Die Scheinwerfer müssen wir uns noch selbst vorstellen, denn mit dunkler Sonnenbrille wie auf den Fotos wird die neue Honda Fireblade sicher nicht auf den Markt kommen. Auch technische Änderungen im Inneren des Motors oder der Verkleidung können wir bestenfalls erahnen. Doch abgesehen von solchen Intimitäten, die sie bis auf Weiteres noch geheim hält, zeigt sich die Blade ungetarnt. Das gilt mit höchster Wahrscheinlichkeit auch für die Lackierung. Mit der Signalfarbe Rot lenken die Designer den Blick auf die neu gestaltete Verkleidung: ein aufregend knapp geschnittenes Plastikkleid mit kleinen Seitenflächen. Im Frontbereich gelang ihnen eine spektakuläre Kombination von schräg gestellten Scheinwerfern und großen Lufteinlässen, welche wie bei der alten Blade durch zwei seitliche Kanäle den Motor mit kühler Ansaugluft versorgen. Optisch halten sich diese Luftführungen sehr zurück; sie sind ebenso in Schwarz gehalten wie die darunter erkennbaren, schräg nach außen gestellten Flächen, die die vom Kühler heranströmende heiße Luft nach außen abführen. Neu gestaltet wurde auch die Heckverkleidung mit weit nach vorne gezogenen seitlichen Ausschnitten für das Rücklicht.
Indiz für höhere Leistung
Motor, Rahmen und Schwinge, kurz die technische Basis des Motorrads, scheinen dagegen weitgehend unverändert. Das ist auch gut so, denn nach nunmehr fast neun Jahren Rennsport beweist die ehrwürdige SC 59 noch immer großes Potenzial, selbst in der Superbike-WM. Ihr Fahrwerk ist erstklassig. Wenn, dann vernahm man aus dem professionellen Rennumfeld den Wunsch nach besserer Kontrollierbarkeit. Daran hat Honda sicher gearbeitet. Dasselbe gilt für den Motor, der ohne Weiteres die konstruktiven Voraussetzungen und mechanische Standfestigkeit für eine substanzielle Leistungssteigerung bietet. Gut so, denn mehr Dampf wird die Fireblade im Umfeld der aktuellen Serien-Supersportler auch brauchen – aus verkaufspsychologischen Gründen und weil die Data-Recording-Kurven vom letzten großen Supersportler-Vergleichstest (MOTORRAD 11/2015) genau dokumentieren, wie ihr die stärkere Konkurrenz in höheren Geschwindigkeitsbereichen davonbeschleunigt.
Ein Indiz für höhere Leistung ist die neue Auspuffanlage mit ihrem sehr dicken Verbindungsrohr zwischen den Krümmern und dem dreieckigen Schalldämpfer. Sie scheint nicht nur dazu beizutragen, die Euro 4-Bestimmungen einzuhalten, sondern sieht auch ziemlich leistungsträchtig aus. Zur Spitzenleistung der neuen Blade gab es bislang Angaben von zwei verschiedenen Informanten. Der eine sprach von 195 PS an der Kupplung, der andere von über 180 PS am Hinterrad. Diese Werte passen bestens zusammen und auch perfekt zur Honda-Philosophie, lieber fein ausgewogene Gesamtkonzepte zu liefern, als nach reißerischen Einzelleistungen zu streben. An der 200-PS-Schlacht wird sich der Motorrad-Riese allem Anschein nach nicht beteiligen.
ABS, Traktionskontrolle und weitere elektronische Fahrhilfen
Bei genauerer Betrachtung einzelner Details fällt der geänderte Lichtmaschinendeckel auf der linken Motorseite auf. Der Vergleich etwa mit einer 2008er-Fireblade legt die Vermutung nahe, dass die Neue eine schmalere Lichtmaschine erhält. Damit verbindet sich die Frage nach der Ausstattung des neuen Honda-Supersportlers mit ABS, Traktionskontrolle und weiteren elektronischen Fahrhilfen. Es scheint ziemlich sicher, dass Honda mit der bisherigen Zurückhaltung in Hinsicht auf elektronische Fahrhilfen bricht und das Honda-eigene Combined-ABS, das stramme zehn Kilogramm wiegt, durch ein leichteres System eines Zulieferers ersetzt. Vieles spricht dafür, dass es sich um das von der Konkurrenz eingesetzte Bosch 9ME Plus-System handelt, also die Kombination von ABS (mit Anti-Wheelie-Funktion) und Traktionskontrolle. Dabei reden wir von einer sechs Achsen erfassenden, sehr kompakten Sensoreinheit und einem Druckmodulator, der nicht nur weitaus zierlicher, sondern auch viel leichter ausfällt als das bisherige schwere System. Das allein würde auch für eine deutliche Gewichtsreduktion um mehrere Kilogramm sorgen.
Da Honda die neue Fireblade in drei verschiedenen Versionen auf den Markt bringen wird, als Standardmodell, SP 1 und als nur für die Rennstrecke ausgestattete SP 2, sind auch Systeme mit unterschiedlichen Funktionsumfängen denkbar. So ist auch die Rede von MotoGP-erprobten Systemen wie einer selektiven Drehmoment- und Motorbremskontrolle. Derartige Schmankerl werden aber vermutlich nur den SP-Versionen vorbehalten sein, ebenso die neueste Generation semiaktiver Öhlins-Fahrwerkstechnik, während die Standardvariante wie im Bild auf die wohlbekannte Showa-Big-Piston-Gabel und ein Federbein vom gleichen Hersteller zurückgreift. Eine Maßnahme, die auch dem Preis geschuldet ist, denn während der Preis bei den edlen SP-Varianten erfahrungsgemäß keine übergroße Rolle spielt, muss sich die Basis-Fireblade im Konkurrenzumfeld einsortieren.
Nach bisherigen Informationen werden die SP-Varianten Anfang Oktober auf der INTERMOT enthüllt, die Basismaschine einen Monat später auf der EICMA. Über die Preise der drei neuen Fireblades ist noch nichts bekannt.