Eine kurze Vorgeschichte: Als ich im Sommer 2015, angesteckt von der Retro-Welle, für einen Spottpreis von 850 Euro eine gut erhaltene Honda CB 750 Seven Fifty erwerbe, will ich das klassische Naked Bike in einen schicken Retro-Look hüllen. Die Umgestaltung der Frontpartie mit kurzem Schutzblech, Polierarbeiten, Faltenbälgen, Spiegeln und Mini-Blinkern geht verhältnismäßig einfach, schon schwieriger fällt die Veränderung der Seitenansicht aus. Dank Sitzbankumbau im 80er-Jahre-Stil und teilpolierten, in Fahrzeugfarbe lackierten Felgen bekomme ich jedoch auch hier ein zufriedenstellendes Ergebnis hin. Am problematischsten: die Neugestaltung des Hecks. Die scheinbar aus Lkw-Restbeständen stammende, serienmäßige Rückleuchte ist bei meiner Maschine durch ein noch schrecklicheres LED-Licht ersetzt worden. Dieses durch zwei kleine Rücklichter auszutauschen, liegt auf der Hand, an optischem Pfiff fehlt es aber weiterhin. Das Bild einer klassischen CB 750 Four K6/K7 vor Augen, reift die Idee einer Vierrohr-Anlage.
Experiment mit offenem Ausgang
Zusätzlichen Reiz erhält die Vorstellung aufgrund der Schwächen der serienmäßigen Auspuffanlage: Zum einen ist der unter dem Motor sitzende Sammler lieblos zusammengeschweißt, zerklüftet und deshalb korrosionsanfällig. Zum anderen ist der nähmaschinenartige Klang der Originalanlage wenig begeisternd. Eine entsprechende Recherche ergibt jedoch, dass es im Zubehörhandel keine Anlage gibt, die mir gefällt. Anfragen bei professionellen Auspuffbauern enden ebenfalls ernüchternd. Entweder besteht kaum Interesse an dieser Idee, oder die Preisvorstellungen von 3.000 bis 4.000 Euro sprengen mein geplantes Budget von maximal 1.000 Euro deutlich. So bleibt mir letztlich nur eines übrig: die Eigeninitiative – der Beginn eines interessanten Projekts!

Die Ursprungsidee: lediglich die Endrohre der originalen Vier-in-zwei-Anlage entfernen, eine Art Y-Stück anfertigen lassen und daran vier schlanke und formschöne Schalldämpfer montieren. Die passenden Endrohre sind erfreulich schnell gefunden. Louis hat solche Dinger als „Conic Long“ seit vielen Jahren zum Preis von 59 Euro je Rohr im Programm. Der Haken an der Sache: Sie besitzen keine ABE, die umgebaute Anlage muss deshalb per Einzelabnahme vom TÜV begutachtet und abgenommen werden.
Erstmals im Februar 1994 zugelassen
Vor der weiteren Realisierung des Projekts steht für mich daher die Kontaktaufnahme mit dem TÜV an, in Ostdeutschland verantwortet das die DEKRA. Die möglichst frühzeitige Einbeziehung der dortigen Experten ist eine unverzichtbare Voraussetzung für das Gelingen des Projekts. Kompetente Beratung und Hilfe finden sich mit Dipl.-Ing. Gerhard Poggenpohl, dem Motorrad-Experten beim TÜV-Nord (selbst ehemaliger Besitzer einer CB 750 Four). Zur Vorbesprechung bringt man möglichst schon alle Teile, Unterlagen etc. mit. In meinem Fall stellt sich heraus, dass die erworbene Seven Fifty glücklicherweise erstmals im Februar 1994 zugelassen wurde und der gewünschte Umbau deshalb möglich ist. Bei einer zwei Monate später erfolgten Erstzulassung hätte ich nur Endrohre mit EG-Betriebserlaubnis verwenden dürfen. Eine Leistungs- und Geräuschmessung sowie eine Begutachtung durch einen TÜV-Sachverständigen wird trotzdem gefordert. Die Kosten dafür betragen rund 350 Euro – nicht billig, aber machbar.

