Ducati oder Triumph - Hauptsache 916. Diese Analogie zum berühmt gewordenen Ausspruch eines geografieverwirrten Fußballspielers hat tatsächlich einen Sinn - im Gegensatz zum Originalzitat. Denn die Daytona bietet ein unverfälschtes, überaus präzises und spontanes Gefühl für das, was der Vorderreifen gerade tut, und sie reicht in diesem Punkt näher an die Legenden-Ducati heran als die meisten anderen Supersport-Motorräder. Jede Daytona kann das, sofern man sie auf der Rennstrecke bewegen darf; dieses Fahrgefühl hängt also nicht von den Öhlins-Federelementen der R-Version ab, die kürzlich auf dem Autodromo do Algarve nahe dem südportugiesischen Portimao präsentiert wurde.
Aber die R hat es auf dieser faszinierenden Strecke wieder einmal deutlich gemacht. Die Sitzposition, die bestimmt ist von kompromisslos tief montierten Lenkerhälften und einer hoch liegenden Bank, spielt dabei die wohl entscheidende Rolle.
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Fahrbericht: Triumph Daytona 675 R (mit Video)
Dreizylinder-Supersportler: Daytona jetzt auch in R-Version
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Im Landstraßenbetrieb fordert sie erhöhte körperliche Leistungsbereitschaft vom Fahrer, in den Steilabfahrten beim Alpenmasters (siehe MOTORRAD 17/2009) wird sie fast schon zur Qual, aber hier, auf der Rennstrecke, passt sie einfach sensationell. Auch darin gleicht die Triumph der Ducati. Nach einem halben Fahrtag signalisiert die Daytona R in der schnellen ersten Rechtskurve immer noch, dass der Tester ihr Geschwindigkeitspotenzial beim Hineinfahren längst nicht ausreizt. Ihre Signale mit immer höheren Kurvengeschwindigkeiten zu beantworten, ist nur eine der prickelnden Verführungen, die sie bereithält.
Ganz umsonst ist die Agilität der Daytona R nicht zu haben. Zumindest auf der Zielgeraden und besonders nach dem Überfahren der Kuppe gleich zu Anfang verlangt die betont handlingfreundliche Fahrwerksgeometrie mit 66 Grad Lenkkopfwinkel und 89 Millimeter Nachlauf eine ruhige, lockere Hand, sonst pendelt das Motorrad leicht. In diesem Punkt unterscheidet sich die flinke Triumph fundamental von der stoischen 916. Eine Nebenrolle mögen dabei auch die Pirelli Supercorsa SP spielen, Supersport-Rennreifen, die so grade eben straßentauglich gemacht wurden. Die Lenkpräzision, die der Vorderreifen selbst unter hoher Belastung bietet, ist nur mit einer verhältnismäßig steifen Karkasse zu erzielen, und die bügelt kleinere Wellen nicht so sauber wie normale Straßenreifen.
Barbanti, Barshon
Lenker tief, Sitzbank hoch – Daytonas bieten eine direkte Rückmeldung. Abseits der Rennstrecke sind sie jedoch nicht sehr komfortabel.
Wer im Stand die Gabel der R drückt, wundert sich über die straffe Dämpfung selbst in der Landstraßeneinstellung. Andererseits arbeitet sie in Fahrt durchaus feinfühlig, ihr mechanisches Ansprechverhalten ist also tadellos, und sie wirkt nicht überdämpft. Die Öhlins-Techniker begründen die vorteilhafte Kombination dieser Erscheinungen mit der neuen Gabelkonstruktion, die auf große Dämpferkolben von 30 Millimeter Durchmesser setzt. Öhlins schlägt damit einen Mittelweg ein zwischen normalen Cartridge-Gabeln und den sogenannten Big-Piston-Forks, deren 38-Millimeter-Kolben nicht in einem zusätzlichen Rohr (der "cartridge" oder Kartusche) untergebracht sind und so den ganzen Innendurchmesser des Gabelrohrs einnehmen können. Grundsätzlich versprechen größere Kolben ein schnelleres Einsetzen der Dämpfungswirkung, deshalb können die Federbewegungen mit geringerem Durchflusswiderstand des Hydrauliköls im Zaum gehalten werden. Viel Theorie, die sich aber in der Fahrpraxis mit der Daytona R bewährt. Das TTX-Federbein an der Hinterhand erreicht mit anderen technischen Mitteln einen ähnlichen Effekt.
Barbanti, Barshon
Straff gedämpft, fein ansprechend: das Öhlins-TTX-Federbein überzeugte.
