Sport: Suzuki GSX-R 750 - das dominanteste Serienmotorrad

Sport: Suzuki GSX-R 750 Das dominanteste Serienmotorrad im Rennsport

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Am Ende seines rasenden Berufslebens leistete Mick Grant Pionierarbeit für den seriennahen Rennsport: Die brandneue Suzuki GSX-R 750 mit seiner traditionsreichen Startnummer gewann 1985 den ersten britischen Superstock-Titel.

Das dominanteste Serienmotorrad im Rennsport Wolf

Wohl kein zweites Serienmotorrad ist so dominant in den Sport eingestiegen wie die GSX-R, und nichts belegt diese Aussage besser als ihre Überlegenheit bei der Premiere des britischen Superstock-Championats: Neun von elf Rennen gewannen Suzuki-Piloten, die ersten vier gingen am Stück an den Grand-Prix-Haudegen Mick Grant auf seiner von Heron Suzuki, dem UK-Importeur, aufgebauten Maschine. Im Verlauf der Saison sammelte der 41-Jährige fleißig weiter Punkte, gewann die Serie am Ende mit fünf Siegen – und ging danach in Rente.

Gleich drei japanische Hersteller unterstützen die Superstock-Serie, deren Erfolgsgeheimnis jenem der Superbike-Kategorie in den USA glich: große technische und weitgehende optische Nähe der Renner zu ihren Serien-Pendants. Kein Wunder, denn der Brite Bruce Cox hatte die US-Serie 1973 aus der Taufe gehoben, nach seiner Heimkehr importierte er die Erfolgs-Idee. "Allerdings wollte ich das extrem teure und die Werksteams begünstigende Motortuning ausschließen. Motor und Vergaser mussten also serienmäßig bleiben. Rennbereifung, andere Federung, Bremsen, Schwingen und Räder sollten gleichwohl echte Racer ermöglichen."

Trotzdem hatten die Importeure natürlich gewisse Vorteile. Zum Beispiel bekamen sie neue Modelle früher als die Privatiers. Während die GSX-R für Privatkunden noch in Containern steckten, konnten die Heron-Mechaniker Paul Bolton und Nigel Everett lange vor dem Superstock-Debüt Hand anlegen. "Uns spukten natürlich die Firmenangaben von 100 PS im Kopf herum", berichtet Bolton, "und so staunten wir nicht schlecht, als wir nur 73 am Getriebeausgang messen konnten. Wir bauten das Triebwerk komplett neu auf und optimierten es innerhalb der Regeln. Eine Titan-Auspuffanlage des Werks-TT1-Renners kam dran, der Luftfilter verschwand. Statt der 97,5er-Hauptdüse drehten wir eine 130er in die Serien-Vergaser, entgrateten Brennräume und Kanäle, erhöhten die Verdichtung auf 10,7 statt 9,8 : 1, entfernten die Lichtmaschine, montierten eine winzige Batterie – und ernteten echte 96 PS bei 10 500/min. Das war schon etwas besser."

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Im ausgebeinten Cockpit verblieben nur Drehzahlmesser und Stromschalter.

Mick Grant nimmt die Erzählung auf: "Ich war seit 1982 ausschließlich Suzuki gefahren und liebte meine RG 500 ebenso wie mein Viertakt-Bike für die TT Formula 1. Aber 1985 wollte Denys Rohan, der Heron-Boss, die neue GSX-R promoten, indem er mich in der neuen Superstock-Klasse an den Start schickte. Das gefiel mir überhaupt nicht, weil ich mir lebhaft vorstellte, wie Scharen von Spinnern versuchen würden, den alten Mick Grant auf Maschinen zu jagen, die für 5000 Pfund fix und fertig auf der Piste standen. Am Ende stimmte ich gegen meine Überzeugung zu, gewann die ersten vier Rennen – und das Ganze schien eine prima Idee zu sein. Die Suzi war schön zu fahren und so zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk, auch die Production-TT gewann ich mit ihr, vor drei anderen GSX-R. Mein einziger Sturz mit dem Superstocker ereilte mich beim Vorsaison-Training in Donington, und ich weiß noch, dass ich mich während des Abflugs dafür verfluchte, mit so einem ‚Serien-Miststück‘ herumzukurven. Es stellte sich dann heraus, dass Suzuki das Gewinde des Ölfilters etwas grob gewählt und dieser sich gelockert hatte."

Micks Erfolge nährten Gerüchte, die Heron-Suzuki entspreche nicht der Serie. Also ließ er das Bike vor den Augen der Konkurrenz komplett öffnen. "Sie war original, bis auf die Zündbox, und das war erlaubt. Wir konnten damit 500 Umdrehungen höher drehen, bevor der Begrenzer zulangte, und so etliche Schaltvorgänge einsparen." Bei seinem letzten Rennen in Großbritannien fuhr Mick mit dem siebten Platz den Superstock-Titel ein, kurz darauf beendete er als Sieger des Macao-Grand-Prix auf der RG 500 seine Karriere. Ein Jahr später schenkte ihm Heron den erfolgreichen Superstocker und Mechaniker Nigel Everett eine sehr persönliche Restaurierung: Die GSX-R mit der Rahmennummer GR71-00719 und dem Motor R705.104962 trägt – seit ihrem Donington-Crash – eine Schramme am Tank und eine Beule im Rahmen.

