Bis zur INTERMOT schwieg Honda über die 1999er Modelle. Was zu technologischen Wunschträumen animierte - und jetzt in partieller Ernüchterung mündet.
Bis zur INTERMOT schwieg Honda über die 1999er Modelle. Was zu technologischen Wunschträumen animierte - und jetzt in partieller Ernüchterung mündet.
Honda hat die Motorrad-Gemeinde ganz schön umgetrieben: Von einer Achtzylinder-Gold Wing bis hin zum 400er Roller mit Boxermotor wurde in der Gerüchteküche gemunkelt. Und jeder Versuch, Honda-Offiziellen Näheres über den neuen Jahrgang zu entlocken, scheiterte schon im Ansatz: Die Japaner hatten einen weltweiten Info-Stop verordnet. Es sei dahingestellt, wem eine solche Politik nützt, denn seit Dienstag, 15. September, ist ja Schluß mit der Warterei. Doch mancher Spekulant wird wohl etwas verwirrt die erwartete Modellflut suchen.
Verstärkte Bemühungen der Konkurrenz veranlaßten Honda, die CBR 600 F völlig umzustricken. Mehr Leistung, weniger Gewicht, lautete das simple Anforderungsprofil, ihm zu entsprechen erforderte nicht nur einen neuen Motor, sondern vor allem die Abkehr vom Stahlrahmen. Ein optisch bewußt hervorgehobener Brückenrahmen aus Alu-Doppelprofilen spart einfach mal sieben Kilogramm, eine Alu-Schwinge tut das ihre, und weil auch der Motor sechs Pfund abspeckte, steht die neue CBR am Ende 16 Kilogramm leichter da als ihre Vogängerin.
Der Rahmen kommt ohne massive Aufnahmen für die Schwingenachse aus, weil letztere zusätzlich im Motorgehäuse lagert. Im dichter an den Motor gerückten Lenkkopf steckt eine voll einstellbare Gabel mit 43 Millimeter dicken Standrohren, neue Vierkolben-Zangen von Nissin wirken auf 296 Millimeter messende Bremsscheiben. Vorn rotiert ein Reifen der Dimension 120/70 (bisher 120/60), hinten sinds modische 180/55 statt 160/60, beide auf 17-Zoll-Alufelgen.
Das Motorgehäuse geriet etwas kompakter, wegen der geänderten Schwingenaufnahme gleichzeitig aber auch steifer. Zudem galt es, Reibung zu minimieren und Gemischdurchsatz zu maximieren. Die Bohrung wuchs von 65 auf 67, der Hub schrumpfte von 45,2 auf ultr kurze 42,5 Millimeter. Weil sich die Zylinderzwischenräume verringerten, baut der neue Four nicht breiter als sein Vorgänger. Minimal auf 36,5 Millimeter Durchlaß vergrößerte Gleichdruck-Flachschieber-Vergaser geben ihr Gemisch in äußerst kompakte Brennräume ab (Ventilwinkel 24,5 statt bisher 32 Grad), die Verbrennungsluft beziehen sie durch einen von 5,5 auf 6,5 Liter vergrößerten Luftfilter. Reservekammern in den Luftkanälen sollen das Ansprechverhalten bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten verbessern, wenn noch nicht genügend Staudruck vorhanden ist.
Wie schon bei VFR und CBR 900 rauschen die Dreiring-Slipperkolben in mit Keramik und Graphit beschichteten Sinteraluminium-Laufbüchsen auf und ab. Nämliche sind 600 Gramm leichter als ihre stählernen Vorgänger. Den zündenden Funken liefern in die Kerzenstecker integrierte Zündspulen, um saubere Abgase kümmert sich ein Sekundärluft-System, und ein vergößerter Wasserkühler bürgt für gesunde Temperaturen. Resultat aller Bemühungen: 110 PS bei 12500/min. Deutlich weniger als bei der neuen Yamaha R6, und deshalb bemüht sich Honda auch herauszustellen, daß die CBR nach wie vor in erster Linie für die Straße gedacht sei.
