Tracktest BMW HP4, Racefoxx- und alpha Racing-BMW S 1000 RR
Bayrische Brenner im Tracktest

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BMW S 1000 RR und HP4 geben den Ton bei den Superbikes an. Im Rahmen des PS-TunerGP treffen zwei getunte Modelle von Racefoxx und alpha-Racing auf eine HP4.

Bayrische Brenner im Tracktest
Foto: jkuenstle.de

Racefox BMW S 1000 RR

Die Dominanz von BMW S 1000 RR und BMW HP4 bei den Sportlern ist erschreckend. Doch trotz ihrer überlegenen Leistung sind die BMWs keine perfekten Motorräder. Schließlich müssen sie den Spagat zwischen Straßenfahrer und Racer hinbekommen, was nicht wirklich einfach ist. Wohl dem, der eine reine Rennfeile haben will. Denn die Tuner-Gemeinde hat für die BMW-Geschwister mittlerweile reichlich Gestaltungsspielraum geschaffen. Zwei interessante Vertreter der Szene fanden ihren Weg zum PS-TunerGP 2013 in Hockenheim und durften zeigen, was sie auf dem Kasten haben. Mit dabei, quasi als serienmäßiges Referenz-Motorrad, eine BMW HP4. Wie wird dieses spannende Kräftemessen ausgehen?

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Bayrische Brenner im Tracktest
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Racefoxx BMW S 1000 RR

Das Racefoxx-Headquarter steht in Remscheid und wird von Steve Litschka und Christian Kühnen geleitet. Beim Aufbau ihres TunerGP-Projekts auf Basis der BMW S 1000 RR einigten sich die beiden auf folgende Parameter: einzigartige Optik, sehr gutes Preis/Leistungs-Verhältnis und gesteigerte Performance.

Punkt eins im Lastenheft wurde mit Erfolg und weithin sichtbar erledigt. Die Racefoxx-BMW, genannt „Stealth-Beemer“, sticht in ihrer matten Karbon-Optik aus der Masse heraus. Wer nun denkt, dass hier lediglich ein Satz China-Plastik an die BMW wanderte, der irrt gewaltig. Denn das Karbon-Kleid ist eine komplette Eigenentwicklung. Mit einem Designer zusammen entwarf Ingenieur Kühnen an einem „Clay-Model“ (Ton-Modell) die neue Linie, griff hier Details der BMW S 1000 RR auf und mixte sie dort mit denen des für Radar fast unsichtbaren Stealth-Bombers Northrop B-2 der US-Airforce.

Sehr markant fällt der Sitzhöcker aus. Dessen V-förmiger Abschluss nimmt die Form des Fliegers auf. Ein kleines, aber gemeines Detail findet sich an den Seitenverkleidungen. Die polarisierenden Kiemen der BMW S 1000 RR finden sich nun auf beiden Fahrzeugseiten wieder. Sie gänzlich wegzulassen kam Kühnen nie in den Sinn, schließlich machen genau solche Merkmale die BMW einzigartig.

Zur matten Optik liefert der Ingenieur Hintergrundwissen: Karbon wird von den UV-Strahlen des Sonnenlichts angegriffen und zersetzt. Um dies zu verhindern sind „normale“ Karbonteile mit einem Klarlack mit UV-Filter überzogen und glänzen deswegen. Racefoxx schützt seine Bauteile zwar auch mit lackiertem UV-Filter, wendet aber eine andere Lackiermethode an, wodurch der Matt-Look entsteht. Muss dieser teuer erkauft werden? Litschka verneint, denn sollten mehrere Bestellungen für den „Stealth-Kit“ eingehen, werden die Teile in Serie gefertigt. Momentan ist der komplette Satz mit 1100 Euro kalkuliert. Womit Punkt zwei im Lastenheft, das attraktive Preis/Leistungs-Verhältnis erreicht wäre. Bleibt noch der dritte Punkt, die gesteigerte Performance.

