Die Superbike-WM ist kaum kostengünstiger als die kommende GP1-Viertakt-Klasse. Mögliche Alternative für seriennahen Rennsport: populäre 1000er-Big Bikes wie die Suzuki GSX-R 1000.
Die Superbike-WM ist kaum kostengünstiger als die kommende GP1-Viertakt-Klasse. Mögliche Alternative für seriennahen Rennsport: populäre 1000er-Big Bikes wie die Suzuki GSX-R 1000.
Ein kalter Wind pfeift durchs Hockenheimer Motodrom. Im Schneckentempo kehren Kehrmaschinen durchs Infield. Handwerker werkeln an maroden Elektrik-Verteilerkästen, Maler malen mit frischen Farben an Boxen und Starterturm herum. Das Motordrom im Winterschlaf. Zwei
blauweiße Motorräder stehen verloren in
der noch nicht ganz frühlingshaften Sonne,
umzingelt von ein paar Gestalten, dick
vermummt in bunten Jacken. MOTORRAD-Gasttester und Ex-Grand-Prix-Fahrer Jürgen Fuchs nimmt auf der Suzuki mit der Startnummer eins Platz. »Machs nicht kaputt,
es ist zur Zeit die einzige GSX-R 1000
im Renntrimm«, mahnt Suzuki-Vertriebsleiter Bert Poensgen zu Vorsicht.
Und während Jürgen Fuchs im gelochten Rennkombi versucht, der Kälte ein Schnippchen zu schlagen und den kleinen Kurs trotz vereinzelter Eisplatten schrottfrei zu umrunden, kommt der Suzuki-Manager und Rennfreak zur klaren Ansage. »Solchen Powerbikes aus der Kiste gehört die Zukunft
im Viertakt-Rennsport. Die 750er-Superbikes mit dem derzeitigen Reglement fressen uns die Haare vom Kopf. Die Show ist klasse, aber die haben wir auch mit ordentlich zurechtgemachten Big Bikes.«
Der Suzuki-Mann spricht aus, was die meisten seiner Wettbewerber unterschreiben würden. So gibt sich Honda-Deutschland-PR-Manager Klaus Wilkniß zwar noch etwas zugeknöpft mit konkreten Aussagen, könnte sich aber eine neue Rennklasse mit der CBR 900 RR gut vorstellen. Zumal der Superstock-Europameister, der 19-jährige Engländer James Ellison, seinen Titel auf einer Fireblade eingefahren hat und das Superbike-Engagement mit den VTR-1000-Twins deutlich mehr Geld verschlingt als die 500er-Grand-Prix-Zweitakter.
Auch Udo Mark, Teamchef des Supersport-Weltmeister-Teams Wilbers-Suspension-Yamaha-Deutschland, sieht die Zukunft mit den seriennahen Dickschiffen: »Meine Vision vom Motorrad-Rennsport in den kommenden Jahren:
Es wird unterhalb der GP1-Klasse eine ,GP2 geben, quasi als Nachfolger der 250er, mit 600er-Viertaktern und weitgehend freiem Reglement. Und dazu eine ganz eigene Serie mit Produktionsmaschinen der Supersport-Klasse wie
sie ist, sowie einer 1000er-Kategorie,
die den heutigen Superstock-Bikes nicht unähnlich sein wird.«
Hinter dem regen Zuspruch für die großen Supersportler steht natürlich vor allem das kommerzielle Marktinteresse. Außer Suzuki verkauft keine andere japanische Firma mehr nennenswert 750er. Waren noch 1993 die 750er die Supersport-Bestseller, drehte sich im Jahr 2000 mit Ausnahme der Suzuki GSX-R 750
alles um Boliden wie Yamaha YZF-R1, Honda CBR 900 RR, Kawasaki ZX-9R. Und jetzt die GSX-R 1000.
Yamaha setzte mit dem kompletten Rückzug des R7-Werksmaterials ein
unseliges Zeichen für die Superbike-WM. Mit Pauken und Trompeten vor zwei
Jahren präsentiert, verschwand das edle Material jetzt im Nirwana japanischer Technik-Katakomben. Dafür stellt die Yamaha-Rennabteilung Mitte Februar das neue GP1-Projekt vor, vom lang ersehnten Superbike-Titel ist keine Rede mehr. Dem rennt Yamaha wie auch Suzuki seit der Premiere 1988 erfolglos hinterher.
