"Zuerst dachte ich, das wäre ein Witz", lacht Ian Lougher. Schließlich hatte der zehnfache TT-Sieger seine Fahrer-karriere 2013 beendet. Aber viel entscheidender war, dass sein letztes Rennen mit einem Zweitakter auf der Isle of Man bereits 17 Jahre her ist. „Ich fuhr eine NSR 500 und wurde in der Senior-TT Dritter.“ Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Damals lag der Rundenrekord bei 124 Meilen pro Stunde im Durchschnitt. Heute liegt er mit den Viertakt-Superbikes bei knapp 133 Meilen oder 214 km/h. Zweitakter treten beim berühmtesten Straßenrennen der Welt längst keine mehr an. Kein Wunder also, dass Ian Lougher die Anfrage, ob er nicht mit der Suter MMX 500 die diesjährige TT fahren wolle, für einen Scherz hielt.
Aber Eskil Suter und den Leuten von Suter Racing Technology (SRT) ist es bitter ernst mit dem Comeback des Zweitakters. Ende des Jahres 2015 wurde dann eine Idee geboren: Ihre neue Suter MMX 500 wird dieses Jahr bei der TT starten, im Königsrennen, der Senior-TT, und Ian Lougher wird im Sattel sitzen. Den Tipp gab es von der TT-Organisation. „Wir haben mit einigen Großkalibern gesprochen, und so ziemlich alle wollten die MMX fahren“, erklärt Philippe Soutter, Teamchef der TT-Truppe bei Suter. „Dass wir uns für Ian entschieden haben, liegt an seinem Charakter. Wir müssen viel lernen und können von seiner enormen Erfahrung gerade bei Zweitaktern nur profitieren. Er ist gelassen und trotzdem sehr fokussiert.“
Ian vertraut Professionalität von SRT
„Die Leidenschaft bei SRT hat mich letztlich überzeugt“, sagt der mittlerweile 53-jährige Lougher. Nach der ersten Anfrage von Suter traf er die Mannschaft und die Suter MMX 500 erstmals Anfang des Jahres auf der Züricher Motorradmesse – und war elektrisiert: „Das Team besteht zu 100 Prozent aus echten Racing-Enthusiasten, extrem professionell, und die MMX ist wirklich ein faszinierendes Motorrad“, so der Waliser. „Sie haben mir alles erklärt, die technischen Lösungen und was sie genau vorhaben. Meine Frau hat mich dann gefragt, ob ich es eher bereuen würde, wieder bei der TT zu starten oder das Bike nicht zu fahren. Da habe ich sofort zugesagt.“
Wie ein Versuchskaninchen kommt Lougher sich nicht vor, obwohl er die Suter MMX 500 zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch keinen einzigen Meter gefahren war. Er vertraut der Professionalität von SRT, die schließlich schon Weltmeistertitel etwa im Moto2-Grand Prix gewonnen haben und Racing-Technik von allererster Güte herstellen.
Suter MMX 500 für 120.000 Schweizer Franken
Außerdem sieht Lougher kein Problem darin, mit einer vermeintlich veralteten Technik wie dem Zweitakter auch heute noch durchaus erfolgreich bei der TT starten zu können: „Ich bin davon überzeugt, dass das Aus für die Zweitakter viel zu früh kam und es einfach falsch war, sie nicht mehr weiterzuentwickeln.“ Lougher hält es durchaus für möglich, dass die im Vergleich zu den früheren Zweitaktern technisch erheblich verbesserte Suter MMX 500 bei einem TT-Rennen siegreich sein kann. Vielleicht nicht im ersten Jahr, aber im Moment plant das Team, die MMX über etwa drei Jahre weiterzuentwickeln.
