Suzuki Address 110

Mit dem Suzuki Address 110 über die Alpen Alles für die Story

Das Alpen-Masters-Team hatte doch tatsächlich einen Satz Koffer in Stuttgart vergessen. Und irgendeine Story wollten wir für 113 Jahre MOTORRAD noch um die Zahl 113 stricken. Hilfe nahte - in Form eines Rollers.

Alles für die Story Gargolov
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"Man müsste etwas mit der Zahl 113 machen. Immerhin sind wir nun 113 Jahre alt!" Immer, wenn die dicke XXL-Ausgabe von MOTORRAD ansteht, muss mindestens eine Zahlenspielerei auftauchen. Aber 113? Da fällt uns nichts ein. 113 PS? Zu normal. Fahren mit einer 113-Cubic-Inch-Maschine? Gibt es das überhaupt? Das diabolische Grinsen von Gerd Mayer, unserem Katalog-Mann, erklärt sich gleich: „Chef, ich hab da was für dich. Suzuki baut einen 113-Kubik-Roller, den Address 110. Passt wunderbar!“

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Wunderbar, was heißt da wunderbar? Das Teil hat 10 PS, einen luftgekühlten Einzylinder-Viertakter und läuft laut Schein 94 km/h. Was soll ich denn damit? „Du könntest 113 Kilometer weit fahren oder vielleicht doch eher 113 Meter.“ „Wir machen dir eine 113-dB-Hupe dran!“ „Du kaufst dir noch für 113 Euro Klamotten und fährst damit …“ Vorschläge der lieben Kollegen gab es viele, entzündeten aber alle nicht meine Fantasie. Vielleicht verfahre ich mit 113 Kubik 113 Euro und schaue, wo ich dann bin. Bei 2,05 Liter Normverbrauch, den Suzuki für den kleinen Address angibt, wären das immerhin satte 1811 Kilometer. Also nach Madrid oder Minsk, oder lieber nach Reggio Calabria auf die Fähre nach Sizilien. Lillehammer vielleicht?

"Chef, wir brauchen die Koffer"

Noch in der Entscheidungsfindung der rettende Anruf: „Chef, wir brauchen die Koffer der Aprilia Caponord! Haben wir in der Hektik liegen lassen, und nun fehlen sie uns beim Alpen-Masters-Finale.“ Da ist sie wieder, die Mutter aller Ideen. Ich fahre zum Finale des Alpen-Masters, wie schon vor drei Jahren bei unserer 2500sten Ausgabe. Diesmal aber statt mit einer Honda CB 250 und 2,5 Liter Verbrauch mit einem Suzuki Address 110 und volle Pulle. Schließlich müssen die Koffer schnellstmöglichst Richtung Aostatal, und Mietauto is’ nicht.

Mit Topspeed 94 brauche ich zum Alpen-Masters-Standort Saint Vincent acht Stunden. Der Plan ist klar. Abfahrt 14 Uhr, Tank bei Kilometerstand 771 fast voll, was aber anziehen? Immerhin geht es über den Großen Sankt Bernhard-Pass, der 2469 Meter hoch ist. Und Sturm mit Regenschauer soll es auch geben. Ich nehme meinen Winteroverall, man weiß ja nie. Sieht blöd aus, aber wärmt. Darf man mit dem Roller auf der Schweizer Autobahn fahren? Man darf, recherchiert Nachrichten-Mann Mike Schümann. Und Italien? Man darf nicht.

"Sieht total witzig aus!"

Die beiden Fuhrparkleute Gerry und Tobi überraschen mich mit einer waghalsigen Konstruktion. Die dicken Aprilia-Koffer fixierten sie beidseitig mit einer wilden Spanngurtorgie. Ich passe gerade noch rein, aber kann mich kaum noch bewegen. „Sieht total witzig aus!“, rufen die zwei mir hinterher, ich fühle mich schon beim Losfahren bescheiden. Nicht, weil das alles zum Kieken lustig ist, sondern weil die Sitzbank ziemlich dünn gepolstert ist, die Verkleidungsscheibe einen ziemlichen Lärm macht und der Address mit satten 60 km/h aus dem Stuttgarter Kessel schleicht. Dabei schwärmt die Bedienungsanleitung des Suzuki-Teils von der Motorentechnik der GSX-R-Modelle mit Rollenschlepphebel und Einspritzung. Was nützen dir Rollenschlepphebel, wenn die Nockenwelle kaum Ventilhub hat und die Einspritzung fast nix einspritzt. Ich sach nur: Roller und ich, das wird nix.

Schon der erste Stau bessert meine Laune. Trotz oder gerade wegen der ausladenden Koffer und der gelben Startnummer komme ich gut zwischen den Autoschlangen durch. Werde wohl als Sonderfahrzeug angesehen. Qualvoll langsam klettert die Tachonadel von 80 auf 86. Von hinten droht Ungemach: Ein dicker Laster will nicht vom Gas gehen müssen. Schon gar nicht wegen eines komisch beladenen Rollers mit einem noch komischeren Typen drauf. Ich mache mich klein, sehr klein hinter der Verkleidung. Erst jetzt merke ich, dass ich eine Autobahnsteigung von vielleicht einem halben Prozent überwinde. Der Laster drückt drei Meter hinter mir und fängt jetzt auch noch zu hupen an. Ich bedanke mich bei ihm per … Uff, es geht bergab. Endlich stehen mal 90 km/h auf der Uhr, und das Motörchen dreht Richtung Leistungszenit. Tschüss, du bulgarischer Tachoscheibenakrobat!

