BMW M 1000 RR vs. Honda CBR 1000 RR-R Fireblade SP: Vergleich auf der MotoGP-Strecke

BMW M 1000 RR vs. Honda CBR 1000 RR-R Fireblade SP
Vergleich auf der MotoGP-Strecke von Valencia

Veröffentlicht am 19.04.2025

Auf dem Circuito Ricardo Tormo nahe Valencia kam es schon zu so manchem Showdown. Die traditionell letzte Station im Kalender der MotoGP ist bekannt für spannende Titelkämpfe. Dasselbe Ziel verfolgen heute zwei Superbike-Rivalinnen. Keine GP-Prototypen, aber die frischesten Vertreterinnen der sportlichsten Kategorie straßenzugelassener Motorräder: Hondas für 2024 überarbeitete Honda CBR 1000 RR-R Fireblade SP und BMWs 2023er BMW M 1000 RR . Welche brennt im Serientrimm die schnellere Zeit in den Asphalt und welche sichert sich über viele Runden die entscheidenden Punkte für den Sieg?

BMW M 1000: neu gestaltete Aerodynamik

Als Titelverteidigerin tritt die BMW M 1000 RR mit breiter Brust an. Und zwar wortwörtlich. Um in der WSBK endlich konkurrenzfähig zu sein, gestalteten die Münchner Ingenieure 2023 vor allem die Aerodynamik der M völlig neu. Die komplett aus Kohlefaser bestehende Verkleidung baut breit und hoch, die Winglets sind riesig, der Lufteinlass-Schlund martialisch. Auf diese Weise soll die Tausender Fahrer und Maschine auf noch höheren Topspeed katapultieren können. 218,4 Pferdestärken bescheinigt das Prüfstandsprotokoll dem mit Shiftcam-Technik versehenen Triebwerk. Die variable Ventilsteuerung auf der Einlassseite bewirkt zudem ein ausgesprochen fülliges Drehmoment bei mittleren Drehzahlen. Ein entscheidender Faktor für die Fahrbarkeit und ein Grund dafür, dass die M sich im letzten Superbike-Vergleich (MOTORRAD 12/2022) den Sieg holte.

Motorisch hält Honda mit 218,3 PS, also identischer Spitzenleistung dagegen, verzichtet aber auf variable Ventilsteuerung und wählt stattdessen ein radikales Hochdrehzahl-Konzept. Trotzdem entwickelt der konventionell zündende Reihenvierer seine volle Power bei 13.800/min und damit überraschenderweise nicht ganz so weit oben wie jener der BMW (14.200/min). Und auch die Honda-Ingenieure haben an der Aerodynamik gefeilt, schlugen dabei aber einen anderen Weg ein: Die Honda CBR 1000 RR-R Fireblade SP ist flach, schlank und stellt ihre Winglets weniger zur Schau als die M. Doch viel wichtiger: Wie groß und zu wessen Gunsten wird der Unterschied der Rundenzeiten ausfallen? Um optimale Bedingungen für die Zeitenjagd zu schaffen, montieren wir auf Honda und BMW frische Pirelli-Diablo-Superbike-Slicks (vorne in SC1-Mischung, hinten SC0). WM-Material, auf dem sich die Kontrahentinnen auch in der WSBK duellieren.

Steifes Chassis, sensible Federelemente

Die BMW M 1000 RR legt vor. Wild kreischend feuert sie im Quali-Modus die Zielgerade entlang, auf den ersten Bremspunkt zu. Hinter ihrer üppigen Verkleidung befindet man sich dabei im Auge des Tornados, hockt fast entspannt auf dem Bike, während die vollen 218 Pferde gnadenlos an der Kette reißen. Selbst beim Aufrichten des Oberkörpers am ersten Bremspunkt bei über 270 km/h wird man gut abgeschirmt. Mit hohem Speed sticht die BMW in die erste Ecke, beschleunigt noch einmal kurz durch, um hart auf die enge Kurve zwei anzubremsen. Die M-Stopper erledigen diesen Job lässig, fordern kaum Kraft am Hebel, lassen sich megapräzise dosieren und werden vom ABS im Race-Setting auch an der Grenze zum Stoppie nicht beeinflusst. Das Einlenken auf der Bremse gelingt spielerisch und die M trifft die Linie zum Scheitelpunkt beinahe von allein. Aufrichten, früh ans Gas – weiter geht’s.