Aktuell entspricht das Motorrad exakt der limitierten Charge von 99 Maschinen, die SRT für eine exklusive Kundschaft baut und für 120.000 Schweizer Franken (etwa 110.000 Euro) verkauft. Für die speziellen Anforderungen auf der Isle of Man gilt es die Suter MMX 500 noch entsprechend anzupassen. „Das Motorrad ist filigran und leicht“, sagt Philippe Soutter. „Die technischen Erfahrungen, die wir während der TT sammeln werden, fließen eins zu eins in die weitere Produktion des Zweitakters ein.“
Ian soll dabei eine große Rolle spielen. Nicht nur als Pilot, sondern auf der TT auch, weil er die Insel und den Kurs genau kennt und auch logistisch bestens Bescheid weiß: „Ich habe die Verantwortlichen gefragt, mit welchen Erwartungen sie zur TT kommen, denn ich hatte keine Lust, irgendwelchen Träumern aufzusitzen. Sie haben mir gesagt, es sei ihnen nur wichtig, dass ich dort die Suter MMX 500 fahre und Feedback gebe. Dann sieht man weiter. Auf dieser Einstellung kann man aufbauen.“
195 PS bei gerade einmal 127 Kilogramm
Die Eckdaten der Suter MMX 500 sind für einen ambitionierten Start bei der TT jedenfalls alles andere als schlecht. Um das wilde Eigenleben der bis dato bekannten 500er einzudämmen, besitzt der MMX-Motor zwei gegenläufige Kurbelwellen. Der Vierzylinder-V-Motor sprengt außerdem den ursprünglichen 500er-Hubraum um 76 cm³. Wegen der handelsüblichen 56 Millimeter Kolbendurchmesser für die großen Zweitaktkolben musste der Hub auf 58,5 Millimeter angepasst werden. „Bei zu großem Hub bekommst du Probleme mit der Kolbengeschwindigkeit, bei zu kleinem Hub geht wegen der Spülverluste Drehmoment verloren“, erklärt Eskil Suter den Hubraum von 576 cm³. „Mit dieser Maßnahme haben wir das Drehmomentloch der alten 500 eliminiert.“ Der Zweitakter soll außerdem jetzt feiste 195 PS leisten. Das ganze Motorrad wiegt dabei gerade einmal 127 Kilogramm. Damit tritt die MMX 500 gegen Superbikes mit über 200 PS an, die mehr als 180 Kilo wiegen. Das Leistungsgewicht spricht also schon einmal für die Suter.
Aber der Mountain Course ist keine Grand Prix-Rennstrecke. „Das wird das größte Problem“, meint Ian Lougher noch vor dem ersten Roll-out im Gespräch mit PS. „So eine leichte, aber schnelle Maschine wie die Suter MMX 500 hat natürlich auf den Geradeaus-Passagen der TT mit den vielen derben Schlägen und Sprüngen mehr Probleme als die schwereren Viertakt-Superbikes, weil sie schwieriger auf Kurs zu halten sein wird, mehr rutscht und springt. Auf der anderen Seite verzeiht sie das aber durch das deutlich geringere Gewicht eher, sodass ich nicht wirklich vom Gas gehen muss.“
"Suter MMX 500 ist ein astreines Rennmotorrad"
Dagegen ist sich Lougher jedoch sicher, dass er in den kurvigen Sektionen, etwa rund um Glen Helen oder hinter Ramsey hinauf in die Berge, die Vorteile der Suter MMX 500 voll auskosten kann. „Ich hatte durch meine Statur mit den Superbikes durch die Kurven immer zu kämpfen, besonders in schnellen Wechselkurven. Mit diesem 127-Kilo-Motorrad wird mir das sehr viel leichter fallen. Richtungswechsel waren schon immer die Stärke der Zweitakter.“
Und sollte die Suter zuverlässig über die Senior-Distanz von sechs Runden und damit über 360 Kilometer gehen, wird Lougher davon profitieren können, dass ihn das Bike nicht so auszehren wird. Für ihn halten sich die Vor- und Nachteile der Fahreigenschaften ungefähr die Waage. Wichtig wird die Trainingswoche, weshalb Ian auf bestes Wetter hofft, um genug Fahrzeit für die perfekte Abstimmung der Suter MMX 500 zu bekommen.
