MOTORRAD wurde nicht müde, auf die Fahrwerksprobleme der neuen Honda Fireblade hinzuweisen. Nun hat Honda verschiedene Mittel gefunden, die den Supersportler weitgehend beruhigen.
MOTORRAD wurde nicht müde, auf die Fahrwerksprobleme der neuen Honda Fireblade hinzuweisen. Nun hat Honda verschiedene Mittel gefunden, die den Supersportler weitgehend beruhigen.
Als Honda die neue Fireblade im Dezember 2001 auf der portugiesischen Rennstrecke Estoril präsentierte, waren sich die Journalisten schnell einig. Ein tolles Sportmotorrad, endlich eine wirklich scharfe Klinge, die es locker mit den Knallern Suzuki GSX-R 1000 und Yamaha YZF-R1 aufnehmen kann. Entsprechend positiv fielen die Fahrberichte über Hondas neuen Supersportler aus.
Bei Kollege Ralf Schneider, der als einziger Testredakteur den Heimweg nach Deutschland unter die beiden Räder nahm, um Erfahrungen für den MOTORRAD-Top-Test zu sammeln, folgte dagegen schon bald Ernüchterung. Heftiges und auf verschiedenen Autobahnen reproduzierbares Lenkerschlagen bereits ab 200 km/h ließ aufhorchen. Als Messtechniker Christian Vetter schließlich die Höchstgeschwindigkeit messen sollte, kam er reichlich blass, aber ohne Messwerte von der Autobahn zurück. »Die schlägt wie wild mit dem Lenker, bei 230 km/h habe ich aufgehört.«
MOTORRAD alarmierte daraufhin sofort Honda, man traf sich zum Lokaltermin auf der A 81. Die Honda-Techniker machten die zu locker justierten Lenkkopflager der Testmaschine für den Effekt verantwortlich und versuchten, durch stärker vorgespannte Lager das Lenkerschlagen in den Griff zu bekommen. Doch wie ausgiebige Testfahrten bestätigten, ist selbst mit extrem angezogenem Lenkkopflager das gefährliche »Hochgeschwindigkeitsshimmy«, wie Honda den von anfänglichem Flattern schnell in gefährliches Lenkerschlagen übergehenden Fahrzustand definiert, nicht zu beseitigen. Abhilfemaßnahmen wurden versprochen und gleichzeitig die Händler angewiesen, die Lenkkopflager stärker vorzuspannen, obwohl sich damit das Problem nicht löst und das Handling bei niedrigen Geschwindigkeiten deutlich verschlechtert.
Kurz nach diesen Testfahrten berichtete MOTORRAD-Leser Norbert Schmitt von seiner Probefahrt mit der neuen Fireblade. Er war auf eine für ihn unerklärliche Weise gestürzt. »Ich wechselte die Fahrspur und beschleunigte moderat. Der Lenker fing zunächst an zu flattern, was sich blitzartig bis zum Vollausschlag steigerte. Ich konnte das Motorrad nicht mehr halten und stürzte.«
Norbert Köpke, General Manager Motorcycle von Honda Europe North, sieht keinen Zusammenhang zwischen dem Unfall und der von MOTORRAD und Honda festgestellten Fahrwerksinstabilität: »Wir haben versucht, dies vor Ort nachzuvollziehen und konnten selbst nach mehreren Fahrten mit verschiedenen Fahrern an der Unfallstelle das Phänomen nicht reproduzieren. Da muss etwas anderes passiert sein.« Zwei Zeuginnen, die Norbert Schmitts Unfall unabhängig voneinander aus nächster Nähe beobachtet hatten, bestätigten jedoch gegenüber MOTORRAD, dass der Lenker heftig zu schlagen angefangen hätte und die Maschine außer Kontrolle geraten sei.
In der Zwischenzeit hatte sich Tadao Baba, Schöpfer der Honda-Fireblade-Baureihe, höchstselbst mit Hochdruck um sein jüngstes Baby gekümmert und ihm Beruhigungsmittel verschrieben. Und er ließ es sich nicht nehmen, aus Japan anzureisen und MOTORRAD persönlich die Problemlösungen zu präsentieren. Erneut traf sich eine größere Honda-Abordnung mit einer nun ebenfalls größeren MOTORRAD-Abordnung auf der Raststätte Jagsttal an der inzwischen schon reichlich berühmt-berüchtigten A 81. Neben einem Motorrad im Serientrimm standen drei weitere Fireblade mit unterschiedlichen Umbaumaßnahmen zu ausgiebigen Testfahrten bereit. Bei allen drei waren die Lenkkopflager von Kegelrollen- auf Schulterkugellager umgerüstet und das Schaftrohr des Vorgängermodells eingebaut (siehe Interview). Zwei hatte Honda mit anderem Gabelöl befüllt, eine davon war außerdem mit einem anderen Vorderreifen bestückt.
