BMW R 1200 RS und BMW HP2 Sport im Vergleich
Luftgekühlt gegen wassergekühlt

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Die BMW HP2 Sport ist ein Hochleistungs-Athlet, die BMW R 1200 RS ein Fünfkämpfer. Wir vergleichen den luftgekühlten Boxer mit dem wassergekühlten Boxer.

Luftgekühlt gegen wassergekühlt
Foto: fact

Schon mal je eine 12er-GS im Rückspiegel gehabt? Auch wenn es viele Supersport-Fahrer nicht gern hören: Es gibt leichter niederzuringende Gegner. Eine selten in freier Wildbahn anzutreffende BMW HP2 Sport mit entsprechendem Fahrer gehört erst recht zur flotten bayerischen Garde. Sie kombinierte 2008 echte 133 PS mit nur 206 Kilogramm Kampfgewicht. Nach Suzukis luft-/ölgekühlten GSX-R-Modellen war die HP2 Sport das stärkste luftgekühlte Serien-Motorrad aller Zeiten! Respekt.

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Luftgekühlt gegen wassergekühlt
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Als technische Basis diente die nominell 122 PS starke, aber echt harmlose R 1200 S. Erst die BMW HP2 Sport wurde zum echten Sport-Boxer. Dafür zog die vorher eher gemütliche Marke BMW (die S 1000 RR ließ noch zwei Jahre auf sich warten) alle Register, stellte den ersten dohc-Boxer überhaupt auf federleichte Schmiederäder, bestückte diese mit ­Brembo-Monoblocks vorn, dem ersten ABS in einem Sportmotorrad und spendierte gefräste und verstellbare Lenkerstummel wie Fußrasten. Dazu gab’s voll einstellbare Öhlins-Federelemente mit Ausgleichsbehälter vorn und hinten. Ja, denn die HP2 Sport trägt noch Telelever!

Ein reizvoller Kontrast zur frischen BMW R 1200 RS. Dieser Sporttourer basiert auf dem aktuellen Roadster R 1200 R. Und trägt wie dieser eine sportlichere Upside-down-Gabel. Neu sind nur Verkleidung, Gabelfüße, Tank und Lenker, fertig. Die drei anderen Modelle mit Wasserboxer, R 1200 GS, GS Adventure und RT, leisten nominell ebenfalls 125 PS. Tragen aber weiterhin Telelever.

Gemütliche Duddel-Boxer? Das war früher.

Ring frei für den offenen Schlagabtausch: Weiß-blau und schwarz sind beide BMWs, ihre beiden dohc-Motoren aber komplett unterschiedlich. Nur Bohrung und Hub sind identisch. Fette 101er-Kolben verdichten jeweils 12,5 zu eins. 73 Millimeter Hub hier wie dort ergeben 1170 cm³ Hubraum. Beim von hinten nach vorn durchströmten, luftgekühlten Motor der BMW HP2 Sport betätigt jede der zwei horizontalen Nockenwellen pro Seite je ein radiales Ein-und Auslassventil per Schlepphebel. Der von oben nach unten durchströmte Wasserboxer der BMW R 1200 RS trägt konventionell je eine Ein- und Auslassnockenwelle pro Seite (siehe Bildergalerie).

2008 war die BMW HP2 Sport oben heraus stärkster und dazu im Drehzahlkeller kräftigster BMW-Boxer. Größere Ventildurchmesser, gefräste Einlasstrakte, leichtere Schmiedekolben und hochfeste Pleuel pumpten den Bizeps auf, ließen den Boxer volle 9500 Umdrehungen einstecken. Für BMW-Verhältnisse ist das fast schon ein Dreh-Motor. Wobei die Drehfreude nicht die von Italo-V2-Twins ist – ganz oben wird‘s doch ein wenig zäh. Im Drehzahlkeller belauert die HP2 ihren aktuellen Gegner noch. Haut dann aber kurz und trocken zu. Wie Klitschkos Rechte. Bei 5500 Touren steigt das Drehmoment rasant. Linker Haken, rechter Haken, dann die Gerade.