Eine Woche später sprechen wir erneut mit Lougher. Jetzt ist er die Suter MMX 500 auf dem kleinen Kurs von Vairano nahe Mailand gefahren. Der sympathische Brite ist von seinem TT-Motorrad noch immer begeistert – und optimistischer denn je. Er fühlte sich nicht nur augenblicklich wohl im Sattel, sondern empfand die MMX auch als sehr gut fahrbar: „Sie hatte überhaupt nichts von dieser extremen Wheelie-Neigung, wie ich das von alten 500ern kenne.“ Dennoch ist die MMX ein astreines Rennmotorrad, das nichts von der Unterwürfigkeit der auf Racing getrimmten Straßenmotorräder hat. „Als ich sie richtig rangenommen habe, hat sie mir schnell gezeigt, wie sie tickt. Wenn du dich nicht voll konzentrierst, wird dich dieses Motorrad beißen.“
Geringes Gewicht als größter Nachteil
Als größten Nachteil hat er nach wie vor das geringe Gewicht ausgemacht: „Dadurch, dass die Suter MMX 500 ein astreines Rennbike ist, passt sie perfekt auf eine normale Rennstrecke. Der Mountain Course vergibt solchen radikalen Motorrädern aber ihre Steifigkeit und das geringe Gewicht nicht so leicht. Wir werden ganz schön viel Zeit miteinander in der Luft verbringen.“
Begeistert ist Ian dagegen vom Handling der Suter MMX 500, genau wie er das erwartet hat. Richtungswechsel gelingen spielerisch. Verblüfft hat ihn auch die Einspritzung. Etwas, das er vom Zweitakter nicht kennt: „Die Einspritztechnik für die Zweitakter kam gerade erst auf und starb quasi augenblicklich wieder mit dem Verschwinden der Bikes. Suter hat hier lange entwickelt. Die Verbindung von der Gashand zur Beschleunigung ist am eindrucksvollsten. Das geht so weich und dennoch sehr direkt, ohne jedes Rucken oder Lastwechseln – besser als bei jedem Viertakter. Außerdem ist die Power über das ganze Drehzahlband verteilt. Einen fiesen Kick oder dieses extrem schmale Leistungsband, das dich blitzschnell anpackt wie bei den alten Zweitaktern, gibt es nicht.“
"Für eine PR-Aktion tauge ich nicht"
Neben diesen fahrerfreundlichen Eigenschaften erleichtert die von Suter verwendete Saugrohreinspritzung auch die Wartung beziehungsweise Motorabstimmung. Waren die alten Zweitakter durch ihre Technik mit den Vergasern noch viel temperaturempfindlicher und mussten die Maschinen entsprechend sensibel bedüst werden, wird das Benzin-Luft-Gemisch jetzt über die Einspritzung per Sensor permanent optimiert. Allerdings sitzen im Moment die Einspritzdüsen noch im Ansaugtrakt mit je einer Düse vor und hinter der Drosselklappe. Für eine mögliche Straßenzulassung eines solchen Motorrads ist jedoch eine Direkteinspritzung für zukünftige Produktionsschritte geplant. Eskil Suter ist sich sicher so die Abgaswerte von Euro 4 zu schaffen und auch den Spritverbrauch deutlich zu senken.
Zu guter Letzt lobt Lougher noch das gewaltige Drehmoment, das noch besser sein soll als das der Honda NSR 500. „Die Suter MMX 500 dreht vielleicht nicht so extrem frei nach oben wie die Honda damals, dennoch verlangt dieses Motorrad absoluten Respekt.“
Es soll noch ein Test in Brünn folgen, bis in der letzten Maiwoche schließlich das Training zur TT beginnt. Dann muss die Suter MMX 500 auf dem harten Mountain Course zeigen, was in ihr steckt. Ian freut sich schon darauf und will angreifen: „Ich bin Rennfahrer. Für eine bloße PR-Aktion, um die 99 Exemplare unters Volk zu bringen, tauge ich nicht. Wenn ich Bray Hill hinunterfahren werde, gibt es nur noch eins: ein anständiges Ergebnis.“ Kein Witz – es ist Lougher und SRT wirklich ernst.
Technische Daten Suter MMX 500
Antrieb: Vierzylinder-Zweitakt-V-Motor, zirka 195 PS bei 13 000/min, 576 cm³, Bohrung/Hub: 56,0/58,5 mm, elektronische Benzineinspritzung, 36-mm-Drosselklappen, elektronisch gesteuerte Doppelklappen-Auslassventile, Suter-Mehrscheiben-Trockenkupplung, SRT-Sechsgang-Kassettengetriebe, Kette.
Fahrwerk: Aluminium-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 24,5 Grad (einstellbar), Nachlauf: 110 mm, Radstand: 1450 mm, Öhlins-Upside-down-Gabel, voll einstellbar.
Räder und Bremsen: Magnesium- oder Aluminiumräder, 3.75 x 17/6.00 x 17 (Option Suter Penta Carbon), Reifen vorn: 125/75-R17, hinten: 205/75-R17, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Brembo-Vierkolben-Bremssätteln vorn, 218-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Bremssattel hinten.