Die Angaben sind vielversprechend

Fahrwerk und Motor des Stealth-Projekts wurden von Andreas Reh von Rehcing optimiert. Die Standrohre der Gabel wurden DLC-beschichtet, die Innereien überarbeitet. Das Federbein stammt von Wilbers und ist IDM-mäßig abgestimmt. Brembo M4 100-Bremszangen und OZ-Schmiederäder ersetzen die Originalteile, während ein selbst gefertigtes Auspuffmittelrohr die Abgase über einen Suzuki GSX-R 750-Karbon-Endtopf entsorgt. Am Motor der BMW S 1000 RR bearbeitete Reh den Zylinderkopf. Glättete Übergänge, wo es sie am ohnehin schon präzise gefertigten Zylinderkopf zu glätten gab, erhöhte die Verdichtung und passte das Mapping der Einspritzung auf die veränderte Hardware an. Dabei verwendete er einen sogenannten „Rexxer“, mit dem auf die Software im originalen Steuergerät zugegriffen werden kann. Auf dem unbestechlichen Rollenprüfstand liegen dann 209 PS an der Kurbelwelle an. Was in Verbindung mit den 192 Kilogramm der ebenfalls unbestechlichen Waage vielversprechend ist.

Der moderat modifizierte Motor legt im Verhältnis zum Serienmotor oben noch zehn PS drauf. Das macht auf der Renne Sinn und vor allem Spaß.

Auf dem Ring dann die Bestätigung: Knackig-straffes Fahrverhalten gepaart mit fettem Schub sorgen auf Anhieb für ein besseres Feedback und flottere Rundenzeiten als auf der serienmäßigen BMW HP4. Allerdings muss man dafür mehr ackern. In der Box dann die Analyse: Die Lenkerhälften sind zu eng gepfeilt, deshalb ist der Hebel zu kurz und man muss beim Schräglagenwechsel zu viel Kraft aufwenden. Das Aufspreizen der Lenkerhälften bringt das gewünschte Ergebnis: Die Racefoxx biegt nun so dynamisch ab wie die HP4 und lässt ihr beim Rausbeschleunigen aus der Ecke keine Chance mehr. Trotz der Brembo M 100-Bremssättel ist das Faden der Vorderradbremse geblieben. Wie an der BMW HP4 lässt die Bremse nach vier scharfen Runden nach und bleibt dann für den Rest des Turns stabil - das ist nicht ganz glücklich, aber nicht gefährlich. In der Summe ist der Stealth-Beemer auf Basis der BMW S 1000 RR von Racefoxx also nicht nur individuell, sondern auch schnell.

alpha Racing BMW S 1000 RR

Das niedliche Alpha-Tier steht vor mir, ich starre es an. Zweihundertsiebenunddreißig PS drückt diese BMW S 1000 RR an der Kupplung ab! Zweihundertsiebenunddreißig Pferdestärken! Hätte jedes dieser Pferde vier Beine und den Platzbedarf von zweieinhalb Quadratmetern, müsste unsere Stallung knapp 600 Quadratmeter groß sein, um sie alle unterzubringen. So aber reichen uns zweieinhalb Quadratmeter in einer Box, um diese Horde zu versammeln. Zweihundertsiebenunddreißig PS. In Hockenheim. Auf Pirelli-Slicks. Wo soll das nur enden?

Die Gedanken drehen sich im Kreis. Manchmal zucken Blitze durch das Kleinhirn: Schaffe ich es mit dieser Leistung meine persönlich beste Rundenzeit zu knacken? Oder reißt mir das Vieh einfach nur die Arme aus? Oder knicken die beim Anbremsen der Spitzkehre gar wie Streichhölzer zusammen? Es bleibt nur eins: Find’s heraus, Mann!

