Im Herbst gibt es Motorrad-Neuheiten. Verlässliche Informationen, harte Fakten. Die Zeit davor, die Zeit der Träume und Spekulationen, ist jedoch meist spannender und allemal fantasievoller.
Im Herbst gibt es Motorrad-Neuheiten. Verlässliche Informationen, harte Fakten. Die Zeit davor, die Zeit der Träume und Spekulationen, ist jedoch meist spannender und allemal fantasievoller.
In bunten Bildern wenig Klarheit, viel
Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit, so wird der beste Trank gebraut, der alle Welt erquickt und auferbaut.« Goethe wusste nichts über Motorräder, als er für seinen Faust das »Vorspiel auf dem Theater« schrieb. Trotzdem hat niemand besser
als er in Worte gefasst, was alljährlich
als Vorspiel des großen Neuheiten-Theaters aufgeführt wird. Bohrende Fragen, bleiernes Schweigen, taktisches Gelächter, global-clevere PR-Strategien, irgendwo im Weltendorf frech ausgehebelt eine herrliche Burleske.
Kommen wir zum Fünkchen Wahrheit und den bunten Bildern, beginnen wir
mit einer Vision der neuen Suzuki GSX-R 1000. Zwei Zahlen stehen im Raum: 163, 183. Gemeint sind das Trockengewicht und die Leistung. Suzuki wendet also
den einjährigen Modellzyklen-Versatz zur japanischen Konkurrenz mit schierer Leistung und radikalem Leichtbau wieder zum eigenen Vorteil, um die Herausforderungen von 2004 zu kontern. Das neue GSX-R-Flaggschiff trägt eine Verkleidung, deren Gesicht bestimmt ist von einer vielfältig bestückten Scheinwerferbatterie und drei Lufteinlass-Hutzen. Sie deuten an, dass kontrollierte und optimierte Luftführung in die Airbox für Hochleistungsmotoren immer wichtiger wird. Die Verkleidung dachte sich der Computer-Retuscheur als hochgezogen bis zum Tank, um die Aerodynamik zu optimieren. Angesichts der hochgelegten Schalldämpfer sei vermerkt, dass es originell wäre, bei der konventionellen seitlichen Anordnung zu bleiben, statt als vorletzter Hersteller das Vorbild der Ducati 916 zu kopieren.
Die Computerzeichnung der GSX-R zeigt, was sein könnte, wenn die Entwicklungspolitik der letzten Jahre fortgesetzt würde. Das nahe liegende eben. Manche Beobachter jedoch haben so eine Ahnung, dass Suzuki etwas Überraschendes bringen wird. Doch einen V4 statt einer weiteren Eskalationsstufe des Reihenvierers?
Gänzlich abseits eingefahrener Wege wird sich Yamaha mit einem großen Straßen-Zweizylinder bewegen. »Die Wumme«, so nannte ein Kollege den Entwurf, der kombiniert, was landstraßenverliebte Europäer schon immer gerne zusammengehabt hätten: Den 1670er-V2 der Road Star Warrior, ein Lieferant gewaltiger Drehmomentberge, in einem Chassis mit ordentlich Schräglagenfreiheit und einer Geometrie, die fürs beschwingte Kurvenfahren taugt. Ein zentral über den Zylinderköpfen ver-
laufendes Rahmenprofil nimmt als mittragendes Teil den Motor auf. In mächtigen Gabelbrücken sitzt eine Upside-down-Gabel, die Schwingenachse ist gleichzeitig im Getriebegehäuse und im Rahmen gelagert. Den Endantrieb übernimmt ein wartungsarmer, leise laufender Zahnriemen. Höchst kreativ, wie es diesem Konzept entspricht, wird die Hinterradfederung seitlich links neben dem Triebwerk untergebracht, gestützt auf ein solides Frästeil an dessen Vorderseite. Abweichend vom Entwurf wird die Kurvencruiser-Yamaha nennen wir sie in Anlehnung an die BT 1100 doch Mega-BT oder M-BT wohl ein weniger knapp
geschnittenes Heck haben. Ein bisschen Rücklicht muss ja auch sein, und ein
Sozius sollte nicht schom beim ersten
Beschleunigen auf dem Hinterrad sitzen.
Lecker auch die Skizze der neuen FZ10. Schwungvolle Linien eines von der FZ6 inspirierten Chassis finden sich zusammen mit feinen Teilen: R1-Schwinge, Upside-down-Gabel, radial verschraubte Bremszangen und leichte Räder. Ähnlichkeiten mit der R1 sind durchaus beabsichtigt, soll die FZ10 doch ein Motorrad für Leute werden, die sonst einen Supersportler mit breitem Lenker fahren würden. Weil es auf der Zeichnung fehlt, sei das ABS hier erwähnt, das Yamaha für die FZ10, die FZ6 und die TDM 900 anbieten wird.
Bei Kawasaki steht die ZX-6R zur Modellpflege an, doch die Grünen werden schwerlich das Chassis der ZX-10R mit den über dem Motor verlaufenden Profilen für die Sechser adaptieren. Schließlich ist der bestehende Rahmen steif genug. Neben dem neuen Outfit gilt die Modellpflege dem Vierzylinder. Mehr Leistung kann man immer brauchen, optimierte Gasannahme ebenso, und vielleicht reicht es ja zu einer Anti-Hopping-Kupplung für alle, nicht nur für Piloten der teuren ZX-6RR.
Ziemlich sicher nicht für 2005, dafür aber mit 850 Kubikzentimeter Hubraum zeichnet sich die Nachfolgerin der Honda Transalp ab. Ein Motorrad, welches nicht nur eingängiger aussieht als die Vara-
dero, sondern auch geeignet wäre, Transalp und Africa-Twin-Fans zu einer Gemeinde zusammenzuführen. Geschützt untergebracht sind Motor, Kühler und Auspuff, das freut Geländefreaks, während Goodies wie die hydraulisch einstellbare Federbasis oder das ABS die Reisetauglichkeit erhöhen. Ein viel versprechender Ansatz.
Und Goethe? Wie wir seit der Geschichte von Norbert Sorg in MOTORRAD 8/2004 wissen, würde er von einer neuen Guzzi träumen: »Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten!