Rund um die Sorpe liegt doch das Bermudadreieck vom Sauerland – da verschwinden die meisten Führerscheine", grinst Reinhard. Als Cheffe des bei der Motorrad fahrenden Kundschaft beliebten Landgasthauses "Zum Wilden Zimmermann" in Hallenberg weiß er Bescheid, ist Kenner der Szene. Und mein Begleiter für eine Runde zunächst mal durch den östlichen Teil des Hochsauerlandkreises, für die er statt seiner "zornigen" KTM 1290 Super Adventure R die mächtige Indian Roadmaster Limited aus der Garage holt.
Sonnenstundenreichste Region Nordrhein-Westfalens
Wir verlassen das hübsche Fachwerkstädtchen, alle zehn Jahre Austragungsort übrigens der mit Laiendarstellern aus dem Ort besetzten Passionsspiele, biegen von der B 236 ab nach Braunshausen und folgen der Ausschilderung zum Ruhewald. Putzmunter schlängelt sich das Sträßchen, kaum breiter als die Indian lang, durchs schattige Grün, bis die Landschaft offener und weiter wird. Beworben mit "Die Toskana des Sauerlandes", gilt die Medebacher Bucht im Regenschatten des 800 Meter hohen Rothaargebirges als sonnenstundenreichste Region Nordrhein-Westfalens. Via Medelon, Glindfeld und Oberschledorn wedeln unsere Zweizylinder in weiten Schwüngen durchs sanft gewellte Hügelland.
Fast schade, dass es nicht regnet
Von Düdinghausen nach Usseln dann rockt die Route richtig, wobei "die echten Bergrennstrecken hier", so verrät Reinhard, von Nuttlar nach Kallenhardt sowie von Meschede über den Stimmstamm nach Warstein führen. Fast schade, dass es nicht regnet. Stundenlang könnte man in Usseln durchs Curioseum streifen – und immer noch Neues und Abgefahrenes entdecken in dieser musealen Wunderwelt, pickepackevoll mit Oldtimern, Kitsch, Kunst und Krempel. Draußen parken ausgemustert U-Boot und Starfighter, drinnen drängeln sich Microcars, Jaguar E-Type und Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer, Letzterer als Holzmodell im Maßstab 1:1, begegnest du sowohl Napoleon hoch zu Ross wie auch dem Außerirdischen E.T. in einer Art Seifenkiste.
In 100 Metern auf dem Skywalk im Strycktal
Und dem Autogrammjäger Hartmut "Harti" Kleinert in einer MV-Agusta-Sonderausstellung, wo der pensionierte Bäckermeister stolz seine rot-silberne Rennverkleidung präsentiert, gespickt mit mehr als 60 Unterschriften von Giacomo Agostini über John Surtees bis zu Valentino Rossi. Weitab vom Alltäglichen weiter zum Ausbruch aus dem Alltäglichen ins nahe Willingen. Der Einheimische dazu: "Das ist die Antwort auf Malle und den Ballermann, exzessiver noch als Winterberg, Stichwort ‚Sauerland Stern Hotel‘." Und während der 1.000-Betten-Klotz gegen das Image des nicht nur zum Händchenhalten genutzten Partyschuppens ankämpft, schmückt sich das touristische Aushängeschild Willingens, die für Weltcup-Skispringen genutzte Mühlenkopfschanze, mit einer weißen Weste. Oder grünen. Hoch her geht es seit Neuestem auch gleich daneben auf dem spektakulären Skywalk, 100 Meter über dem Strycktal und 664 Meter (schwindel-)frei schwebend-schwankend zwischen Schanze und gegenüberliegendem Musenberg. Wer den Magen lieber füttert statt reizt, findet ein paar Etagen tiefer mit dem "Café-Restaurant Aufwind" ein sicheres Plätzchen.
