Mit mehr Hubraum wollen die Italiener ihr Superbike noch einmal richtig flott machen
Mit mehr Hubraum wollen die Italiener ihr Superbike noch einmal richtig flott machen
Es ist mal wieder soweit. Zeit, sich an einen neuen Namen zu gewöhnen. Nachdem Ducati die Superbike-WM ein weiteres Mal gewonnen hat, schreiben die Italiener ihre Geschichte auch abseits der Rennstrecken fort. Nach 851, 888 und dem bereits vier Jahre währenden Mythos 916 folgt jetzt die 996.
Neuer Name, altes Programm? Weit gefehlt, denn neben einer verbesserten Lichtanlage verbirgt sich unter der roten Schale einiges an Detailverbesserungen. Zwar gab es diesen 996 Kubikzentimeter großen Vau so ähnlich schon 1997 in Form einer sündhaft teuren SPS-Version als Rennsportbasis zu kaufen, für die bessere Eignung im Alltagsbetrieb wurde bei der 30 490 Mark teuren Biposto allerdings auf reine Spitzenleistung verzichtet.
Anders als beim bekannten 916-Triebwerk sorgen jetzt zwei Einspritzdüsen pro Zylinder für eine optimale Gemischaufbereitung. In Verbindung mit mehr Hubraum treiben sie die Testmaschine auf dem Prüfstand deutlich über ihre Papierform hinaus: 116 PS. Ein verstärktes Motorgehäuse soll die Dauerhaltbarkeit der Italienerin trotz dieses Leistungszuwachses verbessern.
Mit mehr Nachdruck, aber spürbar kultivierter schiebt die 996 jetzt vor allem aus niederen Drehzahlen vorwärts. Bereits ab 2000/min läßt sich ohne nerviges Kettenpeitschen ruckfrei beschleunigen. Sanftes Ansprechen auch beim Übergang von Schiebebetrieb in Lastzustand. Der neue Motor gefällt durch weichen Leistungseinsatz über den gesamten Drehzalbereich, seine Leistungskurve verläuft über den ganzen Bereich deutlich höher als die Kurve kürzlich gemessener 916-Motoren (siehe Leistungsdiagramm). Die neue und vor allem leisere Auspuffanlage tut ein weiteres, den sanften Charakter der 996 zu unterstreichen.
Erfreuliches auch in Sachen Bremsen. Neue Handpumpe, gefräste Bremssättel und neue Reibpaarung zwischen Scheiben und Belägen - schon bremst die Duc. Noch nicht so bissig und feinfühlig wie die japanische Konkurrenz, aber den Ansprüchen im Alltag durchaus gewachsen. Mit ordentlichem Druckpunkt und guter Verzögerung bei vergleichsweise niedriger Handkraft stimmt jetzt Richtung. Jetzt noch den Federdruck zum Rückstellen des Handhebels etwas verringert, und schon könnte man von einer feinfühlig dosierbaren Anlage sprechen.
Fahrwerksseitig ist dagegen alles beim alten geblieben. Unerreicht hohe Fahrstabilität auf ebenen Straßen, eher störrisches Handling bei höheren Geschwindigkeiten, grausiges Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage und fast allergische Reaktionen bei Kurvenfahrt auf welligen Pisten. Da ist die Neue leider ganz die Alte geblieben.
Fahrwerksschwächen der Ducati sind weniger in der Konstruktion des Motorrades als vielmehr in der unglücklich gewählten Erstbereifung zu suchen. Darüber sind sich auch die Spezialisten im Hause Michelin im klaren. Der TX 25 in der Dimension 190/50 ZR 17 sei für eine sechs-Zoll-Felge gebaut, auf der 5,5-Zoll-Felge der Ducati funktioniere dieser Reifen nicht optimal. MOTORRAD machte die Probe aufs Exempel und montierte den eigens für diesen Versuch gelieferten 180/55 ZR 17 gleichen Typs auf der 996. Das Ergebnis ist allerdings wenig berauschend. Aufstellneigung beim Bremsen unverändert stark und immer noch heftige Reaktionen auf jegliche Bodenunebenheiten bei Kurvenfahrt.Erst eine weitere Alternativbereifung aus dem Hause Michelin sorgt für Erfolg. Der Race 3 Soft verwandelt die bockige Ducati in eine präzise Fahrmaschine, die punktgenaues Einlenken auch auf der Bremse ermöglicht und sich selbst auf schlechten Straßen ohne ständiges Gewackle um Radien aller Durchmesser zirkeln läßt.Trotz offizieller Freigabe sollte bei aller Euphorie über die Qualitäten dieser Bereifung nicht vergessen werden, daß es sich beim Race 3 Soft um einen Sportreifen handelt, dessen Haftung bei winterlichen Temperaturen ebenso eingeschränkt ist wie seine Verschleißfestigkeit.