Die Honda Fireblade SP ist das erste Sondermodell des Superbikes, seit es geschmiedet wird. Der PS-Performance-Tester nimmt sie sich ausgiebig zur Brust und bügelt ihr die Falten aus dem Kostüm. Wo steht die Fireblade heute?
Die Honda Fireblade SP ist das erste Sondermodell des Superbikes, seit es geschmiedet wird. Der PS-Performance-Tester nimmt sie sich ausgiebig zur Brust und bügelt ihr die Falten aus dem Kostüm. Wo steht die Fireblade heute?
Nennt mich Rod! Das ist kurz und bündig und kann sich jeder merken. Mehr müsst ihr nicht wissen, es geht um Motorräder, nicht um intime Einblicke in das Leben eines Highspeed-Verrückten. Nur so viel: Ich kann ordentlich Motorradfahren. Die meisten würden sagen, ich sei verdammt schnell. Meine Rundenzeiten weisen mich jedenfalls als Kenner aus, ich habe damit eine gewisse Prominenz erreicht und so kam ich an diesen Job – fertig.
Künftig soll ich für PS den „Performance-Test“ machen. Wir haben vereinbart, dass es dabei nicht ums Punktezählen geht. Dafür gibt es andere. Wir wollten etwas, das keine Motorradzeitschrift so macht, vielleicht ein bisschen extrem ist, damit aber zu PS passt. In dieser Testreihe setze ich mich auf jedwedes Bike, das mir die Redaktion hinstellt und peitsche es um die Rennstrecke. Was mir zum Bike einfällt, sage ich frei heraus – Punkt! Technische Daten und alles Wissenswerte liefern wir dazu – auch Tipps zum Fahrwerks-Setup. Der Rest ist meine Gedankenwelt, das Motorrad und die Runden am Limit. Dass ich jede Freiheit bekomme, mit dem Material hart ins Gericht zu gehen und unverblümt zu urteilen, wird mir und euch Spaß machen und tiefe Einblicke in das Für und Wider der Testmaschine bringen. Dann los zum ersten PS-Performance-Test!
Eine Honda CBR 1000 RR Fireblade zum Auftakt. Nicht schlecht. Sie gilt als Alleskönner, und ist immer noch ein sehr beliebtes Eisen. Ich bin selbst schon Serien-Blades auf Trainingsrunden und Racing-Umbauten in Rennen gefahren. Die „Neue“ ist eigentlich eine mehrmals nur leicht überarbeitete SC59 von 2008. Ein reifes Ding also, nur ein paar Botox-Behandlungen und die eine oder andere chirurgische Korrektur später – aufgehübscht, geglättet und geliftet.
Das hat Honda auch für 2014 gemacht. Dabei aber wohl erstmals ernsthaft an Racer gedacht – zumindest bei der Honda Fireblade SP: Der Soziusplatz ist verschwunden. Außerdem ist ein Öhlins-Fahrwerk drin, dazu Bremsen von Brembo. Für Honda, die mit ihren Seriensportlern sonst nur bei japanischen Zulieferern auf Einkaufstour gingen, ein schönes Novum! Wer bisher aus der Fireblade ein Rennmotorrad machen wollte, wusste sofort, was er rausreißen und im Zubehörhandel dazukaufen musste. Und jetzt stell sich das einer vor: Statt der unbrauchbar flachen Scheibe hat die Honda Fireblade SP auch noch eine Racing-Scheibe. Da kann ich nicht mehr an mich halten.
Tock! Der Gang ist drin, so viel ist sicher. Kalt gestartet dreht der am Zylinderkopf überarbeitete und mit neu abgestimmter Auspuffanlage versehene Reihenvierer 2000 Touren. Da freuen sich die Zahnflanken beim Einlegen des ersten Gangs. Dafür fordert der Kupplungshebel der Honda Firblade SP keinen Schraubstock, es reicht die linke Hand. Als Racer staunt man freilich darüber, wie friedfertig ein Seriensportler aus der Box zieht. Ist mir definitiv zu brav. Für die nötige Angriffslust taugt nur Racing-Gurren. Aber wer damit auf der Straße unterwegs ist, findet zu Hause sicher leichter Freunde.