Neukalibrierung der Sinne auf der alpha-Racing BMW S 1000 RR

Sehr früh und hart greift die Kupplung der alpha Racing-BMW S 1000 RR. Wie soll man damit einen vernünftigen Rennstart hinlegen? Egal, das hier ist kein Rennen. Ich rolle mit leicht erhöhter Standgas- drehzahl aus der Box. Keine 30 Sekunden später fliege ich das erste Mal durch die Parabolika, genieße diesen tierischen Schub und bringe mit einem konservativen Bremspunkt die Beläge auf Temperatur. Im zweiten Gang durch die Spitzkehre geht gut, null Wheelie-Neigung beim Aufziehen. Dachte ich zumindest - bis der Hammer im oberen Drehzahlviertel kommt und furchtbar anreißt. Dank des perfekt abgestimmten Schaltautomaten flutschen die Gangwechsel präzise, geht es in beängstigender Geschwindigkeit durch den schnellen Rechtsknick. Uff! Wieder hartes Anbremsen und Umlegen, gefolgt von sanftem Aufziehen der Drosselklappen. Und wieder setzt der Zeitraffer ein, steigt der Puls. Ich verwende den kompletten ersten Turn darauf, mich auf die alpha Racing-S 1000 RR einzustellen. Sondiere das Feedback des knackigen Fahrwerks, speichere den Kraftaufwand beim Umlegen und die Handkraft beim Bremsen ab. Und dann brauche ich eine kleine Pause. Trotz meiner schneckenmäßigen Rundenzeiten um die 1.50 min bedarf es auf der alpha Racing-BMW einer Neukalibrierung der Sinne.

Diese erfolgt pünktlich zum zweiten Test-Turn. Der Rhythmus passt so langsam. Mit fliegenden Fahnen, aber das erste Mal seit der Erfindung des PS-TunerGP mit nur 95 Prozent geöffneten Drosselklappen düse ich im sechsten Gang durch die Parabolika. Leichtes Rühren im Heck deutet an, dass das Bitubo-Federbein richtig Druck bekommt, der Reifen verzweifelt nach Grip sucht. Die alpha Racing-Rakete zieht und zieht. Ein neugieriger Blick auf das Racing-Dashboard, und mir bleibt kurz vor dem Bremspunkt beinahe das Herz stehen: 317 km/h stehen da. Ankern! Ankern! Ankern! Brembo-Sättel und alpha Racing-Scheiben finden zueinander, stehen ihren Mann und bringen Pilot und Bike in Nullkommanix auf eine überlebensfähige Einlenkgeschwindigkeit für die Spitzkehre. Wow, jede Runde mit der selben, unnachgiebigen Performance - das ist wirklich mal eine standfeste Bremse!

alpha-Racing S 1000 RR kostet zwischen 50 000 und 60 000 Euro

Ein stärkeres Superbike gab es bei PS noch nie auf dem Prüfstand. 237 unglaublich gut fahrbare PS drückt die alpha Racing-S 1000 RR auf die Rolle.

Dem zweiten Turn folgt ein dritter und mit ihm die Erkenntnis, dass es sich nicht lohnt, vor 237 PS an der Kupplung Angst zu haben. Im Gegenteil: So wie alpha Racing die S 1000 RR aufgebaut hat, lässt sich mit der Waffe sogar ganz entspannt und sicher fahren. Man kann am Kurveneingang das Risiko gering halten, denn die nächste Gerade kommt bestimmt.

Hier alle technischen Veränderungen der S 1000 RR aufzulisten ist schlichtweg unmöglich. Wichtig und schön sind vor allem zwei Dinge, die der Projektverantwortliche Jens Hainbach verspricht. Erstens: Jeder kann so ein Motorrad, so ein Fahrwerk oder so einen Motor bei ihm bestellen, denn alpha Racing kann aus jeder S 1000 RR eine derartige Boden-Boden-Rakete machen. Abhängig vom Budget, bereits erfolgten Umbauten oder Wünschen, werden individuelle Pakete geschnürt. Wer ein fertiges Gesamtpaket auf Augenhöhe des hier getesteten Bikes auf Basis einer neuen S 1000 RR haben will, muss allerdings tief in die Tasche greifen. Zwischen 50 000 und 60 000 Euro wandern dafür über den Tresen. Zweitens: Man braucht keine Angst vor 237 PS haben. Man sollte sich nur etwas Eingewöhnungszeit geben und immer Respekt vor der Power haben - mehr nicht.

Und wie fühlt sich eine serienmäßige BMW HP4 im Vergleich zu dem Alpha-Tier auf Superbike-WM-Niveau an? Ungefähr wie ein ausgelutschter Turnschuh im Vergleich zu nagelneuen Sprint-Spikes.

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Erscheinungsdatum 13.09.2023