Da ich auf keinerlei Erfahrungen zurückgreifen kann und auch im Internet wenig Hilfreiches finde, ist der Erfolg der Aktion alles andere als sicher. Eine Auspuffanlage ist eben ein sehr motorradspezifisches Bauteil. Veränderungen daran können sich durchaus negativ auswirken. Ob Klang, Lautstärke, Leistung und Motorcharakteristik am Ende zufriedenstellend ausfallen? Und ich die Vorgaben des TÜVs einhalten werde? Sicherheitshalber entscheide ich mich, für den Umbau nicht die gut erhaltene Auspuffanlage der Maschine zu zerstören, sondern einen weiteren gebrauchten Auspuff zu erwerben. Im Kleinanzeigenmarkt finde ich eine Anlage in schlechtem Zustand, aber mit gut erhaltenen Krümmern. 180 Euro? Gebongt! Abgeflext, gereinigt, aufpoliert – schon erfüllt sie ihren Zweck. Die vier Conics von Louis landen wenige Tage später als Paket bei mir. Es läuft rund.
Motorcharakteristik hat sich verändert
Für das noch fehlende Verbindungsstück wende ich mich an die Auspuffschmiede in Viersen, die bei Insidern für ihre solide Arbeit bekannt ist. Hier erhalte ich weitere wertvolle Tipps und Anregungen. Statt den Sammler der Original-Auspuffanlage zu behalten, schlägt Auspuffprofi Wulf Peppmöller vor, die Krümmer durch vier Edelstahlrohre zu verlängern und direkt zu den Endtöpfen zu führen. Wie beim Original werden die einzelnen Krümmer mit einem Interferenzrohr verbunden und so perfekt geformt, dass der Hauptständer funktionsfähig bleibt. Das Resultat gefällt auf Anhieb, gespannt starte ich zu einer ersten Probefahrt, die allerdings einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Die Motorcharakteristik hat sich verändert, erst ab 2.000 Touren dreht der Motor ruckfrei und geschmeidig hoch. Noch gravierender: Der Sound der Anlage erinnert in jeder Hinsicht an die 70er-Jahre und die damals legendären Marving-Anlagen. Für die heutige Zeit eindeutig zu laut! Doch auch für dieses Problem weiß Peppmöller Rat, baut vier zusätzliche DB-Killer aus Edelstahl in die Anlage ein.

Der zweite Fahrversuch verläuft deutlich besser, hebt prompt meine Stimmung. Nach Synchronisation der Vergaser hat die Seven Fifty ab 1.500 Touren jetzt nicht nur einen sauberen Durchzug, sondern auch einen tief grollenden Klang, der weder aufdringlich noch zu laut ist. Für die Maßarbeit werden knapp 400 Euro fällig. Damit ist der nächste Meilenstein des Projekts erreicht. Ein positiver Nebeneffekt: die nun mögliche einfache Demontage der Auspufftöpfe bei Wartungs- und Reparaturarbeiten. Die Original-Anlage musste bisher unter großem Aufwand komplett demontiert werden.
Langsam rückt das Ziel in Sicht
Die größten Hürden stellen aber zweifellos noch die Geräusch- und Leistungsmessung sowie die technische Abnahme in Bezug auf Aufbau, Dauerhaltbarkeit etc. dar. Von besonderer Bedeutung ist natürlich die Geräuschmessung. Werden die zulässigen Grenzwerte überschritten, ist eine Abnahme nicht möglich. Im Falle meiner Seven Fifty müssen die Fahrgeräusch-Grenzwerte für Motorräder mit Erstzulassung ab 1.10.1990 eingehalten werden. Das sind immerhin 82 Dezibel. Vor 1990 waren es gar noch 86 Dezibel, nach 1995 nur noch 80. Das Problem einer Einschätzung ist die Subjektivität des Geräuschs. Nur vom Standgeräusch ausgehend, ist keine vernünftige Aussage über das Fahrgeräusch möglich. Da die Messung auf eigenes Risiko erfolgt (die Gebühr von 250 Euro ist auch bei negativem Bescheid zu entrichten), kaufe ich vorab ein günstiges Dezibel-Messgerät von Racefoxx für rund 26 Euro, das, wie sich später herausstellt, erstaunlich exakte Messwerte liefert.