Die folgenden Streckenabschnitte sind flüssiger, hartes Bremsen oder das Abrufen der vollen Leistung treten in den Hintergrund, Midrange-Power und das Handling des Bikes rücken in den Fokus. Auf ultraleichten Carbonrädern wedelt die BMW durch die Kombinationen und schmiegt sich dem Blick des Fahrers folgend eng an den Rennasphalt. Sitz und Lenker sind hoch, wodurch man nur kleine Impulse geben muss, damit die BMW M 1000 RR ihre Richtung ändert. Dank des steifen Chassis und der rennsportlich abgestimmten, wenn auch nicht gerade sensiblen Federelemente gibt’s dabei klares Feedback und vor allem Präzision. Die M hat keinen eigenen Willen, sie gehorcht einfach und fordert wenig.

BMW M 1000 RR feuert mit 1:39,635 ins Ziel

In Nullkommanix sind wir im letzten Sektor der Strecke angelangt. Dort wo die legendäre "Stoner Corner" wartet. Eine langgezogene Linkskurve, die in voller Beschleunigung über einen Hügel führt (ergo fast blind durchfahren wird) und sich am Ende in eine enge Haarnadelkurve zuzieht. Anspruchsvoll, nicht nur für MOTORRAD-Zeitenfahrer Sergio Romero, sondern auch für Fahrwerk und besonders Elektronik eines Superbikes. Die BMW M 1000 RR presst ihr Hinterrad für maximale Beschleunigung fest aufs Grau und prescht linksherum vorwärts. Obwohl sie im Gegensatz zu ihrer straßenorientierteren Schwester S 1000 RR nicht über eine Slide-Kontrolle mit Lenkwinkelsensorik verfügt, scheint die Traktionskontrolle mit dieser Fahrsituation vertraut und hält das Drehmoment nicht zurück. Das gute Gefühl für die Traktion ermöglicht es, bis an die Grenze zum Slide vorzudringen, bevor man in Schräglage anbremst und den engen Turn vorbereitet. Ob man dafür die Motorbremse lieber höher oder niedriger justiert, ist Geschmacksache. Ein letztes Mal tief Abwinkeln und das Gas anlegen. In Mapping "2" geht die M perfekt dosierbar in den Lastbetrieb über und feuert wieder auf Start/Ziel. 1:39,635 zeigt die Stoppuhr an der Linie. Wow.

Trägere Gussräder bei der Honda CBR 1000

Ob’s auch für die Titelverteidigung reicht? Die Honda CBR 1000 RR-R Fireblade SP hat was dagegen. Auch sie nimmt uns mit auf eine schnelle Runde um den Circuit Ricardo Tormo. Auf der Geraden faltet sich der spanische Racer und TT-Bezwinger Sergio zusammen, um hinter der kompakten Verkleidung der Fireblade zu verschwinden. Dabei sitzt er gefühlt eine Etage tiefer als auf der BMW M 1000 RR, ist dem Asphalt schon beim Geradeauslauf nahe. Nach dem schnellen Turn eins, in den die Fireblade mit chirurgischer Präzision hinein- und wieder herausfährt, folgt das härteste Bremsmanöver der Runde. Hier bleibt die Blade brettstabil.

Dank der überarbeiteten Ergonomie mit höheren Lenkerstummeln kann man der Verzögerung jetzt gut entgegenwirken, vorher bedeutete hart Ankern mit der Honda einen kraftraubenden Liegestütz. Um auf der Bremse einzulenken, braucht’s aber noch immer einen deutlicheren Impuls als auf der BMW, und die enge Linie der M am Kurveneingang kann die Blade nicht ganz halten. An diesem Verhalten beteiligt sind die schwereren und damit trägeren Gussräder der Honda. Außerdem möchte man in der engen Kurve zwei durch die lange Übersetzung und die im Vergleich noch immer sehr spitze Motorcharakteristik beinahe den ersten Gang wählen. Im Power-Modus "1" geht die Honda CBR 1000 RR-R Fireblade SP aus mittlerer Drehzahl zwar richtig gut vorwärts, aber an den Punch der BMW kommt sie nicht heran.

