Bei der Vorserie steckte der Teufel im Detail. Importeur Könemann versprach Abhilfe. Funktioniert das schöne Raubtier jetzt so, wie es der hohe Racing-Anspruch verspricht?
Bei der Vorserie steckte der Teufel im Detail. Importeur Könemann versprach Abhilfe. Funktioniert das schöne Raubtier jetzt so, wie es der hohe Racing-Anspruch verspricht?
Geduckt wie ein Raubtier auf der Lauer steht sie da, kompakt und respekteinflößend. Die Bimota SB 6 R soll alles besser können als die glücklose SB 6. Soll die Vorteile des »Straight Connection«-Rahmens ausspielen und endlich die versprochene Motorleistung auf das Hinterrad stemmen. Und soll, auf Initiative des deutschen Importeurs, ihrer leidigen Vorserienmängel beraubt sein (MOTORRAD 3/1997).
Geändert hat Bimota in der Tat einiges. Die tragenden Kohlefaserteile wurden verstärkt, allen voran der selbsttragende Höcker - womit die Wipperei des Hecks vorbei ist - und der defektanfällige vordere Kotflügel. Zusätzliche Verstrebungen beruhigen die in der Vorserie nervös zappelnden Spiegel, Instrumente und Endschalldämpfer. Dämmatten schirmen den jetzt stabiler befestigten Tank von der Abwärme des Sammlerrohrs ab, den Fußrasten spendierten die Riminesen Knöchelschützer. Und schließlich rollt die Bimota - wie vom deutschen Importeur Könemann gefordert - serienmäßig auf haftfreudigen Pirelli Dragon Corsa. So weit, so gut.
Beim Aufsitzen fällt zwar die bequem gepolsterte Sitzbank auf, die langgestreckte Sitzpostion wirkt aber für ein modernes Superbike antiquiert. Außerdem ist die Stellung der sportlich tiefen Lenkerstummel stark gewöhnungsbedürfig, und der breit bauende Rahmen begrenzt den Lenkeinschlag. Somit fällt rangieren nicht so leicht.
Erst mal den Bigblock starten. Wie ein Kanonenschlag tönt der Suzuki-Motor aus den beiden Schalldämpfern und sprengt mit gemessenen 87 dB (A) selbst die Toleranzgrenze wohlmeinender Motorradfans. Gang einlegen. Offenbar ist der Schalthebel anders übersetzt, das eigentlich sauber zu schaltende Suzuki-Originalteil verliert durch die langen Schaltwege an Präzision. Einkuppeln (sauber dosierbar!) und - was für ein Bulle! Brachial beschleunigt der große Motor die Bimota. Drehmoment übersatt, das Vorderrad wird leicht, der Hinterreifen winselt. Locker schüttelt die Bimota ihre Kraft aus den Tiefen ihres Triebwerks. Leider sind die Lastwechsel ziemlich ruppig, sensibles Drehen am Quirl ist angesagt. Vor allem beim Langsamfahren nervt das leidige Geruckel. Aber meistens ist »langsam« das falsche Adjektiv.
»Schnell« will bei dieser Leistungsfülle jedoch beherrscht sein, wobei das Fahrwerk artig mithilft. Der massive Brückenrahmen und die wuchtige Schwinge sorgen für Stabilität. Gabel und Federbein - eine Paioli-Gabel vorn und ein Öhlins-Federbein hinten - bieten jede nur vorstellbare Einstellmöglichkeit. Die Federelemente sprechen sensibel an und bügeln Unebenheiten im Asphalt, aber auch die meisten Stürme ungezügelter Fahrdynamik glatt. Bei ordentlicher Abstimmung arbeitet die geänderte Umlenkung hinten brüderlich synchron mit der Gabel zusammen, Schaukelbewegungen wie bei der alten SB 6 treten erst bei schnell gefahren Kurven oder auf der Rennstrecke auf. Im Interesse der Linientreue lebt es sich besser ohne den serienmäßig montierten Lenkungsdämpfer. Die Pirelli-Pneus machen vor allem Grip-mäßig alles mit, wenngleich ein 180er hinten neutraler fahren würde. Schnelle Kurven, langsame Kurven, abrupte Schräglagenwechsel, alles geht präzise von der Hand. Bei höheren Geschwindigkeiten ist allerdings nachdrücklicher Körpereinsatz gefordert, um die 230-Kilogramm-Bimota von Ecke zu Ecke zu werfen. Der bauchige Tank begrenzt die Bewegungsfreiheit, bietet aber willkommene Ablageflächen für kurvenäußere Extremitäten. Ein Genuß: die unergründliche Schräglagenfreiheit. Aber ach - die Bremsen. Das immergleiche Dilemma: matschiger Druckpunkt, schlechte Dosierbarkeit, lasche Wirkung. Als hätte es noch keiner bemängelt, als wäre es nicht einfach abzustellen. Ein so teures Motorrad hat einfach Besseres verdient.
Ohne diese Unzulänglichkeit und die unzeitgemäße Akkustik wäre die Bimota SB 6 R ein durchweg aufregendes Motorrad zu einem allerdings ebenso aufregenden Preis.