Vergleichstest Big Twins

Vergleichstest Big Twins Atemtechnik

Die drei Vau-Zwo-Motoren unter der Lupe.

Keine Ausreden mehr. Keine Reihenvierzylinder-Äpfel müssen mehr mit V-Zweizylinder-Birnen verglichen werden. Keine Chance mehr, Schwächen hinter angeblich konzeptbedingten Nachteilen zu kaschieren. Jetzt gilt`s: Japanische Motorbaukunst trifft im direkten Vergleich auf die italienische.
Ausgangsbasis für den sportlichen Wettstreit sind 90-Grad-V-Triebwerke, deren querliegende Kurbelwellen jeweils zwei Kolben über einen Hub von 66 Millimetern in Rotation versetzen. Während die Kolben in der Ducati und der Suzuki diese Strecke in beschichteten Aluminium-Laufbuchsen zurücklegen dürfen, setzt Honda auf bewährten, billigen Grauguß und nimmt damit den Nachteil der schlechteren Wärmeabfuhr vom Kolben auf die Zylinderwand in Kauf.
Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum die Honda-Ingenieure ihrem V2 geringere Kolbengeschwindigkeiten zumuten und den roten Drehzahlbereich schon bei 9500/min beginnen lassen - ihre Kollegen von Ducati und Suzuki setzen diese Marke 500/min später.
Um den Brennraum möglicht kompakt zu gestalten, stehen die Ein- und Auslaßventile bei den beiden Japanern in einem Winkel von nur 28 und 29 Grad zueinander. Bei der Ducati beträgt der Winkel 40 Grad - ein Nachteil der frühen Geburt, die Konstruktion des 916-Zylinderkopfs beruht auf dem früheren 888-Motor.
Doch kommen wir zum Kernpunkt der Sache, zur Leistungsausbeute. Sie hängt entscheidend davon ab, wieviel Kraftstoff/Luftgemisch der Motor pro Zeiteinheit inhalieren und in nutzbare Arbeit umsetzen kann. Eine hohe Spitzenleistung bedingt folglich möglichst große freie Ventilquerschnitte, um das Triebwerk ungehemmt atmen zu lassen und somit eine optimale Füllung der Zylinder mit Frischgas zu gewährleisten. Auf den ersten Blick spricht hier alles für die Suzuki und ihre 124 PS, doch unter Berücksichtigung des Hubraumnachteils von 80 cm³ bei der 916 und auf den gemeinsamen Nenner der spezifischen Leistung gebracht, wendet sich das Blatt zugunsten der Italienerin: Mit 126 PS pro Liter Hubraum liegt sie knapp vor der Suzuki. Vorteil durch Desmo?
MOTORRAD ging der Sache nach, nahm bei den drei Motoren die Ventilsteuerzeiten ab, und siehe da: Die über je zwei obenliegende Nockenwellen und Tassenstößel betätigten Ventile der Honda und der Suzuki öffnen und schließen sogar schneller als die der Ducati, wie der steilere Anstieg und der steilere Abfall ihrer beiden Ventilerhebungskurven belegt. Der theoretische Vorteil der Desmodromik, durch die Zwangssteuerung höhere Ventilbeschleunigungen zu realisieren, wird zumindest bei der Strada nicht genutzt. Es bleibt also nur der Vorteil der geringeren Reibungsverluste im Ventiltrieb und der Nachteil der sieben Millimeter dicken Ventilschäfte, um trotz der Nut für den Schließmechanismus keine abgerissenen Ventile zu riskieren.
Mit Ausnahme der länger geöffneten Einlaßventile bei der Ducati (sie schließen erst 80 Grad vor dem oberen Totpunkt!) liegen die Öffnungs- und Schließwinkel der drei Motoren eng beieinander. Bei den Ventilhüben tanzt die Honda aus der Reihe: Während es die TL 1000 und die 916 mit 9,6/9,5 Millimeter einlaßseitig und 8,7/8,6 Millimeter auslaßseitig bewenden lassen, drücken die VTR-Nocken die Ein- und Auslaßventile knapp zehn Millimeter weit in den Brennraum. Dadurch kann die Honda trotz ihrer 38er Einlaßventile im freien Ventilquerschnitt fast zur Suzuki mit ihren 40er Ventiltellern aufschließen. Nach dem Motto »Was rein geht, muß auch wieder raus« setzt die Firestorm beim freien Auslaßquerschnitt sogar die Bestmarke.
Laut Leistungsdiagramm tobt trotzdem ab 6500/min der größere Feuersturm im Suzuki-Brennraum. Das liegt vor allem an den mächtigen Saugrohren mit 52 Millimeter Durchmesser, über die ihre beiden Zylinder selbst bei hohen Drehzahlen noch kräftig Luft holen können.
Dies führt uns zur eingangs gestellten Frage zurück: Wie kommt`s, daß die Duc in der Literleistung die Suzuki übertrumpft? Hier spielt wohl die Entsorgung der verbrauchten Luft über die Auspuffanlage und der dabei entstehende Lärm die entscheidende Rolle: Um der 916 die vorschriftsmäßigen 80 dB(A) abzunehmen, muß ein Prüfer schon beide Augen zudrücken. Die beiden Japaner sind deutlich leiser, folglich stärker zugestopft und in ihrer Atmung behindert.
Noch wasInteressantes am Rande: Bei den Messungen der Ventilsteuerzeiten stellte MOTORRAD fest, daß Honda neben zwei unterschiedlich langen Saugrohrstutzen außerdem am vorderen und hinteren Zylinder Ein- und Auslaßnocken mit unterschiedlich steilen Anstiegen einsetzt, um das Konstantfahrruckeln zu unterdrücken. Zum gleichen Zweck wurden bei der Ducati die Einlaßsteuerzeiten des vorderen Zylinders zu denen des hinteren um etwa drei Grad Kurbelwinkel verschoben, während Suzuki das lästige Phänomen bei Zweizylindermotoren mit unterschiedlichen Einspritzkennfeldern für die beiden Zylinder bekämpft. rb

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