Restaurierung BMW R 80 G/S Teil 4 Motor- und Vergaserabstimmung

Restaurierung BMW R 80 G/S Teil 4, Motor- und Vergaserabstimmung

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Nach unzähligen Stunden in der Werkstatt stand die Abstimmung von Verbrauch und Leistung auf dem Plan. Mit Düsenkiste und Kerzenschlüssel im Gepäck ging‘s dazu quer durchs schöne Allgäu.

Teil 4, Motor- und Vergaserabstimmung Koch
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Obwohl die Jungfernfahrt (siehe Restaurierung BMW R 80 G/S, Teil 3) mit der neu aufgebauten BMW R 80 G/S ohne mechanische Zwischenfälle über die Bühne ging, blieb bei mir die ganz große Begeisterung aus. Der samtige Motorlauf konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der auf 980 Kubikzentimeter aufgeblasene Boxer nicht so richtig auf Trab kam. Spürbar kräftiger zwar als der ausgelutschte originale 800er-Motor, aber eben nicht so muskulös und antrittsstark, wie ich mir das nach der umfassenden Komplett-Renovierung vorgestellt hatte.

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Restaurierung BMW R 80 G/S Teil 4, Motor- und Vergaserabstimmung
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Also habe ich noch einmal alle relevanten Bauteile und Einstellungen unter die Lupe genommen. Rein subjektiv fühlte sich der Zweiventiler an, als ob ihm die ­Puste fehlt. Irgendwie ­abgewürgt, stranguliert, kurzatmig und dennoch mit fast 6,5 Liter Landstraßenverbrauch eindeutig zu durstig. Da wir für die flinke Enduro jedoch keinen Renn­motor basteln wollten, sondern nur ein spritziges und dennoch sparsames Alltags-Muli daraus werden sollte, verzichteten wir auf Lambda-­Messungen und teures Motortuning mit Nockenwellen und Doppelzündung. Nur die thermische Entkoppelung des Alu­minium-Luftfiltergehäuses vom heißen Motorblock sollte dem Motor im Dauer­betrieb zu etwas mehr „Luft“ verhelfen (siehe MOTORRAD Classic 2/2015).

Verfärbung des Kerzenisolators

Wie von der Pike auf gelernt, genügten die Verfärbung des Kerzenisolators und praktische Fahrversuche zur Beurteilung des thermischen Zustands der Verbrennung. Ein Klecks Kupferpaste an den ­Kerzen und ein sanftes Drehmoment beim Anziehen schont dabei die empfindlichen Gewindegänge im Zylinderkopf.

Nach ein paar Hundert Kilometern hat sich auf dem Isolator bereits eine dünne Ablagerung gebildet, die sich – je nach ­Bedüsung und Last – entsprechend verfärbt. Ganz neue Kerzen lassen dagegen kaum Rückschlüsse auf die Verbrennung zu, weil sich der Isolator nur sehr schwach verfärbt. Trotzdem, gute zehn bis 15 Kilometer sollte eine Testfahrt mit geänderten Düsen schon dauern, um ein aussage­kräftiges Kerzenbild zu garantieren.

Ausgangs-Konfiguration des Boxers

Die Ausgangs-Konfiguration des Boxermotors war wie folgt:

  • 32er-Bing-Vergaser, Hauptdüse 135, Nadeldüse 168, Nadel in der dritten Position von oben
  • Luftfilterdeckel mit einem großen und einem kleinen Schnorchel
  • Auspuffkrümmer mit konischem Verlauf (38/45 mm Durchmesser)
  • Termignoni-Schalldämpfer einer Suzuki TL 1000 S
  • Ventile und Sitze verrundet und strömungsoptimiert
  • Zündung, Luftfilter und Verdichtung im Serienzustand

