Wenn Motorradenthusiasten, italienische zumal, einer alten Marke zu neuem Ruhm verhelfen wollen und das Ergebnis ihrer Bemühungen im Wonnemonat Mai auf einer niegelnagelneuen Rennstrecke nahe der Adria präsentieren, reisen selbst Skeptiker mit dem Gefühl an, dass etwas ganz Besonderes bevorsteht. Wenn dann das milde Abendlicht vor der Boxenanlage des neuen Adria International Raceway die stimmigen Proportionen der vier Vorserienexemplare liebevoll unterstreicht, sich anmutig arrangierte Details mit der Eleganz italienischer Linienführung zu einer Versuchung auf zwei Rädern ergänzen, verfallen selbst japanophile Pragmatiker in Gefühlsduselei. Da wirkt die knappe Karbonhülle wie das kleine Schwarze, die füllhornmäßig über die Piega verteilten Werkstoffe Titan und Ergal wie zarte Spitze auf samtiger Haut. Ein Zauber, der jeden gefangennimmt bis am anderen Morgen der Blick aus dem Fenster nur den dichten Schleier italienischen Landregens zeigt. Dann wirkt die silberne Piega mausgrau, schrumpfen große Erwartungen zur nüchternen Gewissheit: Auch diese Mondial ist nur ein Motorrad.
Dass die Piega zu deutsch Biegung, Kurve, Schräglage unter diesen keineswegs zum Überschwang verleitenden Umständen trotzdem noch selbige kriegt, ehrt den Mondial-Boss Roberto Ziletti. Denn bei aller Liebe fürs Exklusive ist ihm der Blick für das Entscheidende nicht verlorengegangen. Die Piega ist ein Racer und daher in erster Linie funktionell.
Aufsitzen, losfahren und sich Wohlfühlen sind eins auf der Mondial. Selbst unter derart schlüpfrigen Bedingungen. Rennmäßig die Sitzposition, vorderradorientiert, die breiten Lenkerhälften tief, aber nicht zu tief angeklemmt. Eng der Knieschluss am schlanken 20-Liter-Tank, perfekt die Positon der Fußrastenanlage, die sich zudem in Höhe und Hebelposition individuellen Bedürfnissen entsprechend einstellen lässt. Als vertrauensbildende Maßnahme laufen auch die Pirelli-Regenreifen, die Mondial angesichts der Bedingungen statt der serienmäßigen Supercorsa mit Straßenzulassung (120/70 und 180/55) montiert hat. Und natürlich der Motor. Made by Honda, sonst in der VTR 1000 SP-1 im Einsatz. Und dort bekannt für tadellose Manieren, die er trotz der Leistungssteigerung durch die von Mondial überarbeiteten Einspritzkennfelder versprochen werden 140 statt 132 PS , nicht verloren hat. Das zeigen schon die ersten vorsichtigen Meter auf der Piste. Sogar im für große V2 so kritischen Bereich unterhalb von 3000/min nimmt der Motor hart, aber ohne Murren Gas an, zieht ohne Kettenpeitschen aus dem Drehzahlkeller und dem ersten scharfen Linksknick auf die Gerade. Und dann tut er das, was er schon immer am besten konnte. Schiebt unaufgeregt, doch mit Nachdruck vorwärts, ohne Einbrüche und Leistungsspitzen, einfach so. Wenn es sein muss und wenn der Fahrer den mit Verlaub blödsinnigen Digital-Drehzahlmesser aus der SP-1 nicht im Auge behält mühelos bis in den Begrenzer jenseits der 10000/min. Doch selbst dann hilft ein sanfter Impuls auf- oder unter den Schalthebel, weil sich bei der Mondial das Schaltschema mühelos umkehren lässt. Der nächste von sechs Gängen sitzt.