Diese Nachbarschaftshilfe lässt die Honda Fireblade SP dann aber fallen, sobald man sich der Fünf auf dem Drehzahlmesser nähert. Schlagartig wird der Klang aggressiver, und der Vierzylinder legt kräftig an Leistung zu. Hier machen sich wohl die Änderungen an der Auspuffanlage und der elektronischen Steuerung der Stauklappe darin bemerkbar. Ab hier beginnt normalerweise das Einsatzspektrum auf der Rennstrecke, wo jeder Extrakick natürlich mehr als willkommen ist. Wenn ich mir aber vorstelle, dass Leute damit auf engen Straßen unterwegs sind – die sollten die 5000-Touren-Grenze gut im Auge behalten. Ist aber nicht mein Problem: Wer auf der Rennstrecke so niedrig dreht, macht etwas falsch!
Immer tiefer schlüpfe ich in die Honda. Die neue Sitzposition mit dem besser gekröpften Lenker und den nach hinten verlegten Rasten passt zum Einsatzzweck, das ist schon mal sehr sportlich. Geblieben ist der Honda Fireblade SP allerdings das immer noch zu harte Ansprechen beim Gasaufziehen in tiefer Schräglage. Das nervt, weil dadurch zu viel Unruhe ins Bike eingeleitet wird. Am Limit braucht das keiner. Für eine echte Rennstreckenwaffe wäre der harte Gaseinsatz ein Fall für den Tuner. Von den angeblich fein ausgewogenen Kolben und Pleueln der SP merkt man auch nichts. Jedenfalls fallen deutlich spürbare Vibrationen im oberen Drehzahlbereich auf, was solche Maßnahmen eigentlich verhindern sollen.
Die echten 180 PS spürt man dafür positiv. Sie machen gewaltig vorwärts, auch ohne Ride-by-Wire und Traktionskontrolle. Drücken schön an, lupfen das Vorderrad am Kurvenausgang und radieren die hintere Pelle nachhaltig in den Asphalt. Die Botox-Spritzen für 2014 erzielen Wirkung: fülliges Drehmoment, sauberer Punch in allen Lagen. Wie schon seit Jahren besorgt es einem auch diese Honda CBR 1000 RR Fireblade mit diesem unnachahmlichen Sofa-Feeling. Auch bei ganz aggressiver Gangart fühlt man sich schlicht pudelwohl. Zickig ist sie nie. Ein Grund, warum sich Honda seiner Sache so sicher ist und auf elektronische Assistenzsysteme komplett verzichtet?
So toll und berechenbar sich die Honda Fireblade SP in den richtigen Händen am Limit anfühlt, böse abwerfen kann einen auch die noch so umgänglichste Blade. Andere Vermutung: Es fehlt der Glaube an den Supersport-Markt. Woran es letztlich liegt? Keine Ahnung. Ich will mich nicht in die Stammtisch-Diskussionen über Sinn und Unsinn von Elektro-Helferlein einmischen. Ich stelle aber fest, dass die SP gut funktioniert, auch wenn sie auf einem Hinterreifen mit antiquiertem 50er-Querschnitt steht. Dass sie pfeilschnell ist, obwohl sie keine Helferlein hat.
Das steifere SP-Fahrwerk mit der geschmiedeten Gabelbrücke ist ein Schritt vorwärts. So souverän habe ich keine Serien-Blade in Erinnerung. Sie verträgt hartes, spätes Ankern. Das Grip-Niveau bei ordentlich abgestimmtem Federbein scheint mir ganz schön hoch, worüber man bei fehlender TC auch froh sein kann. Für ein ruhiges Heck sorgt der Öhlins-Dämpfer auch unter viel Druck.
Die Brembos der Honda Fireblade SP beißen herzhaft zu, gravierende Vorteile gegenüber den Tokico-Stoppern der Standard konnte ich nicht feststellen. Allerhöchstes Racing-Niveau ist natürlich beides nicht. Das jetzt deutlich sportlicher abgestimmte C-ABS funktioniert aber ganz hervorragend. Im Übrigen auch mit einem 55er-Hinterreifen, ich hab das ausprobiert. Auf der Rennstrecke liefert der außer einem besseren Feedback hinten auch mehr Grip und Haltbarkeit. Lediglich auf der Bremse wird mit dem Reifen das Heck schneller leicht.