Mit dieser Einstellung schluckte der Motor, wie erwähnt, ordentlich, ging zäh ans Gas und reagierte beim Aufziehen verzögert, ohne jedoch zu ruckeln. In den oberen Drehzahlen fehlte es subjektiv an Drehfreude und Kraft, im unteren Teillastbetrieb nervten der ruppige Kaltlauf und ein schlechtes Startverhalten. Dazu gesellte sich nach der ersten längeren Autobahnetappe ein instabiles Standgas, das sich kaum einregulieren ließ. Gründe genug also, diese Abstimmung komplett umzukrempeln.
Wer sich mit dem Boxer-Projekt auf Neuland wagt, sollte sich klar darüber sein, dass die Münchner Zweiventiler mit Eigenschaften aufwarten, die den grundsoliden japanischen Youngtimern fremd sind. Stichwort Ventilspiel: Nach Handbuch einjustiert (0,15/0,20 mm), war die Freigängigkeit bereits nach den ersten 1000 Kilometern auf unter 1/10 Millimeter geschrumpft. Mit der Folge, dass die Verbrennung im Leer­lauf einer nervigen Schwankung unter­liegt. Die Ursache dafür ist ursächlich im ungünstigen, halb­kugelförmigen Brennraum, der geringen Verdichtung und den leicht veränderten Steuerzeiten bei zu engem Ventilspiel zu suchen. Die im Leerlauf extrem geringe Zylinderfüllung verursacht dann eine von Arbeitstakt zu Arbeitstakt unterschiedlich effiziente Verbrennung mit stark schwankendem Arbeitsdruck.

Fahrbarkeit auf engen, kurvigen Strecken ist Priorität

Mit dem auf 0,20/0,25 Millimeter erhöhten Spiel hatte sich das Problem schlagartig erledigt! Um die mechanischen Geräusche speziell bei Standgas zu verringern, wurde dabei auch das ­axiale Laufspiel der Kipphebel durch das Zusammenspannen der Lagerböcke auf unter 0,05 Millimeter reduziert. Das Auge erfreut darüber hinaus der Tausch der kantigen Ventildeckel gegen die klassische, runde Variante. Damit sich die Siebenrock-­Bauteile mit durchgehenden 6er-Inbus-Schrauben schnell und ohne Fummelei demontieren lassen, wurden je zwei Sechs-Millimeter-Helicoil-Gewinde im Zylin­derkopf eingesetzt.

Alle Versuche mit den unterschiedlichsten Bedüsungen im Detail aufzu­zählen, würde den Rahmen sprengen. Der Schwerpunkt bei der zeitaufwendigen ­Suche nach der passenden Bedüsung des Boxermotors galt ganz klar der Fahrbarkeit auf engen, kurvigen Strecken. Weshalb das südliche Allgäu mit seinen zum Teil über 1400 Meter hohen Passstraßen und endlosen Kurvenstrecken inklusive abenteuerlicher Schotterpassagen genau das richtige Terrain für eine umfassende Abstimmung bietet – vom Fahrspaß mal ganz abgesehen.

BMW R 80 G/S auf dem Leistungsprüfstand

Spontane Gasannahme, null Konstantfahrruckeln, geschmeidige Drehfreude, kerngesunde Verbrennungsgeräusche und 5,3 Liter Super im Schnitt – nach gut 200 Testkilometern und rund einem Dutzend Abstimmungs-Varianten schnurrt der renovierte Boxer endlich wie gewünscht durch die hügelige Voralpenlandschaft. Um die subjektiv wirksamen Veränderungen der Abstimmung mit Zahlen und Fakten zu überprüfen, stellten wir die restaurierte BMW R 80 G/S auf unseren unbestechlichen Leistungsprüfstand. Dort wurden die auf den Allgäuer Landstraßen gefahrenen Veränderungen reproduziert und in mehreren Testläufen pro Einstellung schließlich zu Papier gebracht.

Zudem wollten wir durch eine Ver­änderung des serienmäßigen Zündzeitpunkts (32 Grad Frühzündung) um drei Grad in beide Richtungen abklären, ob sich durch diese sehr einfache Maßnahme noch mehr Drehmoment herauspressen lässt. Darauf reagierte der Motor stets mit einer schwankenden Standgasdrehzahl und leichten Leistungseinbußen. Also ­Finger weg bei Serienmotoren ohne gezielte Änderung der Verstellkurve, zumal das materialmordende Klingeln bei mehr Frühzündung unter ungünstigen Umständen (schlechte Kühlung, schlechter Sprit) dem Motor erheblich zusetzen würde!

