Fahrbericht Triumph Daytona 600

Fahrbericht Triumph Daytona 600 Schluss mit lustig

Keine halben Sachen mehr. Triumph erinnert sich seiner Wurzeln, bekennt sich zum Sport und will mit der Daytona 600 auf und abseits der Rennstrecke für Furore sorgen. Ein erster Fahrbericht aus Spanien.

No sports, lautete die Philosophie des britischen Premierminister Winston Churchill. Diese Maxime hatte Triumph bei der im Jahr 2000 vorgestellten TT 600 verinnerlicht. Beinahe trotzig meinte man in Hinckley, ein Erfolg in der beinhart umkämpften 600er-Supersport-Liga sei auch ohne Rennsport und dem damit verbundenen hohen Entwicklungsaufwand möglich. Ergo verzichteten die Briten auf ein offizielles Engagement im Profirennsport, lediglich der deutsche Importeur hatte eine Triumph-Challenge organisiert, die zwischenzeitlich leider eingestellt wurde. Das wiederum passt zu den nicht gerade berauschende Verkaufszahlen des konservativ gestalteten Vierzylinders. Trotz aller Talente, ihr Start war alles andere als glücklich. Fehlende Motorleistung, falsche Namenswahl. TT 600, das barg permanent die Verwechslungsgefahr mit einer nicht mehr ganz taufrischen japanischen Enduro.
Und nun die Kehrtwende in Hinckley. Als habe der Brand des Werks im vergangenen Jahr altes Denken förmlich erstickt. Quasi als Phönix aus der Asche präsentiert sich die neue Daytona 600. Ihre Feuertaufe in der britischen Supersport-Meisterschaft hat sie schon hinter sich, nächstes Jahr will man zusammen mit dem Valmoto-Team den Schritt in die WM wagen.
Respekt vor dieser Leistung, vor diesem Entschluss. Wie viel die Engländer mit der Daytona wagen, zeigt sich bereits rein äußerlich. Die 600er besitzt ein klares, aggressives und eigenständiges Design, will damit partout nicht everybody’s Darling sein. Ganz im Gegenteil. Sie polarisiert, verfügt – im wahrsten Sinne des Wortes – über Ecken und Kanten. Außen, wohlgemerkt.
Im Motor hingegen sind Ecken und Kanten in Form von Toleranzen leistungsmindernd, weshalb die Brennräume des Kurzhubers nun per CNC-Maschine bearbeitet werden, um die Fertigungstoleranzen zu minimieren (siehe Kasten Seite ??). Und auch bei der Einspritzanlage beschreitet Triumph andere Wege. Man trennte sich vom französischen Hersteller Sagem, verbündete sich mit Keihin und entwickelte gemeinsam eine Komplettlösung, die in der Daytona 600 Premiere feiert: eine neue Saugrohreinspritzung mit doppelter Drosselklappe und dem elektronischen Steuergerät der Japaner.
Und noch etwas haben die Engländer aus Japan importiert: Wer in der 600er-Klasse Erfolg haben will, muss durchtrainiert sein. Sushi statt Fish and Chips. Die Daytona 600 hat mächtig abgespeckt, sie soll – laut Triumph – vollgetankt unter 200 Kilogramm auf die Waage bringen. Damit erreicht sie nicht ganz die Werte der Kawasaki ZX-6R oder der Yamaha YZF-R6, schlägt aber – von der Papierform her – die Honda CBR 600 RR, mit der sie eines gemein hat: den G-Kat. Sehr lobenswert.
Womit die schärfsten Konkurrentinnen gleich aufgezählt wären, alles Neuvorstellungen für 2003, deren erste MOTORRAD-Tests nur ein Urteil zulassen: Die Messlatte für die Triumph hängt verdammt hoch. Mit ihrem Preis von 9990 Euro liegt die Daytona auf Konkurrenzniveau, doch sonst?
Einen ersten Eindruch gewährte Triumph bei der Fahrpräsentation in Cartagena, Südspanien. Deren erster Teil: eine gut einstündige Tour über Landstraßen. Die Ergonomie der Daytona ist rundum gelungen, wenngleich der Tank im Vergleich zur TT 600 deutlich breiter ausfällt, was den Knieschluss jedoch nicht über die Maßen negativ beeinflusst. Lenkerhäften über der gabelbrücke und eine relativ hohe Sitzposition machen es möglich, die Fußrasten so niedrig zu platzieren, dass der Kniewinkel auch von großen Piloten nicht als unbequem empfunden und zugleich die Schräglagenfreiheit nicht beeinträchtigt wird.
