Das alte Lied: Nach langer Standpause startet das Motorrad nicht mehr oder nicht richtig. Diagnose: Vergaser zu, Benzin kaputt. Was ist passiert?
Das alte Lied: Nach langer Standpause startet das Motorrad nicht mehr oder nicht richtig. Diagnose: Vergaser zu, Benzin kaputt. Was ist passiert?
Es dürfte die meisten Motorradfahrer betreffen: Nach langer Standpause startet das Krad nicht richtig, sprotzelt herum oder springt im schlimmsten Falle gar nicht mehr an. Gerade alte Vergaser-Modelle stehen regelmäßig im Frühjahr still. Doch eigentlich ist jede Art der Gemischaufbereitung betroffen. Der Grund: alterndes Benzin. Das ist seit Erfindung des Verbrennungsmotors ein Problem. Benzin altert im Tank recht schnell und verliert seine Zündwilligkeit beim Kaltstart. Wie lange kann ich Benzin im Tank lassen? Warum wird Benzin schlecht? MOTORRAD antwortet.
Grundsätzlich ist Treibstoff ein Produkt mit begrenzter Haltbarkeit und das nicht nur, weil es irgendwann im Brennraum gezündet wird. Zu lange gelagert verdirbt Benzin über kurz oder lang, und das Altern setzt ein, sobald es die Raffinerie verlässt. Zwischen zwei bis drei Monaten oder bis zu einem Jahr sind Experten der Industrie sich sicher, sei Benzin grundsätzlich haltbar ohne messbaren Qualitätsverlust. Hauptfaktoren beim Altern sind: Wie viel Licht und Umgebungsluft an das Benzin kommen und ob hohe Temperaturschwankungen dem Kraftstoff zusetzen. Im offenen Kanister wird das Benzin schneller altern als im gefüllten und geschlossenen Kanister. Der Kraftstofftank auf dem Motorrad liegt irgendwo zwischen diesen beiden Lagermethoden, und besonders wichtig ist: Wie viel Luft, also wie wenig Benzin ist im Tank. Aber was genau passiert da eigentlich?
Benzin im Gemisch mit Luft zündet sehr gut, weil es sehr viele flüchtige Kohlenwasserstoffe enthält. Zwischen 30 und 200 Grad Celsius verdunsten diese Kohlenwasserstoffe, vor allem die für den Kaltstart wichtigen, leicht flüchtigen Bestandteile des Benzins. Diese sind ebenfalls der Grund für das schnelle Altern, denn über einen längeren Zeitraum flüchten eben diese gasförmigen Moleküle nach und nach aus dem im Tank stehenden Benzin. Das wird so spezifisch schwerer, und die Zündwilligkeit lässt nach, was man meist erst nach der Winterpause merkt. Das Sieden selbst kann im Grunde nur durch kühle Parkplätze unterbunden und durch einen vollen Tank verlangsamt werden.
Ein Grund, warum während der Winterpause der Tank randvoll mit Benzin sein sollte, ist der längerfristige Prozess der Oxidation. Olefine, ungesättigte Verbindungen im Kraftstoff, können mit dem Luftsauerstoff reagieren. Zum einen können dabei geringe Mengen korrosiver Essigsäure entstehen, zum anderen bilden sich Polymere – langkettige Verbindungen – die im Kraftstoff nicht mehr löslich sind. Dieser harzige Schmodder kann Pumpen, Leitungen oder Einspritzdüsen verstopfen. Vergaser-Fahrer können von dem dunkelgelben Lack ein Lied singen, und Restaurateure kennen dieses lästige Phänomen als Gum-Bildung. Merke: Je mehr Luft im Tank ist, desto höher das Risiko einer Oxidation.
Bevor der Stammtisch tönt: E10. Das ist Teufelszeug! Bitte ruhig weiteratmen. Benzin mit einem Anteil Ethanol – E5, E10, E85 – altert nicht schneller, je mehr Ethanol enthalten ist. Tatsächlich laufen die bereits genannten Prozesse sogar etwas langsamer ab. Der Alkohol im Benzin sorgt für eine andere Qualitätsminderung des Kraftstoffs, da er der Umgebungsluft Feuchtigkeit entzieht. Sobald der Alkohol mit Wasser gesättigt ist, trennen sich Benzin, Alkohol und Wasser, was je nach Tankaufbau zu Schäden an Metallen und Leitungen führen kann. Ebenfalls bei Ethanol-Kraftstoffen gilt: Je weniger Luft im Tank, desto weniger Wasser kann der Alkohol binden. Zum einen durch zu große Volumenunterschiede, zum anderen durch die kleine Oberfläche, auf der Luft und Benzin in Kontakt kommen.
Was also rein in den Tank, wenn es in die Winterpause oder in eine andere Pause geht? Am besten ist geraten, den Tank immer voll zu haben, um die Luft vom Benzin wegzuhalten. Weiterhin wären Kraftstoffe komplett ohne Ethanol die beste Wahl, um das Binden von Wasser vorzubeugen, also die Premium-Kraftstoffe. Wer das nicht möchte, dem raten Experten, E5 zu tanken. E10 bindet zwar mehr Wasser bei langer Lagerung vor der Entmischung, das Wasser soll jedoch, so weit es geht, aus dem Tank gehalten werden. Unterm Strich: Benzin in einem vollen Tank altert langsamer als wenig Benzin. Ein komplett entleerter Kraftstofftank kann ebenfalls eine Lösung sein. Jedoch: Der leere Tank begünstigt alle drei Prozesse in den übrigen Teilen des Kraftstoffsystems, was noch schwerere Konsequenzen haben kann.
Was haben Rasenmäher und Motorräder gemeinsam? Oft starten sie im Frühling, beziehungsweise nach langem Stillstand nicht oder nur schlecht. Der Grund: Das Benzin in einem Tank mit Luft altert schnell. Die Haltbarkeit wird zwischen zwei Monaten und bis zu einem Jahr umrissen.
Besonders anfällig sind leere Tanks mit viel Luft, die ständigen Temperaturschwankungen ausgesetzt sind. Ob es dabei um Benzin mit einem hohen oder niedrigen Ethanol-Anteil geht, macht in Sachen der Alterung keinen Unterschied. Der Alkohol erweitert die Folgen der Überlagerung nur um einen weiteren Faktor.
Eine einfache Vorsorgemaßnahme gegen alterndes Benzin während längeren Standpausen ist das maximale Füllen des Tanks mit frischem Kraftstoff.