Neuheiten 2004: 1000er-Supersportler
Heisser Herbst

Powerfreaks, aufgepasst: In dieser Saison sorgte Suzukis gewaltiger GSX-R-Brenner für das Ende der Leistungsfahnenstange, in der kommenden könnte sich das Blatt komplett wenden. Honda, Kawasaki und Yamaha legen nach.

Heisser Herbst
Foto: MCN

Kein Kommentar, wir wissen von nichts, welche neue 1000er?« Egal, wo und wen man in diesen Tagen nach dem kommenden Modelljahrgang fragt, die Antwort ist stets so alt wie
bekannt. Ganz unabhängig davon, was die Spatzen rund um die gewöhnlich gut informierten Kreise von den Dächern
pfeifen. Dabei ist klar: Im Rennen um
die Supersportlerkrone stehen drei neue Wettbewerber in den Startlöchern. Abgesehen von Kawasaki wird es sich – so viel ist sicher – bei Honda und Yamaha ebenfalls nicht um eine sanfte Modellpflege handeln, sondern um radikale Neukonstruktionen.
Bei Kawasaki war das ohnehin zu
erwarten. Seit Jahren lechzt die grüne Fangemeinde nach einem kompromisslosen Racer, jetzt kommt er. Und wird
außer der bekannten Kawasaki-Typologie – die Neue heißt ZX-10R –, dem Reihenvierzylinder und dem Aluminium-Brückenrahmen nicht mehr viel mit ihren Vorfahren gemein haben.
Wohin die Reise leistungsmäßig geht, ist kein großes Rätsel. 164 PS mobilisiert
Suzukis GSX-R 1000. Obwohl die Messlatte damit sehr hoch liegt, wird sich
Kawa in bester »Wir-können-noch-mehr«-Tradition vergangener Tage nicht lumpen lassen. Logisch: Eine neue, radikale
ZX-10R muss stärker sein. Und leichter. Und schneller.
Die Eckdaten stehen somit fest.
Leistung jenseits der 164 PS, dazu mit
allen Betriebsstoffen und vollem Tank
ein Gewicht unter 200 Kilogramm sowie eine Höchstgeschwindigkeit an der Grenze der freiwilligen Selbstbeschränkung. Erreicht werden diese exorbitanten Daten bis auf weiteres auch bei Kawasaki
mit durchaus konventionellen Mitteln.
Zu denen gehören heutzutage extrem leichte Werkstoffe wie Kohlefaser und
Titan ebenso wie radial verschraubte Bremszangen und ein höchst effizientes Ram-Air-System mit einem gierigen Schlund in exponierter Lage direkt zwischen den Scheinwerfern.
Dem Trend zum Schalldämpfer im Rahmenheck hingegen folgt Kawasaki bei der ZX-10R nicht. Statt dessen
verläuft die Auspuffanlage konventionell, was zumindest in Hinsicht auf minimales Gewicht nicht von Nach-, sondern eher von Vorteil ist. Zu bewundern ist die neue, brandheiße ZX-10R, wie die anderen Neuheiten auch, auf der Mailänder Messe EICMA im September.
Dass dieser Motorradherbst ein Pulsbeschleuniger für Sportfreaks wird, daran dürfte Honda ebenfalls großen Anteil
haben. Selbst wenn es für einen Moto-GP-Ableger noch zu früh ist, will der weltgrößte Motorradhersteller im Wettrüsten um die Supersportlerkrone nicht hinten anstehen. Von der aktuellen Fireblade bleibt daher wenig übrig. Bei Honda
dominiert eine neue Sportlichkeit, wie schon die aktuelle CBR 600 RR belegt.
In die gleiche Kerbe wird die neue CBR 1000 RR schlagen. Kompakt, stark, kompromisslos – getreu diesem Motto sind
einige Features der 600er wie der im Druckgussverfahren hergestellte, überaus leichte Rahmen, das in die Schwinge integrierte Federbein sowie der Schalldämpfer im Rahmenheck am neuen
Big Bike ebenfalls Pflicht. Gleiches gilt
für die Abmessungen: So nah dran an
einer 600er war ein 1000er-Supersportler noch nie, Unterschiede werden lediglich Kennern auffallen.
Das gilt besonders, weil die 1000er wie die 600er stilistisch einiges von jener Linie übernimmt, die die Rossi-RC 211 V
vorgibt. Extrem geduckt, extrem kompakt: Obwohl zwischen den Rahmenprofilen noch kein V5 werkelt, dürfen sich CBR-1000-RR-Käufer angesichts der Leistungsdaten durchaus auf des Doktors Spuren wähnen.
Apropos Leistungsdaten: Wer in dieser Liga mitspielen will, sollte – wenn es nach Yamaha geht – um die 170 PS stark und mit einem Trockengewicht von rund 170 Kilogramm sensationell leicht sein. So jedenfalls lauten
die Eckdaten, die für die neue YZF-R1 gerüchteweise kolportiert werden. Wenn diese Werte nur annähernd stimmen, heißt das: Nicht nur die neue Druckgusstechnik des Rahmens wird – wie bei Honda – von der kleinen Schwester YZF-R6 übernommen, sondern auch der Motor müsste nochmals abspecken. Ob die aktuelle Konstruktion angesichts der geringen Gewichtseinsparungen, die sich
in der Peripherie noch erzielen lassen, zu schwer ist, um in die Regionen der aktuellen R6 (Leergewicht 162 Kilogramm, 189 Kilogramm vollgetankt) zu kommen, bleibt abzuwarten. Ebenso, ob Yamaha dann vom Fünfventil-Glaubensbekenntnis abrückt und auf konventionelle vier Ventile sowie ein leistungssteigerndes Ram-Air-System setzt.
Folglich wird sich die 2004er-YZF-R1 noch radikaler als ihre Vorgängerin präsentieren, was in Anbetracht der scharfen Konkurrenz unumgänglich sein dürfte. Bleibt die spannende Frage, ob
es den Ingenieuren gelingt, Leistungsgewichte von fast einem PS pro Kilogramm für öffentlichen Straßen so zu kultivieren, dass die neuen Donnerbolzen der Japaner noch fahrbar sind.

Unsere Highlights
Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023