Gewicht: 127 kg
Grundpreis: ca. 110.000 Euro
Mat Oxley über Zweitakter

Ein Zweitakter ist der richtige Motor für ein Rennmotorrad. Wie könnte es anders sein? Ein Zweitakter ist kleiner, leichter, billiger und dazu noch stärker als ein Viertaktmotor. Und er hat mehr Drehmoment – wenn man es richtig macht. Aber sie blieben in den 1980ern auf der Strecke und wurden in den USA, Europa und später überall durch immer striktere Emissionsgesetze von der Straße gefegt. Doch es gibt viele Gründe, warum sie wieder kommen könnten. Allen voran jüngste technische Entwicklungen.
Durch den GP-Vermarkter Dorna, den Weltverband FIM und den Verband der Motorradhersteller wurden die Zweitakter im Rennsport ebenso abgeschafft. 2002 kam der Viertakter im MotoGP. Der erste 990er-Motor war aber nur hauchdünn schneller als der noch legale 500er-Zweitakter, der wenig später komplett verboten wurde. Als Nächstes waren die 250er fällig. Die Moto3 war schließlich das Aus für die 125er. Alle drei Klassen gab es seit Anbeginn des GP-Sports 1949. In kürzester Zeit aber verschwanden sie im Mülleimer der Geschichte.
Zweitakter gegen Viertakter im MotoGP
Als beide Konzepte noch unter gleichen Regeln gegeneinander antraten, setzte sich der Zweitakter in den 60ern Schritt für Schritt durch. Hauptsächlich verdankt er das einem Mann: Walter Kaaden, einem Luftwaffen-Ingenieur während des Zweiten Weltkriegs, der später die MZ-Rennabteilung zu Weltruhm führte. Den ersten Titel für den Zweitakter gab es 1962 bei den 50ern, den letzten für Viertakter 1974 bei den 500ern.
Valentino Rossi ist der einzige aktive GP-Rennfahrer, der sowohl Viertakter als auch Zweitakter in der Königsklasse siegreich fuhr. Sein Lieblingsbike? Die zweitaktende Honda NSR 500, mit der er 2001 den letzten 500er-Titel holte. „Für mich war der Zweitakter besser, obwohl er verglichen mit meinem heutigen Bike schwieriger zu fahren war. Die 500er-Power war damals wild. Die Zweitakter waren auch schwieriger abzustimmen. Hat es nicht 100-prozentig gestimmt, war das Bike ein Desaster. Mit dem Viertakter wurde es dafür fader.“ Dem stimmen einige der Rennlegenden zu. „Mit dem Zweitakter hast du eine direkte Verbindung zwischen der Gashand und dem, was passiert“, erzählt Kevin Schwantz. „Ein einzigartiges Gefühl, wenn du es gut hinbekommst.“
"Heute hat uns der Mann mit dem Rechner in der Hand"
Der vierfache 500er-Weltmeiser Eddie Lawson erinnert sich gern an die Zweitakt-Erlebnisse mit seinem Techniker Kel Carruthers: „Das Coole an den 500ern war, dass Kel sagte, hey wisst ihr was? Ich bearbeite mal die Köpfe“, lacht Lawson. „Die Japaner machten nur große Augen und nickten zerknirscht. Heute holen die ihren Computer raus und programmieren einfach das Mapping um. Kel schnappte sich damals einen Hammer, einen Meißel und solchen Mist – herrlich!“
Die meisten Techniker, die an beiden Motoren gearbeitet haben, vermissen die Zweitakter auch, weil sie mehr Eingriffsmöglichkeiten hatten. „Bei den Zweitaktern gab es ein paar wunderbare Sachen, die man mit ihnen bezüglich der Abstimmung machen konnte“, meint Jeremy Burgess, der als Crew Chief von Mick Doohan und Valentino Rossi 13 MotoGP-Titel holte. „Wir machten das mit den Hauptdüsen, den Nadeln, dem ganzen Kit und all dem Sammelsurium, um den Motor perfekt hinzubekommen. Heute hat uns der Mann mit dem Rechner doch komplett in der Hand.“
Rennsport um das Fünf- bis Sechsfache verteuert
Ich fuhr selbst Zwei- und Viertakter. An der TT nahm ich mit handelsüblichen 250er-Zweitaktern und dann 400er-Viertaktern teil. Die 250er machten mehr Spaß. Sie waren leichter und führten diese Viertakt-Mythen dort ad absurdum, die Zweitakter wären zu nervös, drehzahlorientiert und schwierig zu fahren. Die Yamaha TZR 250 hatte ein exzellentes Drehmoment, mit dem man spielend aus jeder Kurve schnalzte. Als ich danach die FZR 400 fuhr, war die im Vergleich richtig daneben: träge, schwieriger zu steuern und der Motor ging nur oben rum. Über die TT-Runde war die 400er tatsächlich 6,5 km/h schneller, aber entsetzlich langweilig – und teurer dazu.
