7 Superbikes im Rennstrecken-Test

7 Superbikes im Rennstrecken-Test Aktuelle Sportlerinnen im Vergleich

Auf der Rennstrecke verschiebt sich der Fokus, werden die Karten neu gemischt - das gilt auch für Straßen-Bikes. Soziuskomfort, Zuladung, Verbrauch? Irrelevant. Hier zählen allein harte Fahrkriterien. Und Rundenzeiten.

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Echte 257 Stundenkilometer weist das Datarecording für die Panigale V4 S am Ende der 800 Meter langen Geraden des Circuit Alcarras aus – der Spitzenwert der Gruppe. Am selben Bremspunkt fährt die Ninja ZX-10 RR 245 km/h. Das sind Welten. Auch sonst ist die motorisch überragende Ducati nach kurzen Beschleunigungsphasen stets das schnellste Bike. Trotzdem erzielt Rennfahrer Christian Kellner auf ihr nur die viertschnellste Rundenzeit, hinter BMW, Yamaha und Aprilia.

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Leistung ist also offenkundig nicht der alleinige Heilsbringer – erst recht nicht auf einem mittelschnellen Kurs wie Alcarras. Natürlich hilft Power. Erst recht, wenn sie in Hülle und Fülle über ein so breites Band wie bei der V4-Panigale verteilt ist, wenn nach oben schier endlose Drehzahlreserven zur Verfügung stehen. Allerdings serviert die Duc ihren Wahnsinnspunch nicht so fein dosierbar wie die hier besten des Feldes – Aprilia und vor allem BMW. Gerade letztere stellt nicht nur ebenfalls über einen weiten Bereich irre viel Leistung zur Verfügung, sondern macht es mit dem smoothen Leistungseinsatz und perfekter Dosierbarkeit nicht nur Cracks leicht, diese möglichst früh und lang abzurufen. Das macht schnell und schont nebenbei die Ausdauer des Piloten.

Supersportler

Fahrwerkseinstellungen und Fahrmodi

Bei der Analyse des Datarecording wurde augenscheinlich, dass die Panigale V4 S in den langsamen Passagen der Strecke etwas verliert – ein Hinweis auf ihre nicht völlig untadelige Stabilität. Oder genauer gesagt auf das recht „spitz“ auf Rührbewegung reagierende, unkonventionell aufgebaute Chassis. Während etwa eine S 1000 RR, GSX-R 1000 R und Ninja ZX-10 RR „weich“ pumpen, man in dem Falle sorglos weiter am Gas bleibt, vermittelt die Panigale nicht ganz dieses Gefühl der Gelassenheit. Aufgrund dieser Eigenart hat auch das sehr sensible, transparente, mit einem weiten Einstellbereich gesegnete elektronische Fahrwerk der Ducati einiges an Arbeit. Während die in ihrer Grundkonstruktion stabileren, dennoch enorm handlichen R1M und Fireblade so in den (nachgeschärften) Automatikfahrmodi bewegt werden konnten, bevorzugte Christian Kellner bei der Panigale den „fixed“-Modus, der die Dämpfungseinstellungen statisch belässt. Mehr als mit jeder anderen Maschine würde man sich ausgiebige Set up-Turns mit der Panigale V4 S wünschen – ihr Potenzial schlummert augenscheinlich tiefer.

Damit genug der Kritik an der Ducati, schließlich verfügt sie im Gegenzug auch über enorme Qualitäten. Zunächst wären da, nach dem biestigen Motor, ihr hervorragendes Elektronikpaket zu nennen und ihre gigantische Bremse. Ersteres fällt nicht nur üppig aus (schräglagenabhängige Traktionskonrolle und Kurven-ABS sowie Wheelie-Kontrolle verstehen sich von selbst, eine Slide-Control bietet sonst nur die Yamaha), sondern arbeitet auch auf höchstem Niveau. So brillierte angesichts der überragenden Verzögerungsleistung der neuen Brembo-„Stylema“-Anker (langer Radstand, hohe Bremsstabilität) gerade der Blockierverhinderer, welcher zu keinem Zeitpunkt unangenehm eingriff. Ein Kunststück, das auch BMW und Aprilia vollbringen, an dem die Japaner, allen voran Honda, aber scheitern. So stellt das nicht abschaltbare ABS klar die schwächste Einzelkomponente der ansonsten beeindruckenden, dabei recht leicht fahrbaren Honda dar. Gelegentlich öffnete das System beim harten Anbremsen auf teils welligem Untergrund den Druck. Das raubt im Moment Vertrauen, wirft die Fireblade SP deutlich zurück, wie auch ihre etwas grob regelnde Traktionskontrolle.