Subjektiv spürbar kraftvollere Antritt

Auf dem Prüfstand, der im Prinzip nur eine Volllast-Leistungskurve aufzeichnet (Drosselklappen und Gasschieber voll geöffnet), brachte mehr Volumen im Luftfiltergehäuse eine leichte, über das gesamte Drehzahlband wirkende Verbesserung. Im Fahrbetrieb sorgt der subjektiv spürbar kraftvollere Antritt dieser relativ einfach zu bewerkstelligenden Maßnahme für ein breites Grinsen. Kein Wunder, versuchen die Konstrukteure heute speziell bei sportlichen Zweizylindern das Volumen des Luftfilterkastens auf das rund Zehnfache des Hubraums zu bringen. Am besten lief der Boxer mit dieser Konfiguration:

  • 32er-Bing-Vergaser, Hauptdüse 150, Nadeldüse 164, Nadel um 2/100 mm verkleinert, zweite Position von oben
  • vergrößertes Luftfiltergehäuse mit zwei großen Schnorcheln im Deckel

Je fetter das Gemisch, desto höher die Leistung

Ob und wie stark der in Eigenregie entworfene Auspuff die Leistungsent­faltung beeinflusst hat, lässt sich wegen der nicht vorhandenen Vergleichsmöglichkeit nicht beantworten. Allerdings hat sich die ­konische Krümmergestaltung mit 38er- und 45er-Durchmesser bereits bei einigen großvolumigen Rennmotoren bestens ­bewährt. Perfekt auch der Trick mit der um 2/100 Millimeter am zylindrischen Teil ­ab­geschliffenen Düsennadel. Dadurch verbessert sich das Teillastverhalten ­wegen der Anfettung bis etwa Halbgas deutlich. In Kombi­nation mit der kleinen 264er-Nadeldüse ­ergeben sich dabei jedoch klare Vorteile beim Verbrauch, ohne die Leistung einzuschränken. Ein klares ­Indiz dafür, dass der alte Spruch „ohne Sprit kein Spaß“ speziell auch auf die BMW-Zweiventiler zutrifft. Beim Prüfstandsversuch mit unterschiedlichen Hauptdüsen zeigt sich: Je fetter das Gemisch, desto höher die Leistung. ­Weshalb der theo­retisch optimale Lambdawert von 1,0 bei allen aufgemöbelten Viertaktmotoren mit bis zu rund 0,8 ­einen deutlichen Kraftstoffüberschuss zugrunde legt, um auf ordentlich Leistung zu kommen.

Wie erwähnt, hat der Leistungswettbewerb in der Zweiventiler-Szene bei diesem MOTORRAD Classic-Projekt keine Rolle gespielt. Im Mittelpunkt stehen hier die Alltagstauglichkeit und der Fahrspaß auf kleinsten Straßen und Pisten. Dafür sind die gemessenen 68 PS mehr als ­genug. Und 188 Kilogramm mit vollem Tank genau richtig. Vorausgesetzt, man holt auch das Beste aus Federung, Fahrwerk und Bremsen heraus. Worauf es ­dabei ankommt, lesen Sie in MOTORRAD Classic 4/2015.

Messwerte BMW R 80 G/S

Koch
Messwerte des überarbeiteten Boxers.

Auf dem Prüfstand können die Änderungen an Vergasern und Luftfilter bei Volllast objektiv überprüft und gemessen werden. Hier sieht man gut, dass der überarbeitete Boxer mit 145er-Haupt­düsen an zwei deutlichen Drehmomenteinbrüchen bei 3000 und 4000 Umdrehungen leidet (grün).

Zuwachs insbesondere ab 4000/min

Mit 150er-Hauptdüsen steigt die Leistung über den gesamten Drehzahlbereich an. Signifikant ist der Zuwachs insbesondere ab 4000/min, also genau in dem Bereich, in dem man bei flotter Landstraßenfahrt unterwegs ist (blau).  Damit wird auch dokumentiert, dass das oftmals von Zweiventil-Fahrern bemängelte Drehmomentloch zwischen 3000 und 5000/min eher der mageren Bedüsung und weniger einer unpassenden Motor- oder Auspuff-Abstimmung angelastet werden kann. 
Die rote Kurve mit dem vergrößerten Luftfilterkasten zeigt eine geglättete Drehmomentkurve im mittleren Bereich, der Motor packt ab 5500/min noch etwas drauf. Viel wichtiger allerdings als die Prüfstandskurve ist der spontane, kraftvolle Antritt beim Gasaufziehen mit dieser Konfiguration.

Die dunkelblaue Leistungskurve der originalen BMW R 80 G/S ist einer MOTORRAD-Ausgabe Anfang der 1980er-Jahre entnommen worden. Die homogene Leistungs- und Drehmomentkurve ist eher eine Folge der damals noch ungenauen Messtechnik als die einer geglückten Motorabstimmung.

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