Die Viertakter sind heute so etabliert, dass ihre Wirtschaftlichkeit überhaupt nicht mehr diskutiert wird. Sie haben Racing tatsächlich dramatisch verteuert. Wayne Gardner machte sich als Zweitakt- und Viertakt-Champion einen Namen, gewann 1987 den 500er-WM-Titel mit der NSR 500 und einige Acht-Stunden-Rennen in Suzuka mit der Honda RVF 750. Heute betreut er seinen Sohn Remy in der spanischen Meisterschaft. „Nach der Zweitakt-Ära hat sich der Rennsport um das Fünf- bis Sechsfache verteuert“, rechnet Gardner vor. „Sponsoren zu finden, wird immer schwieriger. Deshalb müssen die Fahrer selbst das Geld auftreiben. Die Summen sind astronomisch. Wir reden über 250 000 Euro für ein halbwegs konkurrenzfähiges Paket in der spanischen Meisterschaft.“
Wissenschaftlich gibt es kein Argument gegen Zweitakter
Zweitakter gelten heute sowohl im Rennsport als auch auf der Straße als tot. „Wir sehen das anders. Wissenschaftlich betrachtet gibt es kein Argument, die Zweitakt-Technologie abzuschreiben“, sagt der ehemalige KTM-Rennchef Winfried Kerschhaggl, heute Vizepräsident des US-Arms der österreichischen Marke. „Ein Zweitakt-KTM-Straßenmotorrad halte ich zukünftig keinesfalls für ausgeschlossen.“ Die jüngsten KTM-Verkaufszahlen offenbaren, dass eine nicht unwesentliche Zahl an Cross- und Enduro-Fahrern nach Jahren der Viertakt-Dominanz zu den Zweitaktern zurückkehren. „Das hat verschiedene Gründe“, sagt Kerschhaggl. „Die Bikes sind erst mal einfach zu fahren. Außerdem kann man die Power heute viel besser einsetzen als noch vor Jahren. Die Kosten sind ein Thema. Zweitakter sind in der Anschaffung und im Unterhalt viel billiger.“
Direkte Einspritzung heißt das Zauberwort. Die von der australischen Firma Orbital Engineering entwickelte Zweitakteinspritzung kam schon bei Rollern von Aprilia, Piaggio, Peugeot und Kymco zum Einsatz. Bei einem Umwelttest der thailändischen Umweltbehörde kam der zweitaktende Kymco KDI 100-Roller mit Orbital-Einspritzung auf den zweiten Platz und war im Verbrauch und bei den Abgasen besser als Dutzende Viertakt-Konkurrenten. Orbital will mit der Weiterentwicklung der Zweitakt-Möglichkeiten eine regelrechte Renaissance auslösen und die Viertakter in allen Bereichen übertrumpfen: umwelttechnisch, ökonomisch und in Sachen Performance. Bei einem Vergleich eines 450er-Motors mit Einspritzung, mal als Zwei- und mal als Viertakter, erreichte die Zweitakt-Variante die gleiche Spitzenleistung, schaffte aber ein höheres Drehmoment und ein breiteres Drehmoment-Plateau als der Viertakter. Der Motor brauchte zudem weniger Öl und produzierte auch nicht mehr Auspuffqualm und Geräusche oder Kohlenwasserstoffe, Kohlenmonoxid und Stickoxide. Dazu ist er kleiner, leichter, günstiger und verbraucht weniger Sprit.
Aber bevor die Zweitaktfans jetzt begeistert aufspringen, hier ein paar abschließende Worte des MotoGP-Champions Jorge Lorenzo: „Auf eine Art vermisse ich die Zweitakter. Aber wenn die Zukunft Viertakt heißt, ist das die Richtung. In 20 Jahren sind wir eh beim Elektromotor, dann sagt jeder: Oh, wie geil waren die Verbrennungsmotoren. Aber das ist die Zukunft.“ Ist sie das?