Über mangelnden Erfolg kann sich Honda dagegen nicht beklagen. Zu
Beginn heimsten sie mit Fred Merkel auf der RC 30 gleich zweimal den Titel ein. Selbst die kapriziöse RC 45 bugsierten die Japaner mit immensem technischen und finanziellen Aufwand an die Spitze. Und dass sie auch mit dem VTR-1000-Twin im ersten Jahr den WM-Titel holten, zeigt, wie perfekt im Hause Honda
die Viertakttechnik beherrscht wird. Doch auch dort arbeitet man fieberhaft und derzeit fast ausschließlich am Fünfzylinder-GP1-Motor (siehe auch Seite 188).
Womit zwar die Siegchancen von
Kawasaki steigen, aber das antiquierte Material der über fünf Jahre alten ZX-7RR taugt trotz aller Bemühungen der hartnäckigen Werks-Teams zu nicht mehr als ein paar Achtungserfolgen. Teamchef Harald Eckl sieht nicht allzu fröhlich in
die Zukunft: »Sowohl, was die Kawasaki-
Seite als auch meine eigene Einschätzung angeht, ist noch völlig offen, wie die Zukunft des Rennsports aussehen wird. Eine Aufstockung des Hubraums der Vierzylinder-Superbikes auf 1000 cm3 hat Promotor Flammini ja für 2002 eh schon geplant. Deshalb sehe ich die Zukunft eher so als in der stärker beschnittenen Superstock-Klasse. Insgesamt aber ist auch die ganze GP1-Geschichte noch sehr unausgegoren. Das wird wahnsinnig teuer, und wir werden sehen, ob wirklich alle mitmachen können und wollen.«
Bleiben Ducati und Aprilia, deren Renningenieure sich in aller Offenheit heftig und sehr engagiert mit der
technischen Herausforderung der neuen GP1-Klasse beschäftigen. Im Blickpunkt stehen könnten die italienischen V-Twin-Donnervögel aber auch in der bis jetzt noch als schemenhafte Vision erdachten Superstock-Weltmeisterschaft.
Erlaubt wäre in dieser neuen Formel natürlich, dass die modifizierten Serienmotoren ihre Kraft über ein Renngetriebe und gängige Slickreifen auf den Boden bringen. Dazu Verstärkungen am serienmäßigen Rahmen, Schwinge, Federbein und Gabelinnereien nach freier Wahl und ein
Gewichtslimit, das sündhaft teure Titan- und Kohlefaserwerkstoffe ad absurdum führt. Solch ein
Regelwerk würde so manches Rennteam wieder anlocken, vor allem aus der Szene der engagierten Händler. Denn mit derart reduzierten Kosten sind seriöse und gut besetzte nationale Meisterschaften wieder denkbar.
Für Yamaha-Tuner Theo Laaks etwa wäre ein solcher Schritt Grund genug, massiv in den Sport zurückzukehren solange genügend Freiraum bleibt, die Serienbasis so zu bearbeiten, dass sie tatsächlich rennsporttauglich ist. Reglementtechnische Erbsenzählerei dagegen ist für den Yamaha-Händler nicht tragbar. »Wenn uns beim Radwechsel eine Hand voll Teile entgegen fallen, weil wie keine vernünftigen, obwohl spottbillige Lösungen einbauen dürfen, hat der Sport für einen technisch orientierten Tuning-Betrieb keinen Sinn.«
Zurück zur Realität, zurück zu Testfahrer
Jürgen Fuchs, der die Suzuki GSX-R 1000 nach etlichen Runden auf dem halbtrockenen Kurs an die Boxen chauffiert. »Was willst denn mehr? Für spannende und bezahlbare Rennserien sind
solche Granaten genau richtig. Zumal die Superstock-GSX-R 1000 noch lange nicht das Ende
der Fahnenstange darstellt. Mit Feinarbeit an Fahrwerk und Motorabstimmung wird so ein Bike kaum langsamer sein als die aktuellen Superbikes.« »Sag ich doch«, bekräftigt der Suzuki-Vordenker Bert Poensgen.