Wir schreiben das Jahr 1992: Die erste Aprilia RS 125 betritt die Bühne und eroberte die Herzen jugendlicher Sportfahrer im Sturm. Der kleine Zweitakter aus Noale war, mit Verlaub, der feuchte Traum eines jeden Halbstarken. Bis heute hat die Ur-RS 125 nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Warum?
Da wäre zum einen ihr Look, abgeleitet von damaligen 125er- und 250er-GP-Maschinen. Zum anderen ihr Motor, in der offenen Ausführung mit strammen 31 PS, die vehement und spitz anschieben. Ein gedrosseltes Modell gab es erst ab 1996, pünktlich zur neuen 15-PS-Regelung für Fahranfänger. Und dann noch dieses Fahrwerk! Auch im Serienzustand fit für ganz schnelle Rundenzeiten. Erst 2012 war für den Zweitakter Schluss. Wegen neuer Emissionsvorschriften wurde Aprilias sportlichster Achtelliter fortan mit einem Viertaktmotor bestückt.
Aprilia RS 125 GP Replica ab 2022
Seit 2022 möchte die Aprilia RS 125 GP Replica ihrer Ahnin nacheifern. Und trifft auf den ersten Blick voll ins Schwarze: Optisch ist sie eine Wucht! Die Linienführung entspricht der RSV4, selbst Fachkundigen fällt erst beim zweiten Hinsehen auf, dass es sich "nur" um eine 125er handelt. Martialisches GP-Replica-Dekor zitiert den Look der MotoGP-Werksrenner.
Der selbstbewusste Auftritt lässt Nachlässigkeiten beim Finish wie den labberigen Kupplungshebel oder sich schon im Neuzustand ablösende Aufkleber fast vergessen – eine Schicht Klarlack sollte bei 5.599 Euro Listenpreis (Stand 2022) aber drin sein. Davon abgesehen macht die kleine Aprilia einfach an. Nicht nur mein inneres 16-jähriges Ich, sondern auch die erwachsene Sportfahrerseele kann es kaum erwarten, die Zügel in die Hand zu nehmen.
Aprilia RS 125 mit viel Speed und wenig Komfort
Dass die Aprilia RS 125 GP ihren sportlichen Auftritt ernst meint, wird bereits beim Erstkontakt klar: sehr breit ausgestellte Stummel, hohe, nach hinten versetzte Fußrasten, viel Platz auf dem Sitz und hohes Heck. Einige Stadt-Kilometer später fordert die extreme Sitzposition bereits ihren Tribut in Form von schmerzenden Handgelenken und steifem Nacken. Die kleine Aprilia will definitiv kein Kilometerfresser sein, sondern mit viel Speed ums Eck wetzen.
Vibrationen bei unteren Drehzahlen
Beim Thema "Speed" erfüllt die Aprilia RS 125 GP die Erwartungen, die der rassige Auftritt weckt, leider nur bedingt. Im unteren Drehzahlbereich bis etwa 5.500 Umdrehungen vibriert der Einzylinder unangenehm heftig. Zudem gibt er bei gemächlicher Fahrt unschöne mechanische Geräusche von sich. Soll aus tieferen Drehzahlen beschleunigt werden, ist Kupplungseinsatz gefragt. Besser man schaltet einen oder gleich zwei Gänge zurück, so lässt sich das deutliche Leistungsloch zwischen 6.500 und 7.000 Touren überwinden. Erst jenseits von 7.500/min (der Begrenzer setzt bei knapp über 10.000 Umdrehungen ein) wacht der Achtelliter so richtig auf.
Hier ist der Eintopf in seinem Element, dreht gierig und schiebt mit vollen 11 Nm an. Der Quickshifter arbeitet indes auch nur bei hohen Drehzahlen sauber, ansonsten erfolgen die Gangwechsel hakelig und erfordern Nachdruck am Schalthebel. Für die Stadt oder zum Bummeln ist diese sehr spitze Leistungscharakteristik nichts. Erst beim flotten Ritt über gewundene Landstraßen offenbart die Aprilia ihre Stärken.
Überzeugendes Fahrwerk, hervorragendes Feedback
Während der Motor der Racing-Optik erst bei flotter Gangart gerecht wird, kann das Fahrwerk der Aprilia RS 125 GP durchweg überzeugen. Kehren, Wechselkurven, überhöhte Kurven … egal welche Art von Radius, die RS 125 ist in ihrem Element. Mit Präzision und hoher Stabilität beeindruckt die Rennsemmel beim Abwinkeln. Das Federbein ist straff abgestimmt, so vermittelt das Heck beim flotten Carven viel Vertrauen.
Noch besser läuft’s vorne: Die Gabel liefert hervorragendes Feedback und spricht über den gesamten Federweg sehr gut an. Selbst für hartes Ankern mit 90-Kilo-Pilot reichen die Reserven. Ebenso vorbildlich performt die Bremse: Ein leichter Zug am Hebel genügt fast immer. Langt man kräftiger zu, steigt trotz elektronischer Stoppiekontrolle schnell das Hinterrad. Außerdem gefällt das Zwei-Kanal-ABS mit feinen Regelintervallen. Fazit? Im Alltag könnte die Aprilia RS 125 GP Replica mehr Laufkultur und Komfort vertragen. Lässt man sie von der Leine, verzückt sie mit toller Fahrwerks- und Bremsperformance – und wird so zur gelungenen Erbin des supersportlichen Urmodells.