Noch kräftiger fühlt sich der Wasserboxer der BMW R 1200 RS an, ist von Anfang an voll bei der Musik. Steigt kraftvoll ein, drückt bis 7000 Touren mehr Drehmoment ab. Motto: Hau gleich drauf und Schluss. Gemütliche Duddel-Boxer? Das war früher. Diese bullige Leistungscharakteristik ist auf Landstraßen eine Macht. Niedrige Drehzahlen, hoher Gang? Easy. Einfach auf der Drehmoment-Woge surfen. Der Wasserboxer hängt fast gierig am E-Gasgriff – die BMW HP2 Sport hat noch Gaszüge.

Neuer Boxer verbraucht einen Liter weniger

Der „alte“ Boxer rennt echte 260! Mit maximal knapp 230 km/h hechelt die gemessen 121 PS starke BMW R 1200 RS da hinterher. Oben heraus beschleunigt die BMW HP2 Sport eben deutlich besser. Dafür geht die bulligere R 1200 RS im sechsten Gang rasanter ab – trotz ihrer 250 Kilogramm Kampfgewicht. Das sind satte 44 Kilo mehr als die HP2 Sport. Thermisch ist der neue Motor günstiger. Magerer abgestimmt, konsumiert er einen Liter Benzin weniger. Weniger gekrümmte Ansaugwege verbessern die Strömung und somit Füllung. Daher reicht dem Wasserboxer Super mit 95 Oktan, die HP2 Sport will teures Super Plus 98. Die alte Konstruktion gibt sich raubauziger, vibriert härter. Aber ihre mechanischen Geräusche sind geringer, trotz abschirmenden Wassermantels des jüngeren Motors. Beim Wasserboxer ist die hydraulische Kupplung nicht sonderlich gut dosierbar. Das kann der luftgekühlte Schlegel besser. Immerhin badet die neue belastungsfähiger im Öl und ist mit Anti-Hopping-Funktion gerüstet.

Wildes Runterschalten auf der BMW R 1200 RS macht richtig Laune: Der optionale Schaltautomat mit Blipper-Funktion gibt beim Runterschalten lustvoll Zwischengas. Die BMW HP2 Sport assistiert „nur“ beim Hochschalten. Hey, aber dafür schon im Jahr 2008 serienmäßig! Mit Kupplung betätigt, schaltet das HP2-Getriebe besser, klicken die Gänge sanfter und mit kürzeren Wegen ein. Beim konventionellen Kuppeln irritiert die RS schon mal mit heftigen Schaltschlägen.

BMW R 1200 RS packt den Fahrer in Watte

Momentabstützung hin oder her, leichte Reaktionen der Kardan-Einarmschwingen (früher rechts, heute links) kommen immer noch durch. Also besser wie früher durch die Kurven pfeilen, mit gleichmäßg Last und Zug am Kabel, ohne Lastwechselreaktionen durch Gas-auf-zu-auf zu provozieren. Traktionskontrollen gab’s zu Zeiten der BMW HP2 Sport noch nicht. Selbstverständlich hat die BMW R 1200 RS eine. Im Fahrmodus „Dynamic“ (er kostet als Teil des „Dynamic“-Pakets extra) lässt die intelligente, schräglagenabhängige Traktionskontrolle DTC spürbar mehr Wheelspin und sogar kleine Freuden-Wheelies zu. Nicht so in den Serien-Modi „Rain“ und „Road“ – bei denen blinkt es öfter heftig gelb im Cockpit.

Ob Nordschwarzwald oder Nordschleife, die leichte BMW HP2 Sport fühlt sich richtig gut an. Ihre Sitzposition ist sportiver, viel Vorderrad-orientierter. Hier liegen die Lenkerstummel etwas unterhalb der oberen Gabelbrücke, bei der BMW R 1200 RS darüber, weshalb man auf der Neuen auch viel aufrechter sitzt. Dafür fühlt sich auf dem Solosportler HP alles direkter an, in einem guten sportlichen Sinne steifer. Das gilt auch für die Lenkpräzision, sie ist einfach knackiger, zielgenauer, straffer.

Man kann die BMW HP2 Sport soften, ihre Federelemente bieten einen weiten Einstellbereich. Aber eine Sänfte à la BMW R 1200 RS wird sie nie. Als Gegenleistung bildet sie das Asphaltrelief sehr transparent erst im Hintern, dann in den Synapsen des Fahrers ab. Dagegen packt einen das optionale ESA-Fahrwerk der RS mit semiaktiver Dämpfung komplett in Watte. Selbst auf Kopfsteinpflaster oder über derben Schlaglöchern wird die RS zum Komfort-Gleiter.

fact
BMW R 1200 RS oder BMW HP2 Sport - beide BMWs haben durchaus ihre Daseinsberechtigung.

