Im supersportlichen Milieu sind vier Jahre eine lange Zeit. Früher war es markenübergreifend üblich, die sportlichen und technologischen Speerspitzen alle zwei Jahre zu erneuern. Der rückläufigen Nachfrage in diesem Marktsegment folgend, sind diese Update-Intervalle längst bei allen Herstellern gestreckt worden. Doch nach vier Jahren sollte ein Superbike schon mal wieder etwas nachgeschärft werden, um beim Datenvergleich sowie im Rennsport vorne – oder vorne dabei – zu bleiben.
Von 207 PS auf 210 PS
Die BMW S 1000 RR war zuletzt für 2019 umfangreich erneuert worden. 2021 folgte auf jener Basis das neue Topmodell M 1000 RR, doch die Standard-RR blieb bis einschließlich Modelljahr 2022 unverändert. 2023 folgt wieder eine neue Version der BMW S 1000 RR, und für die sagt das Werk eine leicht erhöhte Spitzenleistung an. Demnach steigt sie von 152 auf 154 kW beziehungsweise von 207 auf 210 PS. Wobei, streng genommen entsprechen 152 kW 206,7 PS und 154 kW 209,4 PS. Beim 2023er-Modell rundet BMW ungewohnt großzügig auf und nennt 210 PS.
250 Umdrehungen mehr
Jedenfalls muss der mit dem zweistufigen Nockenwellensystem Shift Cam ausgerüstete Reihenvierzylindermotor dafür noch ein bisschen höher drehen: Bisher wurde die Nennleistung bei 13.500/min erreicht, die 2 zusätzlichen kW sollen bei 13.750/min erreicht werden. Mit 113 Nm bleibt das maximale Drehmoment unverändert, allerdings nicht mehr bei 10.500/min, sondern erst bei 11.000/min. Nach wie vor schaltet das Shift Cam an der Einlassnockenwelle bei 9.000/min auf das schärfere der beiden Nockenprofile. Feintuning betrifft ebenfalls den Ansaugtrakt: modifizierte Airbox, kürzere variable Ansaugtrichter, optimierte Einlasskanäle. Zur Extrem-Konfiguration für die M 1000 RR fehlen dem Reihenvierzylinder hier nur noch 2 PS. Werksangabe zur M 1000 RR: 212 PS bei 14.500/min.
3 km/h weniger Topspeed
Noch mehr Topspeed wird damit jedoch nicht erzielt. Zwar rennt die BMW S 1000 RR auch weiterhin über 300 – echte – km/h, doch der etwas höheren Spitzenleistung bei entsprechend höherer Drehzahl wirkt die geringfügig kürzere Gesamtuntersetzung entgegen. Aus den bisher 306 amtlichen km/h werden 303 km/h. Von den 46 statt 45 Zähnen am Kettenrad profitiert dafür umso mehr das Beschleunigungspotenzial – in allen sechs Gängen.
Längerer Radstand mit Geometrie-Feintuning
Dabei kommt eine etwas längere Endantriebskette zum Einsatz, mit der sich der Radstand um einige Millimeter verlängert – ohne Änderungen an der Hinterradschwinge. Zur Verlängerung des Radstands von 1.441 auf 1.457 Millimeter trägt allerdings auch der um ein halbes Grad weniger steile Lenkkopfwinkel bei: 66,4 statt 66,9 Grad. Mit dem um 3 Millimeter verringerten Offset der Gabelbrücken verlängert sich auch der Nachlauf, von 93,9 auf 99,8 Millimeter. In Summe verbessert das die Lenkpräzision sowie die Stabilität – auch die Hochgeschwindigkeitsstabilität.
Neue Verkleidung mit Winglets
Für Highspeed werden zudem Frontspoiler, auch Winglets genannt, nachgerüstet – wie vom Rennsport oder seit 2021 von der BMW M 1000 RR bekannt. Die erzeugen angeblich bis zu 10 Kilogramm Abtrieb und damit Anpressdruck am Vorderrad. Wohl die prestigeträchtigste Änderung zum S 1000 RR-Jahrgang 2023.
Mehr Flex im Rahmen
Andererseits wird der Aluminium-Brückenrahmen für 2023 mit gezielten "Durchbrüchen" versehen, um etwas mehr seitliche Verwindung, auch Flex genannt, zuzulassen. Denn beim Sekundenfeilen an Rundenzeiten darf das Chassis nicht zu steif sein. Standardausstattung ist künftig zudem der M Chassis Kit mit einstellbarem Schwingendrehpunkt und Heckhöherlegung.
Elektronische Slide-Assistenz
Updates für die Bordelektronik betreffen unter anderem die Traktionskontrolle DTC: künftig mit Slide Control für Beschleunigungsdrifts. Und das ABS Pro: künftig mit Brake Slide Assist für Anbremsdrifts. Hierfür kommt eine neue Lenkwinkelsensorik zum Einsatz. Außerdem neu ist das ABS Pro Setting Slick für Rennreifen. Weiterhin Sonderausstattung bleibt die elektronische Fahrwerksregelung DDC (Dynamic Damping Control) für Federbein und Upside-down-Telegabel.
Werkstuning mit M-Teilen
Direkt ab Werk oder zum Nachrüsten bietet BMW ein erweitertes Sortiment an M-Teilen an. Neben leichteren Rädern – aus geschmiedetem Aluminium oder aus Carbon – umfasst das auch Abgasanlagen und Protektoren, aber auch Adapter für GPS-Tracking und Kameras. Übrigens: Die M-Bremszangen – übernommen von der M 1000 RR – unterscheiden sich nur mit der blauen Farbe und mit der M-Beschriftung von den schwarzen Bremszangen mit BMW-Schriftzug – die Teile von Zulieferer Nissin sind technisch gleich.
Gewicht gleich, Preis höher
Neuer Standard ist ein USB-Ladeanschluss am Heck, ein geänderter Kabelbaum zur einfacheren Demontage des kürzeren Kennzeichenträgers und die ebenfalls erleichterte Hinterradmontage durch verliersichere Achsbuchsen sowie angefaste Bremsbeläge und -ankerplatte. Außerdem die Lithium-Batterie (M Lightweight), die ein paar zusätzliche Gramm an anderen Stellen, wie etwa an den hinzugekommenen Winglets, ausgleicht. So bleiben die Gewichtsangaben unverändert: 197 Kilogramm, mit Race Paket 195,4 Kilogramm, mit M-Paket 193,5 Kilogramm. Jeweils mit zu 90 Prozent gefülltem 16,5-Liter-Benzintank. Dafür steigt der Preis: 2022 war die BMW S 1000 RR ab 20.080 Euro erhältlich, 2023 wird sie ab 20.420 Euro angeboten.
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Fazit
Am 29. September 2022 präsentierte BMW die neue S 1000 RR für 2023. Mit neuer Verkleidung samt Winglets, rund 3 PS mehr Spitzenleistung, neuer Fahrwerksabstimmung und Elektronik-Updates. Insgesamt rückt die S 1000 RR damit etwas näher an die M 1000 RR heran – und mit jedem nachgerüsteten M-Teil noch näher.