Damit führe ich einen improvisierten Test durch, indem ich die Werte der modifizierten Seven Fifty mit denen meiner Honda NTV gleichen Baujahrs im Standgas und bei unterschiedlichen Drehzahlen vergleiche. Das Ergebnis macht Mut, und ich wende mich an die für Geräuschmessungen in meiner Region zuständige TÜV-Station Bottrop. Achtung: Nur wenige TÜV-Stationen bieten solche Messungen an, da eine passende Teststrecke benötigt wird. Im Falle des TÜVs Bottrop erfolgt die Prüfung auf der direkt neben der Station liegende Teststrecke der Firma Brabus (hauptsächlich im Bereich Fahrzeugtuning, vor allem für Mercedes-Benz-Modelle tätig). Optimale Bedingungen also.
Schwierigste Hürde: das Geräusch
Detlef Gehrmann, der Leiter der Station, wirkt sehr aufgeschlossen und beantwortete im Vorfeld nicht nur geduldig alle meine Fragen, sondern gibt auch viele Tipps. Dennoch stellt er klar, dass am Ende nur die gemessenen Werte entscheiden werden. So fahre ich an einem sonnigen und trockenen Morgen Ende April um acht Uhr mit einem durchaus mulmigen Gefühl, ähnlich wie bei einem Zahnarztbesuch, zum Termin nach Bottrop. Dort wartet schon geballte TÜV-Kompetenz auf mich. Neben Experte Gehrmann ist auch sein Kollege Dietmar Bley, TÜV-Teamleiter der Region Rhein/Ruhr, erschienen. Er fährt die Seven Fifty, während Gehrmann die Messung überwacht. Auf dem Brabus-Testgelände, eingerahmt von zahlreichen Mercedes- und Smart-Pkws, erfolgt der Prüfzyklus entsprechend der Vorgaben in Bezug auf Geschwindigkeit und Drehzahl im zweiten und dritten Gang aus beiden Fahrtrichtungen unter Berücksichtigung von Fahrbahnbeschaffenheit, Windgeschwindigkeit und Temperatur. Es bleibt spannend. Das Prüfergebnis lässt mich aufatmen. Die Messung ergibt einen Mittelwert von 80 Dezibel und liegt damit sogar zwei Dezibel unterhalb des Grenzwerts. Die schwierigste Hürde ist genommen!

Die Leistungsmessung lasse ich auf einem Prüfstand der Firma MGM in Castrop-Rauxel durchführen. Zweiradmechanikermeister Manuel Galkus, der Inhaber des auf BMW-Motorräder spezialisierten Betriebs, ist in der Szene als Tuningprofi bekannt und im Rennsport aktiv. Für sehr faire 39 Euro gibt es neben dem gewünschten Leistungsdiagramm auch eine (positive) Einschätzung von Leistung und Drehmomentverlauf. Die Nominalleistung der originalen Seven Fifty beträgt 73 PS. Die nun gemessenen 75,5 PS liegen damit im Rahmen der Toleranz. Für ein Motorrad mit einer Laufleistung von über 60.000 Kilometern ein sehr beachtlicher Wert.
Motorrad hat nun eine individuelle Note
Nachdem ich im Vorfeld schon alle relevanten Unterlagen an meinen Hauptansprechpartner Dipl.-Ing. Poggenpohl geschickt hatte, steht nun der vorletzte Schritt beim TÜV Herne an. Aufgrund der vorher geklärten Sachlage erfolgt die entsprechende Abnahme erwartungsgemäß ohne Probleme. Bleibt am Ende noch der Gang zum Straßenverkehrsamt zwecks Eintragung der Änderung in die Fahrzeugpapiere. Nach vorheriger Online-Terminreservierung ist auch dies in einer knappen Stunde erledigt und die Auspuffanlage legalisiert.
Ende gut – alles gut: Von der Idee zur Realisierung ist es ein weiter, aber sehr interessanter Weg. Und auch wenn mir zwischendurch Zweifel kamen, so hat sich der durchaus beträchtliche Aufwand schließlich gelohnt. Sound und Optik entsprechen noch besser als zuvor meinen Vorstellungen. Das Motorrad hat nun eine individuelle Note, die es einzigartig macht. Wichtig bei einem solchen Projekt ist es, sich zu Beginn nicht zu stark festzulegen, offen für Anregungen zu bleiben und den Zeitplan recht großzügig zu bemessen.