Bruchhauser Stein und das Fort Fun Abenteuerland
Abflug. Erst zu den Bruchhauser Steinen, wo vier markante Felsen wie Zahnstümpfe aus dem bewaldeten Istenberg emporragen, du zum Gleitschirmfliegen oder zur Exkursion auf dem Rothaarsteig starten kannst. Dann, daran führt seit Generationen kein Weg vorbei, zum Fort Fun Abenteuerland bei Bestwig-Wasserfall, Freizeitpark mit Fahrgeschäften und Shows wie im Wilden Westen. Heute sogar mit einem Indianer, einer edlen "Rothaut" aus Spirit Lake (Iowa). Sehr zur Freude der Klasse 9.1 der Städtischen Gesamtschule Lippstadt, die sich anfangs etwas schüchtern, schließlich neugierig um die rollende Disco mit 200-Watt-Surroundsystem schart. Zum Abschied ein Blick auf Achterbahn und Riesenrad, und schon stecken wir wieder im Kurvenkarussell, schwenken über Andreasberg rüber zum Besucherbergwerk Ramsbeck.
Festival-Gelände für Karl-May-Festspiele in Elspe
Da es partout nicht regnen will, fällt die Grubenfahrt unter Tage quasi in die Sonne, bleibt vorm Förderturm nur ein kurzer Vergleich technischer Daten: hier die ausgemusterte Diesel-Lok mit 3-Zylinder von Deutz und 75 PS bei 900/min, dort der Tourendampfer mit 92 PS bei 4.200/min. Und die schieben nun ruhig und souverän, aber doch deutlich zügiger durchs Brabecketal voran als seinerzeit in ihrem Revier da die Lok A3M 420, mit voller Anhängelast nur 4 km/h "schnell". Via Westernbödefeld, Bad Fredeburg und Obringhausen navigieren wir nach Wormbach, Start zu einer flotten Etappe über Bracht und Oedingen zum Festival-Gelände für die Karl-May-Festspiele in Elspe. Aber ach, ab 16 Uhr geschlossen, nix ist mit mal spinxen, wenn Winnetou und Old Shatterhand für Recht und Ordnung "Unter Geiern" sorgen.
Sauerland-Pyramiden in Lennstadt-Meggen
"Kein Ort der einfachen, seichten Unterhaltung, sondern voller anspruchsvoller Attraktionen … an den Grenzen des menschlichen Wissens", so die Website der Sauerland-Pyramiden in Lennestadt-Meggen. Bestimmt spannend, die sieben futuristischen Pyramiden im Galileo-Park – sogar die Ausschilderung ist bereits ein Rätsel. Das wir nicht lösen, sondern durchstarten zum Staunen und Wundern auch anderswo. "Bis Bad Berleburg wird’s lustig", freut sich Reinhard auf 30 kurvige Knallerkilometer. Und könnte dabei eigentlich statt AC/DC mal Alexandra spielen: "Mein Freund, der Baum ist tot …" und weitertexten: "… er starb den Borkenkäfertod." Ja, es ist ein erschreckend dystopisches Panorama, das sich hier ausbreitet. Die Landschaft durchsetzt mit riesigen braunen Placken gerodeter Fläche, auf denen einst Fichten in Monokultur standen, bis sie wegen der Dürre und Hitze nicht mehr "nachharzen" und so die Käferplage erfolgreich bekämpfen konnten. Schnitt.
Panorama-Park und Besteckmuseum Fleckenberg
Vorbei am Panoramapark, einem familienfreundlichen Freizeit- und Wildpark sowie dem Rhein-Weser-Turm mit seinem nur noch am Wochenende bewirtschafteten Café jagen wir wie Lucky Luke unseren zunehmend länger werdenden, immer wieder die Richtung wechselnden Schatten auf dem Asphalt nach. Und sammeln dabei en passant ein paar weitere Stationen für mögliche Zwischenstopps: die Wisent-Wildnis am Rothaarsteig zwischen Aue und Jagdhaus, das Besteckmuseum in Fleckenberg und die Modellbahn in Schmallenberg-Grafschaft.