Nach Tests im Hochgeschwindigkeitsbereich, aber auch auf winkligen Landstraßen dritter Ordnung kann Entwarnung gegeben werden. Keine der vorgestellten Maschinen verhielt sich noch kritisch, das Lenkerschlagen trat nur ansatzweise und gut kontrollierbar auf. Die beiden Varianten mit Serienreifen gefielen mit gutmütigen Fahreigenschaften, während die Fireblade mit Bridgestone BT 011-Vorderreifen zwar am stabilsten fuhr, aber im Handling und Komfort schlecht abschnitt. Auffallend bei allen dreien: Die Gabeln sprachen hervorragend an und ließen die Maschinen ungewohnt sanft über holprige Autobahnen mit Betonplatten gleiten. »Der Temperatureinfluss auf das Gabelöl ist enorm spürbar«, kommentierte Produktplaner Klaus Bescher. Für die Nachrüstung käme deswegen ein temperaturstabileres Öl gleicher Viskosität in Frage. Wie dem auch sei, wenn die Kunden tatsächlich so sensibel agierende Gabeln bekommen, soll es uns recht sein.
Als Resümee der Testfahrten lässt sich festhalten, dass Honda mit den präsentierten Fireblade auf dem richtigen Weg ist. Doch ein Lenkungsdämpfer bleibt für MOTORRAD nach wie vor die erste Wahl, da es in jedem Fall die wirkungsvollere Variante ist. Wie gut der Supersportler letztendlich in puncto Fahrstabilität abschneidet, muss ein Nachtest mit einer umgerüsteten Maschine aus dem Handel zeigen. Der nächste Vergleichstest kommt bestimmt. Und dann kann hoffentlich nicht nur Tadao Baba, sondern auch der Kunde beruhigt sein.
? Wie konnte es zu den Fahrwerksproblemen kommen? ! Das Entwicklungsziel seit Einführung im Jahr 1992 war es, die Fireblade in allen Kriterien ständig weiterzuentwickeln. So auch in der Fahrstabilität, was uns grundsätzlich gelungen ist. Durch die ständige Verbesserung der Stabilität können manchmal aber auch Effekte auftreten, die vorher nicht abzusehen sind, wie zum Beispiel das Hochgeschwindigkeitsshimmy auf dem speziellen Abschnitt der Autobahn A 81. ? Sie sind dort in den letzten Wochen zahlreiche Versuche gefahren. Welche Abhilfemaßnahmen haben sie erprobt? ! Wir haben viele Gegenmaßnahmen erprobt, von denen sich drei als besonders wirksam herausstellten, ohne den Gesamtcharakter der Fireblade negativ zu beeinflussen. Das Entscheidende war die Umrüstung des Schaftrohrs im Steuerkopf und der Lenkkopflagerung auf Bauteile des 2000er-Modells. Aufgrund anderer Steifigkeiten dieser Bauteile erzielten wir mit dieser Maßnahme die größten Verbesserungen. Das Gabelöl der Vorgängermodelle gleicher Viskosität, jedoch höherer Temperaturstabilität bringt vor allem bei niedrigen Temperaturen durch das bessere Ansprechverhalten Vorteile. Und der Vorderreifen BT 011 von Bridgestone sorgt vor allem bei hohen Geschwindigkeiten für zusätzliche Stabilität, verschlechtert allerdings das Handling im Vergleich zur Serienbereifung leicht. ? Welche von diesen Maßnahmen beabsichtigen Sie einzuführen und in welchem Zeitraum? ! Die Einführung der oben genannten Maßnahmen muss im Werk in Japan noch diskutiert werden. So gut wie sicher ist jedoch die Umstellung auf das Schaftrohr und die Lagerung des Modelljahrs 2000. Für den Vorderreifen werden wir eine Freigabe erarbeiten. Der Kunde kann dann selbst entscheiden, ob er seine Priorität auf Hochgeschwindigkeitsstabilität oder Handling legt. Wir werden diese Maßnahmen schnellstmöglich verabschieden und in die Serie einfließen lassen. ? Was bedeutet schnellst möglich konkret? ! In den nächsten zwei bis drei Wochen.? Gilt die Umrüstung nur für Neufahrzeuge oder auch für Kunden, die bereits eine Fireblade des Jahrgangs 2002 haben? !Eine endgültige Entscheidung ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gefallen. MOTORRAD bedankt sich für das Gespräch.