Keine Frage, dieser Motor gehört nach wie vor zu jenen, die den Stand der V-Zweizylinder definieren. Und trifft in der Mondial Piega auf ein Fahrwerk, das von den Anlagen her ebenbürtig ist. Der in bester Ducati-Tradition fachwerkartig aufgebaute Gitterrohrrahmen besteht aus hochwertigen Chromolybdänrohren, die 46er-Paioli-Upside-down-Gabel hat ebenso wie das Öhlins-Federbein und die jüngste Generation von Brembo-Bremszangen die mit den vier Einzelbelägen schon in anderen italienischen Produkten ihre Qualitäten bewiesen. Was kann da schief gehen? Eigentlich nichts.
Und in der Tat gibt sich die Piega auf diesem nassen, topfebenen und winkeligen Kurs mit vielen langsamen und keiner richtig schnellen Ecke keine Blöße. Lenkt deutlich behänder ein als das rote Gegenstück aus Bologna, bleibt präziser auf der angepeilten Linie als eine SP-1, wird nur unter Wirkung der fein dosierbaren und fest zupackenden Bremse ein wenig nervös, was aber eher auf die Konstruktion der Pirelli-Regenreifen zurückzuführen ist als auf das Fahrwerk an sich. Gabel, Federbein und der Öhlins-Lenkungsdämpfer sind unter diesen Bedingungen nämlich kaum gefordert, geschweige denn an ihre Grenzen zu bringen.
So muss eine endgültige Beurteilung der Piega-Fähigkeiten zukünftigen, sonnigeren Tagen vorbehalten bleiben. Vorläufig, nach diesem ersten, flüchtigen Kontakt, ist man geneigt, die Edel-V2 irgendwo zwischen Ducati 998 S und Honda VTR 1000 SP-2 einzusortieren, weil ihr zu gelingen scheint, das beste aus beiden Welten zu vereinen. Eine Einschätzung, die durchaus auch für das Finish gelten. Allein die sauber unter dem Heckbürzel integrierten Arrows-Schalldämpfer, die in einen zierlichen gemeinsamen Endstück münden, sind eine Augenweide. Ebenso das kunstvoll verschweißte Titanrohr der Auspuffanlage, die massive karbonverkleidete Schwinge, das selbststragende Rahmenheck und die aus dem Vollen gefräste Umlenkhebelei des Federbeins. Alles vom Feinsten, alles sauber verarbeitet. Und alles sehr leicht. 179 Kilogramm ohne Treibstoff verspricht Mondial, angesichts des Tankvolumens von 20 Litern dürften so rund 200 Kilogramm fahrfertig realistisch sein. Und damit liegt die Piega nicht nur unter den konkurrierenden V2, sondern unter den großvolumigen Big Bikes insgesamt sehr weit vorne.
Leider auch preislich. 30000 Euro sollten Piega-Interessenten bereithalten. Spätestens diese Summe ist es dann, die bei einer limitierten Stückzahl von 250 Stück pro Jahr nicht nur Exklusivität garantiert, sondern auch große Erwartungen weckt.
Technische Daten - Mondial Piega
Motor: Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Kurbelwelle querliegend, je zwei obenliegende, zahnradgetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstössel, Nasssumpfschmierung, elektronische Saugrohreinspritzung, 0 54 Millimeter, Motormanagement, keine Abgasreinigung, E-StarterBohrung x Hub 100 x 63,6 mmHubraum 999 cm3Nennleistung 103 kW (140 PS)KraftübertragungHydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-KetteFahrwerk: Gitterrohrrahmen aus Chromolybdähnrohren, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 46 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluprofilen, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Vierkolbensättel, schwimmend gelagerte Bremsscheiben, 0 320 mm, Scheibenbremse hinten, 0 220 mm, ZweikolbensattelAlugussräder 3,50 x 17; 5,50 (wahlweise 5,75) x 17Reifen: 120/70 ZR 17; 180/55 (wahlweise 190/50) ZR 17Maße und Gewichte:Radstand 1420 mm, Leergewicht 179 kg, Sitzhöhe 815 mm, Tankinhalt 20 LiterGarantie: Zwei Jahre ohne KilometerbegrenzungFarben: Silber-BlauPreis: 30000 Euro (Rennversion mit Karbontank 32000 Euro, Titan-Schalldämpfer und Magnesiumräder lieferbar