und Auspuffklappen – Aufklärungsarbeit.

6. Eigeninitiative ist gefragt, denn vieles haben wir selbst in der Hand. Ein Fahrstil lässt sich beispielsweise harmonisieren, das macht viele Moppeds subjektiv leiser. Beliebte Motorradstrecken kann man zugunsten selten befahrener Strecken an Wochenenden auch mal meiden. Und am Ende kann der Kunde auch die Hersteller unter Druck setzen: Muss das Motorrad ab Werk unbedingt die erlaubten Grenzwerte ausreizen?

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