Wenn's wüst ums Eck gehen soll bietet die BMW HP2 Sport viel mehr Schräglagenfreiheit. Kleine Kunststoffprotektoren schützen die Zylinder vor Schleifspuren – etwa von Curbs, wenn die HP auf der Renne herumgewuchtet wird. Die BMW R 1200 RS lädt eigentlich auch zu frechem Fahren. Sie fällt – ganz erstaunlich – fast von allein in die Kurven. Dabei weisen alle Fahrwerks-Eckdaten in Richtung trägeres Handling: flacher Lenkkopfwinkel, immenser Radstand, langer Nachlauf. Aber: Sehr früh schleift sie mit Fußrasten und Hauptständer. 

Energischere Lenkimpulse braucht die BMW HP2 Sport. Ihr schönes blaues Gitterrohr-Flechtwerk hat nur Hilfsfunktion, anders als der Brückenrahmen der RS. Brembo-M 50 mit Magura-Radialpumpe waren 2008 State of the Art. Sie beißen kräftig zu, sind nur nicht ganz ideal dosierbar. Da ankert die modernere BMW R 1200 RS brachialer. Zudem hat sie die spürbar modernere ABS-Regeltechnik.

BMW HP2 Sport gibt es nur als Gebrauchte

Beim heftigen Ankern sorgt der Telelever der BMW HP2 Sport für Bremsnickausgleich. Aber handlicher werden beim Reinbremsen wegen des dann verkürzten Nachlaufs unterbindet er. Und die Rückmeldung vom Vorderrad ist auch nicht ideal. Das Umdenken bei BMW bezüglich der Vorderradführung manifestiert sich jetzt auch in der BMW R 1200 RS. Sie ist jetzt nicht gerade ein Feedback-Champion, fährt aber weicher, runder, harmonischer. Frontscheinwerfer und rauchfarbene Flaps an der Frontverkleidung à la S 1000 RR machen an der RS auf sportlich. Doch ihre Bestimmung sind flotte Reisen – sie ist ein echter Sporttourer mit Gepäckbrücke, besserem Windschutz und breitem Soziussitz. 

Dagegen lockt die teure HP2 zu eiligen Spritztouren und Renntrainings. Eine BMW zum Verlieben, das gibt’s nicht oft. Sie macht an. Alles an ihr wirkt edel und wertig. So viel Carbon: Verkleidung, Ventildeckel, Kennzeichenhalter, Fersenschützer, Tank, Kotflügel. Und ein richtig raciges Cockpit. Die BMW R 1200 RS gibt‘s für geneigte Boxerfreunde jetzt neu beim Händler. Die BMW HP2 Sport nur noch gebraucht – sie wird längst nicht mehr gebaut. Echtes Garagenglück also.

Technische Daten

Fazit

Für einen BMW-Boxer zeigt der Antrieb der BMW HP2 Sport ungewohnte Drehfreude: Erst bei 9500 Touren knipst der Begrenzer den Zündstrom ab. Der luftgekühlte Schlegel verwöhnt erst bei 5500/min mit rasantem Drehmoment-anstieg. Darunter hat er ein weites Plateau bei gut 100 Newtonmeter. Bulliger steigt der Wasserboxer in der RS ein: Bis zur 7000er-Marke hat er leistungsmäßig die Nase vorn. Erst dann schwingt sich der luftgekühlte dohc-Boxer nicht einholbar zum Höhenflug auf. Anders als der technisch identische Roadster R 1200 R drückt diese Test-RS nicht volle 125 PS, sondern „bloß“ knapp 122 PS auf die Rolle. 

Urteil

BMW R 1200 RS – Reise und Sport, das vereint das neue Modell mit dem bulligeren Boxermotor. Sofern „Sport“ sehr flott auf Landstraßen meint. Dagegen ist die spitzer ausgelegte BMW HP2 Sport ein echter Edel-Sportler und zukünftiges Sammlerstück. Sie kann auch mal auf die Rennstrecke!

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PS 10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023