Ich treffe diese Geschichte auf Rädern beim TT-Revival in Killarney/Südafrika, wo Mick zu den Stammgästen zählt. Die Suzi gehört zwar seit drei Jahren dem Ex-Racer Tony Salt, doch die beiden haben einen guten Deal gemacht: "Ich kann die Maschine fahren, wann immer ich Lust dazu habe", grinst Mick und reicht das gute Stück an mich weiter. Mein historischer Ausflug wird komplett, als auch noch Paul Bolton auftaucht, heute zuständig für die Restaurierung historischer Suzuki-Rennmotorräder. Geduldig wärmt er den Motor auf – bei mehr als fünf Litern Ölinhalt ein unbedingtes Muss für das luft-/ölgekühlte Nasssumpf-Triebwerk. Während des Rennens lag die Öltemperatur bei 100 bis 110 Grad Celsius, und Prüfstandsläufe hatten Heron gezeigt, dass die Leistung bei höheren Temperaturen sogar wuchs.

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Mick Grant übergibt die ruhmreiche Superstock-Suzuki an Alan Cathcart.

Nach dem Aufsteigen erwartet mich eine echte Überraschung: Ich hatte vergessen, wie niedrig der Sitz dieses Superbikes ist. Nicht nur im Vergleich mit späteren Konkurrentinnen, sondern auch gegenüber zeitgenössischen FZ 750 oder VF 750. Gleichzeitig staune ich über die gekrümmte Sitzposition und die beinahe plüschige Bank. Man hockt wie verkeilt auf diesem Bike, hat beim Hanging-off seine liebe Not und erinnert sich an Micks ökonomischen und altmodischen Fahrstil. Also lautet der heißeste Tipp für schnelle Runden: Dem Grip der aufgezogenen Michelin Pilot One vertrauen und das Bike beherzt in die Kurven schmeißen. Tony Salt hat die 17-Zoll-Räder einer aktuellen GSX-R montiert, um die modernen Pneus aufziehen zu können. Weder die serienmäßigen 18-Zoll-Räder noch die 16-Zöller, mit denen Grant seinerzeit fuhr, hätten dies ermöglicht.

16-Zöller? Nun, Mick empfand den serienmäßigen Nachlauf als zu groß. Außerdem wollte er gern dieselben Reifen verwenden wie bei seinen anderen Renngeräten. Das Superstock-Reglement gestattete, den kompletten Vorderbau einer älteren TT1-Suzi zu montieren, der mit Kayaba-Gabel, hydraulischem Anti-Dive, 310-mm-Brembo-Scheiben und Vierkolben-Tokico-Bremssätteln im Wesentlichen der Front des damaligen GP-Motorrads von Randy Mamola glich. Die Schaltung hat der neue Besitzer ebenfalls umgerüstet: Wenn man das Rennen auf einer Velocette erlernt hat, besteht man sein Leben lang darauf, den ersten Gang aufwärts zu schalten. Normale Menschen – sorry, Mick – brauchen das nicht.

Die optimistische Werksangabe sprach 1985 von 176 kg Trockengewicht. Wer für die Rennerei Doppelscheinwerfer, Tacho, Blinker, Rücklicht, Starter und Lichtmaschine demontierte, kam auf echte 159 inklusive Öl, aber ohne Benzin. Und das fühlt sich gut an. Weniger entgegenkommend wirken zunächst die serienmäßigen Flachschieber-Vergaser. Sie verwenden eine deutlich verstärkte Gasschieber-Feder, um dem Sog im Ansaugtrakt entgegenzuwirken und zu verhindern, dass sich die Schieber gelegentlich festklemmen. Bis die Michelin ihre Betriebstemperatur erreicht haben, erleichtern die spontan agierenden Mikunis gut kontrollierbare Hinterrad-Slides. Trotzdem muss man erst lernen, sie auf jeden Kurvenverlauf einzustellen, und außerdem erschwert ihr hartes Ansprechen natürlich Zwischengas beim Runterschalten und gleichzeitigen Bremsen.

Als ich auf die erste Linkskurve zurase, überrascht die Suzi mich erneut: Ihre Bremse streikt. Um gerecht zu sein, hatte mich Tony Salt davor gewarnt, und so bin ich bereit, mit aller Kraft am Hebel zu ziehen. Die Wirkung bleibt mäßig. Also bringe ich sie auf Betriebstemperatur, indem ich sie eine Runde lang mit leichtem Hebeldruck schleifen lasse. Danach arbeitet sie gut genug, um mich am Ende der 800-Meter-Gegengeraden sicher einzufangen. Hölzern jedoch bleibt sie, und ich erinnere mich, dass dieses Problem auftauchte, als Brembo seine Scheiben von Gusseisen auf Edelstahl umstellte.