Stellen wir uns mal eine grundsätzliche Frage: Woher kommt der doch eindrucksvolle Preis von 18.290 Euro für die Honda Fireblade SP? Kostet das Öhlins-Fahrwerk tatsächlich so viel mehr im Einkauf? Lässt sich Brembo die Bremssättel in Gold aufwiegen, während Tokico seine fürs Standard-Modell (15.190 Euro) verschenkt? Oder kostet ein Mono-Höcker so unglaublich viel mehr? Ähnliche Tuning-Maßnahmen am Motor haben in der Vergangenheit solche Preissprünge auch nicht verursacht. Wirklich kostspieliges Spielzeug wie Traktionskontrolle, Launch- oder Wheelie-Control findet man an der Honda Fireblade SP nicht, auch keine leichten Schmiederäder oder Karbon. Aber das ist nur laut nachgedacht. Als Superbike an sich ist die Fireblade ein dirty ol‘ Babe – mit Betonung auf dirty.
Antrieb
Vierzylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 133 kW (181 PS) bei 12.000/min*, 114 Nm bei 10.500/min*, 1000 cm³, Bohrung/Hub: 76,0/55,1 mm, Verdichtungsverhältnis: 12,3:1, 46-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette
Fahrwerk
Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 66,7 Grad, Nachlauf: 96 mm, Radstand: 1410 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Federweg vorn/hinten: 120/138 mm, Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/6.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/50 ZR 17, Erstbereifung: Pirelli Supercorsa SP, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit radial angeschlagenen Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Einkolben- Schwimmsattel hinten, C-ABS.
Max. Hinterradleistung
124 kW (169 PS) bei 256 km/h
Beschleunigung**
0 –100 km/h: 3,2 s; 0 –150 km/h: 5,1 s;
0 –200 km/h: 7,4 s
Durchzug**
50 –100 km/h: 5,3 s; 100 –150 km/h: 4,0 s
Höchstgeschwindigkeit*
293 km/h
Gewicht
212 kg vollgetankt, v./h.: 52,2/47,8 %,
Tankinhalt: 17,7 Liter
Setup Gabel
stat.neg. Federweg: 35 mm, Druckstufe: 14 K offen, Zugstufe: 15 K offen, Niveau: Standard
Setup Federbein
stat.neg. Federweg: 15 mm, Druckstufe: 20 K offen, Zugstufe: komplett geschlossen, Niveau: Standard
Grundpreis
18.290 Euro, Testmaschine: 18.290 Euro
alle Dämpfungseinstellungen von komplett geschlossen gezählt; statischer negativer Federweg senkrecht stehend ohne Fahrer; U=Umdrehungen; K=Klicks * Herstellerangabe ** PS-Messung
Alte Hühner, gute Suppe - Der Spruch versinnbildlicht die aktuelle Honda Fireblade trefflich. Das Motorrad ist berechenbar, verlässlich – und bodenständig. Konventionell ausgereift kommt es daher, ohne zu überraschen oder wirklich Neues zu bieten. Die Fireblade gibt eine verdammt gute Basis für ein sehr schnelles Rennmotorrad ab. Die Honda CBR 1000 RR Fireblade SP sogar noch ein bisschen mehr.
Ich bin überzeugt, dass man mit ihr aus der Kiste heraus ganz gut auf Top-Hobby-Niveau mithalten kann – die eine oder andere zarte Maßnahme etwa bei der Bestückung mit Bremsbelägen und -scheiben vorausgesetzt. Klasse ist das Grundgefühl auf dem Motorrad: Man sitzt gut, das Handling kennt keine echten Schwächen, das Grip-Niveau und die Traktion sind hoch. Fehler wie die harte Gasannahme lassen sich mit passender Abstimmung in den Griff bekommen. Normalfahrer müssen jedoch damit leben. Ganz an der Spitze wird sich die Honda schwertun, da sind die meisten Konkurrenten einfach weiter in der Entwicklung. Und am Händlertresen steht ihr eines erheblich im Weg: der Preis.