Klares Feedback, umfangreiche Elektronik

Es folgt der mittlere Teil der Strecke, dessen Fluss der Honda sehr gut liegt. Wie gehabt gibt ihr Chassis ein grandios klares Feedback und formt ein geschmeidiges Handling beim Übergang von den Brems- in die Beschleunigungsphasen. Um es zu erhalten, ist der Fahrer körperlich aber dauerhaft mehr gefordert als auf der M. Die Öhlins-Smart-EC 3-Federelemente sprechen besser an als die konventionelle Marzocchi-Hardware der BMW und lassen sich elektronisch umfangreich feinjustieren. Fahrwerksmodus "A1" mit um drei Stufen erhöhtem Beschleunigungssupport gefällt auf der engen Strecke von Valencia am besten. Durch die dann beim Beschleunigen gestraffte Dämpfung des Federbeins gibt die Honda CBR 1000 RR-R Fireblade SP vom Heck ein sehr gutes Feedback, was besonders in der nun lauernden Stoner Corner wichtig wird.

Mit etwas besserem Feeling als bei der BMW M 1000 RR, dafür weniger Drang auf die enge innere Linie durchfährt die Blade den ersten Teil. Auch ihre Elektronik lässt sich umfangreich einstellen und ist jener der BMW am Limit ebenbürtig. Besonders beim ABS machte Honda mit dem neuen "Race"-Modus einen Schritt nach vorne. Auch beim letzten Bremsmanöver in Schräglage spürt man keinen unangenehmen Eingriff in die Arbeit der ohne Stahlflexleitungen auskommenden Brembo-Bremse. Ihre Dosierbarkeit ist ebenso gut wie bei der BMW M 1000 RR, der Kraftaufwand minimal höher, und nach zwischenzeitlichem Entlüften in der Box (danke an die Brembo-Kollegen) bleiben die Stopper auch bei Renntempo standfest.

38.000 Euro für die BMW M 1000 RR

Die Honda CBR 1000 RR-R Fireblade SP biegt wieder auf die lange Gerade ein. Drei, zwei, eins – klick. Ob sie schneller war? Muss der Blick ins Data-Recording zeigen. MOTORRAD Chef-Tester Karsten steckt den 2D-Stick ein: Nein. 1:40,460. Nur einen Wimpernschlag langsamer, bestätigt sich das direkt bei der Einfahrt in die Box geäußerte Gefühl von Zeitenfahrer Sergio."Die Honda ist schwieriger schnell zu fahren, mit der BMW war es im Vergleich kinderleicht."

Dieser Eindruck festigt sich bei den folgenden Stints. Wenn es nicht um einen Umlauf, sondern einen 20-Minuten-Turn geht, verlangt die Fireblade nach einem hohen Fitnesslevel. Die BMW macht es leichter, sich gegen die Längsbeschleunigungen zu stemmen und enge Linien zu halten, was sich auf Dauer im Speed bemerkbar macht. Bedeutet, dass die BMW M 1000 RR sich neben der Bestzeit in fast allen anderen Kapiteln ein paar Pünktchen mehr als die Fireblade holt und den Testsieg einstreicht. Die Honda sitzt ihr bei der Zeitenjagd dicht im Nacken, sie ist in den Händen eines erfahrenen und fitten Racers ebenfalls pfeilschnell, doch insgesamt nicht so zugänglich. Im Vergleich zur mit M-Competition-Paket über 38.000 Euro teuren BMW aber beinahe günstig. Dem Honda-Käufer bleiben gut 10.000 Euro übrig, die in Fahrzeit, Reifen und Sprit investiert werden können.