Wolf
Aus der Kiste auf die Piste: Keine bot 1985 bessere Voraussetzungen für seriennahen Sport als die leichte GSX-R.

Der Superstock-Motor agiert mit 2500/min Leerlaufdrehzahl – ein Suzuki-Trick aus Zeiten vor Einführung der Anti-Hopping-Kupplung. Er sollte verhindern, dass die Bremswirkung des Motors Fahrwerksunruhen provozierte. So brauche ich mir keine großen Gedanken um das Hinterrad machen, als ich vor der Killarney-Haarnadel den Anker werfe: Zack, zack, runter in den zweiten Gang; der erste taugt bei der GSX-R nur zum Anfahren. Insgesamt ist der wohltönende Superstock-Motor nach wie vor schön zu fahren, kommt dank der TT1-Auspuffanlage ordentlich unten raus, besitzt passable Midrange-Power.

Gleichwohl sorgen die Veränderungen an Vergasern und Auspuff dafür, dass die rennmäßig verwertbare Leistung erst ab 5000/min einsetzt, bei 7000 kommt dann der Kick, bei 10 500 greift der serienmäßige Begrenzer ein – insgesamt doch ein recht enges nutzbares Drehzahlband für einen 750er-Rennmotor. Mick Grant hatte, wie erwähnt, 500 Touren mehr zur Verfügung. Dank des gut gestuften rechts­geschalteten Sechsganggetriebes bleibt der Motor dennoch stets bei Laune, auch wenn es mir gelegentlich schwer fällt, ohne Kupplung hochzuschalten.

1985 musste sich die Suzuki einige Kritik an ihrem Fahrverhalten gefallen lassen, und Mick berichtet, sein Superstocker habe auch ihn manchmal mit leichtem Hochgeschwindigkeitspendeln verunsichert. Aus meiner Sicht war die GSX-R bloß anders als das bis dato Gewohnte: nicht nervös, wie viele Zeitgenossen befanden, sondern einfach kein sturer Eisenhaufen mehr. Natürlich reagierte sie fühlbar und durchaus empfindlich auf Setup-Veränderungen, und so habe ich wohl etwas Glück, als sie unbeirrt die beiden Geraden von Killarney runterbolzt. In langen wie engen Kurven jedoch überzeugt sie – allemal mit Superstock-Fahrwerk und beinahe nach heutigen Maßstäben – durch Präzision, Neutralität und Leichtigkeit. Ihre Neigung zum Untersteuern lässt sich mit geringem Kraftaufwand ausgleichen, die gut ansprechende Federung erleichtert den Umgang auf dem buckeligen Kurs enorm.

Höchst zufrieden spule ich noch einige Runden ab und denke wieder mal, dass irrt, wer Hondas Fireblade das erste Sportmotorrad der Moderne nennt. Nein, Leute, acht Jahre zuvor hat Suzuki die Performance einer 1000er mit dem Handling einer 600er gepaart. Das war keine Evolution mehr, sondern Revolution. Das war GSX-R.

Technische Daten

Wolf
Die serienmäßigen Vergaser der Suzuki GSX-R 750 erhielten größere Düsen und stärkere Federn.

Motor
Bauart  Luft-/ölgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, vier Ventile pro Zylinder, zwei oben­liegende, kettengetriebene Nockenwellen
Bohrung  70 mm
Hub  48,7 mm
Hubraum  750 cm3
Verdichtung  10,7 : 1
Leistung  97 PS bei 10 500/min
Gemischaufbereitung  Flachschiebervergaser Mikuni, Ø 29 mm
 
Kraftübertragung
Kupplung
 Mehrscheiben-Ölbad
Getriebe  Sechsgang, klauengeschaltet
Primärtrieb  Zahnräder
Sekundärantrieb  Kette
 
Fahrwerk
Rahmenbauart  Doppelschleifenrahmen aus Aluminiumprofilen und Gussteilen
Radführung vorn  Kayaba-Telegabel, Ø 40 mm, hydraulisches Anti-Dive
Radführung hinten  Zweiarmschwinge aus Aluminiumprofilen, WP-Zentralfederbein
Räder
 Gussräder
Reifen vorn/hinten  120/70 - 17 / 180/55 - 17
Bremse vorn  Brembo-Doppelscheibe, Ø 310 mm, Vierkolben-Festsättel
Bremse hinten  Einzelscheibe, Ø 220, Zweikolben-Festsattel
 
Maße und Gewichte
Radstand  1440 mm
Gewicht  159 kg
 
Hersteller  Heron Suzuki, Crawley, England

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