Das schon bei der TT 600 gelobte Fahrwerk hat durch seine Überarbeitung noch gewonnen. Lässig, sehr handlich und präzise schwingt die Daytona über die Landstraße, sie will dabei von ihrem Fahrer aber immer auf Trab gehalten werden, denn ein Musterbeispiel an Durchzugsvermögen ist der extrem kurzhubig ausgelegt Motor noch immer nicht. Das Triebwerk springt im kalten Zustand tadellos an und arbeitet kultiviert, ab 2000/min zieht es ohne zu murren los, schnurrt vibrationsarm vor sich hin, keine Spur mehr vom phlegmatischen Wesen der ersten TT 600-Motoren. Richtig Leben zeigt die Daytona allerdings erst über 8000/min.
Bei der Leistungsangabe folgt Triumph dem branchentypischen Optimismus. Ob der Vierzylinder wirklich über die angegebenen 111 PS verfügt, darf bezweifelt werden. Das mag auch damit zusammenhängen, dass der Motor auf der Rennstrecke in Cartagena, Teil zwei der Präsentation, nicht durch Explosivität oder aggressiven Klang überzeugt, sondern durch seine lineare Leistungsentwicklung. Damit erinnert die Triumph etwas an das aktuelle Modell der Yamaha R6.
Für die Jagd nach schnellen Rundenzeiten zeigt sich die Triumph dennoch bestens gewappnet. Erst hier, auf dieser technisch so anspruchsvollen Strecke, lassen drei – leider – viel zu kurze Turns erahnen, welches Potenzial in der Daytona 600 schlummert. Sie nimmt einem nichts krumm, Fehler in der Linienwahl kann der Fahrer leicht korrigieren. Ein grundehrliches Motorrad mit einem hervorragenden Fahrwerk, was sich bei zwei unvergesslichen Runden als Passagier von TT-Legende und Triumph-Werksfahrer Jim Moodie ebenfalls zeigte: Die 600er liegt satt und sicher, lässt sich selbst durch brutalste Bremsmanöver nicht aus der Ruhe bringen.
Immer wieder ein Genuss, wie leicht und neutral die Triumph bis hinunter in tiefste Schräglagen abgewinkelt werden kann, wie spielerisch sie der gewünschten Linie folgt. Die Erstbereifung, der Pirelli Diablo »T«, wurde eigens für die Daytona entwickelt. Ein Aufwand, der sich gelohnt hat. Die Pirelli verfügen über einen phänomenalen Grip und zeigen ihren Grenzbereich gutmütig an. Aufstellmoment beim harten Hineinbremsen in Schräglage ist für die Daytona kein Thema. Wobei die vordere Bremsanlage nicht mehr so brutal hart agiert wie die der TT 600, was die Dosierbarkeit deutlich erleichtert.
Ob die Daytona tatsächlich ein ganz großer Wurf ist, wird erst ein alsbald folgender Vergleichstest zeigen – der erste Eindruck aus Spanien ist jedenfalls viel versprechend. Well done, Triumph!

Ganz oder gar nicht - Triumph Daytona 600

Ganz oder gar nicht: Triumph suchte sich für das Comeback in die britischen Supersport-Meisterschaft eines der renomiertesten Teams aus: Valmoto (vormals V&M Racing) verfügt über 20 Jahre Rennsporterfahrung und errang viele TT-Siege und nationale Meistertitel. Das werksunterstützte Team setzt auf die schottische Rennsportlegende Jim Moodie (37) und den vielversprechenden, erst 18 Jahre alten Nachwuchsmann Craig Jones (Foto). Moodie, seines Zeichens achtfacher TT-Sieger und britscher Supersportchamp 2000, soll mit der Daytona 600 diese Jahr bei der prestigeträchtige Tourist Trophy auf der Isle of Man antreten. Damit nicht genug: Für 2004 plant Triumph zusammen mit Valmoto den Einstieg in die Supersport-WM. Mehr Infos zum Team gibt es unter www.valmoto.com

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