Schön, dass nicht Samstag, Sonntag oder ein Feiertag ist. Denn dann wäre jetzt die kurvige B 236 von Oberkirchen hoch nach Winterberg-Hoheleye für Motorräder gesperrt; legal geht’s dort an solchen Tagen nur bergab. Tja, liebe Knieschleiferfraktion, kein Kommentar. Abstecher noch zum Kahlen Asten – keineswegs der höchste Punkt in Nordrhein-Westfalen, das ist der Langenberg bei Niedersfeld – und am Ende vom heutigen "Indian Summer" zurück nach Hallenberg.
Das Bermudadreieck des Sauerlands
Fehlt noch was? Richtig, das "Bermudadreieck vom Sauerland". Also los, diesmal an einem Sonntag und zusammen mit Uwe und seiner schmucken BMW R nineT Scrambler, in Kalamata Metallic Matt und mit güldenen Speichenrädern, viel zu schade, sie oder auch nur den Lappen zu versenken. Von Arnsberg aus, nein, nicht über den an Wochenenden und Feiertagen für uns gesperrten "Ochsenkopf" nach Sundern, sondern vom Stadtteil Neheim aus vorbei am Kloster Oelinghausen Richtung Holzen und Asbeck. Erste Doppelleitplanken als Indiz, dass es auch hier rund geht. Aber einmal falsch abgebogen – und schon schaltest du in den Tuckermodus. Uwe: "Das ist ’ne Ecke, die verdient Ruhe" – weshalb sie im GPX-Track einfach außen vor bleibt.
Via Herdringen gondeln wir nach Albringen, schlängeln uns hoch nach Eisborn. Wo sich Schützenfestmucke ins Brabbeln der Auspufftüten mischt, ein Schild vor promillelastigem Fußgängerquerverkehr warnt. Die Ouvertüre vor dem Sturm. Durchs Hönnetal und über Langscheid schließlich hinab zur Sorpe, ins Auge des sonntäglichen Orkans. Stop-and-go – and Show – auf der Uferstraße, vis-à-vis dem angesagten Restaurant "Bei Stavros" sind selbst die Parkplätze für Motorräder zu zahlen, bargeldlos per App.
Über Allendorf nach Plettenberg-Leinschede
Och nö, lieber etwas weiter zum schattigen, kostenlosen Parkplatz neben dem rustikalen Imbiss "Lucas am See". Wo wir Michael mit seiner abgefuckten Moto Guzzi California III. treffen, kreativer Gegenentwurf zu, sagen wir mal, einer Roadmaster. Aber beides völlig okay, jedem Tierchen sein Pläsierchen. Und uns nun die leckeren Schlängeleien von Allendorf nach Plettenberg-Leinschede sowie, garniert mit grünen Rüttelstreifen quer zur Fahrbahn, von Rönkhausen retour nach Allendorf. Nicht zu vergessen, der Abstecher nach Wildewiese. Zum einen als Überleitung zum Kult-Hit von "Zoff": "Mein Herz schlägt für das Sauerland, vergrabt mein Herz im Lennesand, wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind." Zum anderen, weil "Steinbergs Naturhotel Wildewiese" mit seinem Biergarten schöne Stunden am Ende der Welt verspricht.
"Bergsonderprüfung" von Meschede via Hirschberg nach Niederbergheim
Faulebutter, Baukloh, Hasenknick – auf der Freizeitkarte finden sich gar lustige Ortsnamen. Aber nur nicht verzetteln beim vergnüglichen Hakenschlagen im Bermudadreieck, auch über Stockum, Obersalwey und Schüren geht’s kurz- wie kurvenweilig zum Hennesee. Zumal unterwegs noch das DampfLandLeute-Museum in Eslohe lo(c)kt. Inzwischen ist der Ausflugssturm abgeflaut, machen selbst Uferstraßen Laune. Ganz zu schweigen von der "Bergsonderprüfung" von Meschede via Hirschberg nach Niederbergheim. Cool-down dann am Nordufer der Möhne, wo eine Location nach der anderen zum chilligen Boxenstopp bittet. Vom "Uferlos" mit seinem feinen Sandstrand über das legendäre "Geronimo" bis zum nicht ganz so hippen "Wolf’s Revier". Ehe sich in Hüsten auch dieser Kreis wieder schließt, nach zwei tollen Tagen im Land der 1.000 Möglichkeiten.