Von der normalen Daytona unterscheidet sich die R-Version durch das Öhlins-Gold, etliche Karbonteile wie den vorderen Kotflügel sowie Brembo-Monobloc-Bremszangen. Die blieben in Portimao im besten Sinne unauffällig, sind dort aber auch nicht besonders gefordert, weil die Bremszone am Ende der Zielgeraden bergab führt. Da langt man lieber nicht mit aller Kraft zu.
Nicht zu vergessen unter all den Goodies der R ist der Schaltassistent. Der funktioniert freilich nicht so geschmeidig wie die Federelemente oder die Bremsen. Weil die Übersetzung der Daytona nicht hundertprozentig zur Strecke passte, ließ sich das an mehreren Stellen beobachten.
Am besten hinter der dritten Kuppe, die in einem engen Rechtsbogen genommen wird, auf den ein langer Linksbogen folgt. Zuerst bergab, dann wieder bergauf wird er unter ständiger Beschleunigung durchfahren, und um nicht in voller Linksschräglage vom dritten in den vierten Gang schalten zu müssen, schaltet man im Schräglagenwechsel am besten gleich zweimal in kurzer Folge hoch. Das klappte nicht immer mit der gebotenen Präzision. Auf www.motorradonline.de findet sich ein kleines Video, anhand dessen sich einige Fahreindrücke, darunter auch dieser, nachvollziehen lassen. Der Schaltassistent ist offenbar fürs normale Schalten auf der Geraden bei Höchstdrehzahl optimiert. Den richtigen Zeitpunkt dafür lässt man sich am besten von einer Reihe blauer LED-Leuchten anzeigen; als diese bei einer der Testmaschinen falsch justiert waren und schon bei 4000/min zum Hochschalten mahnten, erwies sich der spiegelnde Drehzahlmesser als nicht sehr gut ablesbar.
Barbanti, Barshon
Den Schaltzeitpunkt zeigt eine LED-Reihe besser an als der spiegelnde Drehzahlmesser.
Dass in diesem Fahrbericht noch kein Wort über den fulminanten Dreizylindermotor der Daytona fiel, ist ungerecht. Weil sich an und in ihm aber nichts verändert hat seit dem letzten Modelljahrgang, musste er eben ein wenig warten. Es war schwierig genug, ihn bis zu dieser Stelle außen vor zu lassen, denn mit jedem Fahreindruck schwingt der unwiderstehliche Sound des 675ers mit. Erst recht wenn es sich um die Testrunden mit einem Motorrad handelt, das einen Arrow-Zubehörschalldämpfer spendiert bekam. Zu laut für den Straßenverkehr, zwischen den leeren Tribünen des Autodromo jedoch eine herrliche Klangkanone. Abgesehen von seinen sinnlichen Reizen gefiel der Dreizylinder wegen seiner Durchzugsstärke und seiner Drehfreude. Anfang 2009 leicht modellgepflegt, ist er immer noch topfit für seine sechste Saison, dieses Jahr in zwei Daytona-Varianten.
1500 Euro Aufpreis gegenüber der Standardversion verlangt Triumph für die R. Angesichts der Ausstattung eine vorteilhafte Relation für R-Käufer. Absolut gesehen sind 12740 Euro plus Nebenkosten für eine 675 aber einfach eine Menge Geld.
Aufgefallen
Positiv
- Fahrwerk superhandlich, sauber abgestimmt
- Ausstattung mit edlen Teilen
- Motor immer noch starker Dreizylinder mit fantastischem Klang
Negativ
- Fahrwerk leichtes Pendeln bei entlastetem Vorderrad
- Preis jenseits der 13000er-Marke
- Schaltassistent nicht einstellbar, manchmal widerspenstig
Technische Daten
Barbanti, Barshon
Die Daytona R ist eines der Serienmotorräder, die mit geringstem Aufwand für Rennen oder anspruchsvolle Trainings präpariert werden können.
Motor:
Wassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, je zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 44 mm, geregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, Lichtmaschine 402 W, Batterie 12 V/7 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 47:16.
Bohrung x Hub 74,0 x 52,3 mm
Hubraum 675 cm³
Nennleistung 91,0 kW (124 PS) bei 12600/min
Max. Drehmoment 72 Nm bei 11700/min
Fahrwerk:
Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, Ø 41 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Lenkungsdämpfer, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 308 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
Maße und Gewichte:
Radstand 1395 mm, Lenkkopfwinkel 66,1 Grad, Nachlauf 89 mm, Federweg v/h 110/130 mm, Sitzhöhe 830 mm, Leergewicht 185 kg, Tankinhalt 17,4 Liter.
Garantie zwei Jahre
Farbe Weiß
Preis 12740 Euro
Nebenkosten 350 Euro