Was sich so auch von der Blackbird behaupten läßt, der CBR 1100 XX. Als Premium-Modell bekommt sie nun, was ihr längst zugestanden hätte, nämlich die aus dem Superbike RC 45 bekannte Einspritzung plus Sekundärluft-System und zwei Drei-Wege-Kats. Das Paket entstammt weitgehend der VFR, in der XX solls noch ein wenig besser funktionieren: Honda verspricht allerbeste Abgaswerte. Änderungen von den Luftkanälen bis hin zur nunmehr aus Edelstahl gefertigten Auspuffanlage künden von rührender Pflege, und damit das gute Teil nicht in falsche Hände gerät, erhält es - wie die CBR 600 - eine elektronische Wegfahrsperre.
Gleich in zweifacher Hinsicht beendet Honda die Diskussionen um eine neue Africa Twin. Erstens: Die alte wird weitergebaut. Zweitens: Die neue heißt Varadero. Was zu weiteren Fragen Anlaß gibt: Varadero ist ein Badeort auf Kuba. Nun handelt es sich zwar bei dieser 1000er keineswegs um ein Amphibienfahrzeug, aber Fernweh weckt das in der Tradition großer Reise-Enduros stehende Gefährt allemal.
In seinem stählernen Brückenrahmen werkelt ein aus der VTR 1000 bekannter wassergekühlter 90-Grad-V-Twin. Im Durchlaß von 45 auf 42 Millimeter reduzierte Gleichdruckvergaser senken dessen Leistung von 105 auf 95 PS bei 8000/min - immer noch stramm. Das maximale Drehmoment von 99 Newtonmetern liegt bei 6000 Touren an - in etwa BMW R 1100 GS-Niveau. Freilich schwebt auch das Gewicht mit trocken 220 Kilogramm in bajuwarischen Höhen. Löblich, daß die Varadero satte 25 Liter Sprit bunkern kann, erwähnenswert, daß auch hier ein Sekundärluft-System für gesäuberte Abgase sorgt.
Die Gabel mit ihren 43 Millimeter dicken Standrohren ermöglicht einen Federweg von 175 Millimetern, hinten sinds 155. Das Federbein läßt sich kommod über eine Öffnung in der großflächigen und auf hohen Tourenkomfort ausgelegten Verkleidung verstellen. Touristen werden sich auch über das seit 1993 aus der CBR 1000 bekannte Dual-CBS-Bremssystem freuen: Egal, ob der Hebel für die Doppelscheibe im Vorder- oder die Einfachscheibe im Hinterrad aktiviert wird, leitet diese sinnige Einrichtung einen wohldosierten Teil der Bremskraft auf das jeweils andere Rad um. Womit bewiesen wäre, daß die Varadero ihr Eldorado wirklich nicht auf rutschigem Schotter sucht, wo sich mit blockierendem Hinterrad vortrefflich arbeiten läßt.
Zum Schluß bietet der Weltmarktführer noch zwei engagiert gemachte kleinere Bikes, die sich vornehmlich an Einsteiger richten. Die Shadow 125 mit motzigem V2-Viertakter schielt nach den Auto-Umsteigern, die mit altem Dreier-Führerschein viel Motorrad fürs Geld wünschen. Ein wassergekühlter 90-Grad-Twin mit 15 PS steht gegen 145 Kilogramm Trockengewicht, die wiederum sind so geschickt verteilt, daß sich fast die Abmessungen einer VT 600 Shadow ergeben. Damit war das Entwicklungsziel erreicht. Deutlich bescheidener tritt die Vigor 650 auf, eine Mischung aus handlichem Straßenbike und Enduro. Wem das jetzt irgendwie bekannt vorkommt, der liegt richtig, denn in der Tat ersetzt Vigor die an der Verkaufsfront etwas glücklose, von Testern aber viel gelobte SLR 650. Mit wenigen Mitteln - als da unter anderem wären: eine kommodere Sitzbank und ein fetterer Doppel-Auspuff - hat Vigor sich stattlich herausgeputzt. Weil der Rest, vor allem der durchzugsstarke Vierventil-Single mit 39 PS, unangestastet blieb, darf die 650er weiterhin als Empfehlung gelten. Und nicht als Blender.