Schärfstes Werkzeug in der Kiste

Ähnlich, wenngleich in deutlich abgemilderter Form, gebaren sich Kawa (ABS optional abschaltbar, wie bei BMW) und seltener Suzuki, während die R1M von vornherein nur einen gewissen Bremsdruck zulässt, bei dem auch die Verzögerung noch stimmt. Dies schlägt sich aber in einem hölzernen, stumpfen Gefühl für die Bremse nieder. Nicht gravierend, aber schade. Denn in Sachen Einlenkverhalten und Stabilität gehört auch die R1M an die Spitze des Feldes. Auf der Bremse stark sind RSV4 und S 1000 RR, wenngleich letztere nach einigen Turns das bekannte Phänomen des wachsenden Leerwegs im Bremshebel offenbart – aber auch die noch immer beste Traktionskontrolle des Feldes. So handelt es sich bei der S 1000 RR zwar nicht um das knackigste Motorrad (wenngleich die aufpreispflichtigen Schmiederäder gerade die Handlichkeit deutlich steigern), aber in erster Linie dank ihres Motors, des hervorragenden Elektronikpakets und der Gutmütigkeit des Chassis um jenes, auf dem sowohl Profi Kellner wie auch den meisten Hobbyfahrern verlässlich die schnellsten Runden gelingen.

Das schärfste Werkzeug in der Kiste aber stammt aus Noale. Schier unglaublich, was für ein Paket Aprilia mit der RSV4 RF auf die Schmiederäder stellt. Der Umstieg selbst von den guten semiaktiven Fahrwerken auf das konventionelle Öhlins-Chassis der RF (vorne NIX-Gabel, hinten TTX-Federbein) ist wie der Umstieg auf 4K-Fernsehen. Erst hier findet sich das letzte, aber entscheidende Quäntchen Information über die Haftungsverhältnisse. Auf der Rennstrecke funktioniert auch die kompromisslose Ergonomie, trägt ihren Teil zur innigen Kommunikation zwischen Fahrer und Maschine bei. Wie kein anderes Motorrad vereint die RSV4 RF Stabilität, Handling und Rückmeldung. Sie ist stark aufgestellt bei der Elektronik und verfügt über einen höchst akkurat dosierbaren, linearen Antrieb. Ob dieser unbedingten Präzision bestraft die RSV4 auch Nachlässigkeiten direkter – was eine sauber mit ihr durchpfeilte Kurve umso mehr zum höchsten der Gefühle macht.

Die Strecke

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Circuit de Alcarràs: 3.743 Meter, 10 Links- und 4 Rechtskurven, Start-Ziel-Gerade 800 Meter. Griffiger Asphalt, wellige Anbremszonen.

In diesem Jahr findet der Vergleich allein auf der anspruchsvollen Strecke im spanischen Alcarràs statt. Die verfügt über ein sehr hohes Gripniveau, deckt aber mit teils welligen Anbremszonen, einigen zuziehenden Kehren und einer kniffligen Schikane Schwächen in Fahrwerk und Elektronik gnadenlos auf.

Der Fahrer

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Christian Kellner: 125er-DM, Supersport-DM, Supersport-WM, IDM-Superbike, IDM-Supersport.

Für die Ermittlung der Rundenzeiten und Fahreindrücke am Limit holen wir uns schnelle Verstärkung in Form von Christian Kellner, Ex-Supersport-WM, IDM-Supersport- und IDM-Superbike-Fahrer.

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