"Bist du durchgefahren?"

Ein holländischer Wohnwagenartist überholt mich, schert knapp vor mir ein. Wie von Geisterhand schnellt meine Geschwindigkeit nach oben, 98 km/h, 100 km/h, 105 km/h! Ich glaub’s nicht. Ich halte mich direkt hinter ihm, fette Wirbel schütteln mich hin und her, aber ich bleibe dran. Unbedingt das Hinterrad halten, wie beim Radrennen. Das ist echt Sport hier. Jetzt überholt der Kerl. Bedenklich pendelt sein Wohnwagen in der Wirbelschleppe eines dicken 38-Tonners. Und ich pendle mit. Für einen kurzen Moment gehe ich vom Gas, das Gespann zieht davon. Schon blicke ich in ein dickes Scheinwerferpaar – in meinen Rückspiegeln! Und rechts kommt der Truck wieder langsam vorbei. Ich gebe auf. Ordne mich hinter dem Lkw ein. Verschnaufpause. Später habe ich es dann drauf. Anpirschen im Windschatten bis dicht hinter die Stoßstange, dann massives Rausziehen bis an die Mittelleitplanke, um der Wirbelschleppe am Lkw-Führerhaus zu entgehen, sofort wieder einscheren und beten, dass es nicht bergauf geht. So etwas sieht man sonst nur noch bei der Moto3, Racing pur.

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Schnell ein Selfie gemacht – die Alpen-Masters-Crew kann weiterarbeiten.

Bis Basel habe ich schon zweimal getankt. Nur fünf Liter fasst der Spritbehälter, der Roller braucht statt der versprochenen zwei gut drei Liter. Nach 120 Kilometern wird es spannend, bei 160 ist Schluss. Ich kaufe eine Vignette für 41 Euro und schaffe es, ohne liegen zu bleiben, bis Montreux. Die Nacht bricht herein, ein mächtiges Regengebiet sorgt für Überschwemmung in meiner Kombi, mit dem letzten Tropfen Sprit tucker ich an eine Autobahntankstelle. 4,91 Liter, puh. Jetzt wird es hart. Die nördliche Passrampe überwindet 2000 Höhenmeter, schon auf 1000 Metern beginne ich, zu frieren. Vier Grad zeigt ein Thermometer, und noch immer klettert die Straße nach oben. Nachts im Regen über den Pass, hatte ich nicht sogar noch Schnee gesehen? Ich fahre durch den Tunnel. Die 14-Zoll-IRC-Reifen mit der Made-in-Indonesia-Aufschrift bieten entsetzlich wenig Grip im Nassen. Ich drücke unglaubliche 17,20 Fränkli ab für 5,8 Kilometer und rolle mit 80 Sachen durch. Jetzt aber hurtig auf der italienischen Seite hinab ins Tal. Chattillon sind noch 50 Kilometer, ich ziehe voll durch. Löse ein Ticket auf der Autobahn, drücke nochmals 5,20 Euro ab und schaue in verdutzte Gesichter. „Bist du durchgefahren?“ Testchef Gert ist platt. Er hat eine dicke Backe wegen Zahn und einen müden Körper nach langem Testtag.

Die Kofferübergabe am nächsten Morgen freut die Alpen-Masters-Crew. Ich mache mein Selfie und ziehe wieder ab Richtung Heimat. Ohne Koffer rennt der kleine Suzuki-Scooter 10 km/h schneller. Oder ist es der Rückenwind, der mich treibt? Wie auch immer, mit 105 km/h rausche ich Richtung Furkapass, denn da will ich drüber. Den Rhone-Gletscher bestaunen, die Alpenrosenblüte bewundern und mit putzigen Murmeltieren spielen.

Es kommt ganz anders: Der Rhonegletscher ist ziemlich weggeschmolzen, die putzigen Murmeltiere vertreibt ein pfeifender Franzose, und die Alpenrosen sind verschwunden. Es schneit heftig. Auf der Suzuki-Scheibe bildet sich eine Eisschicht. Bin ich froh über meine Thermokombi! Und über die Gotthard-Autobahn, die ich nach langem Gestocher im Nebel erreiche. Gott sei Dank hatte ich nochmals vor dem Furka drei Liter getankt, so reichte der Sprit bis kurz vor Zürich. Heftiger Regen seift uns noch mal ein. Aber der Address schnurrt immer weiter. Irgendwie habe ich ihn inzwischen fast schon lieb. So superbrav, wie der Kleine schnurrt. Und auf der Autobahn legt er sich wieder richtig ins Zeug. 108 km/h zeigt die Tachonadel auf der A 81 Richtung Stuttgart, keine Ahnung, warum er inzwischen gefühlte 2 PS mehr hat. Vielleicht, weil ich ihm immer nur Vollgas gegönnt habe. Zu Hause zeigt der Kilometerzähler 2001. 1230 Kilometer gefahren, 41,5 Liter verbraten für 59,36 Euro. Billiger geht es nicht. Und es war weniger, als ich an Straßengebühren zahlen musste. Unverschämt, oder?

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