Vergleichstest Ducati 750 SS gegen Laverda 668

Vergleichstest Ducati 750 SS gegen Laverda 668 Rote Flotte

Nach geglücktem Stapellauf schwimmt die neue Laverda 668 ganz im Fahrwasser der Ducati 750 SS. Kann der sportliche Twin an dem bewährten V-Zweizylinder vorbeiziehen?

Die Ampel zeigt Rot. Trotzdem hupt ein Autofahrer. Leicht ungehalten schaut der Fahrer der Ducati 750 SS zu ihm rüber. Doch der ältere Herr in der biederen Limousine strahlt, kurbelt die Scheibe runter, weist mit dem Daumen nach oben, schreit gegen Verkehrslärm und den polternden V-Twin an. » Mein Sohn und ich wollen uns jetzt auch eine kaufen. So `ne Ducati, die hat was. Ist auch eine ganz besondere Philosophie, einen Italiener zu fahren, nicht wahr.« Die Ampel springt um auf Grün, bevor der Ducati-Fahrer etwas erwidern kann. Denn wer heute auf der Suche nach einem sportlichen, bezahlbaren italienischen Motorrad ist, muß sich nicht mehr zwangsweise für die Ducati 750 SS entscheiden.

Mittlerweile bietet auch die traditionsreiche Marke Laverda wieder ein neues Modell an, die - allerdings mit einer betagten Motorenkonstruktion aus den 70er Jahren, dem Paralleltwin der zuletzt erfolglos gebauten SFC 600 - besseren Zeiten entgegenzugehen hofft. Nur optisch geschönt, nennt sich der jüngste Sproß, nach 650 Sport und Formula 650 nun 668.Von vornherein schon abgeschlagen ist die Laverda deshalb keineswegs. Denn erstens ist auch der 750er V-Twin eine längst nicht mehr taufrische Konstruktion, und zweitens äußerst sich der Spaß am motorisierten Zweirad schon lang nicht mehr allein am perfekten Fahrverhalten und der geschmeidigen Laufkultur moderner Motorradkonstruktionen.

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So weiß zwar jeder um das nervtötende Schieberuckeln und die kräftezehrende Kupplung des luftgekühlten Zweiventil-V-Twins der Duc, was Stadtfahrten und Kolonnenfahrerei zu einer schmerzhaften Geduldsprobe ausarten läßt. Doch das dumpfe Grollen des Twins mit desmodromischer Ventilsteuerung, das nicht nur die Drehzahlmessernadel in Schwingungen versetzt, versöhnt und macht so manche Unart schnell vergessen.

Genau in diese Kerbe schägt auch der Paralleltwin der Laverda. Zündung an, leise zirpt die Benzinpumpe. Jetzt der E-Starter. Heftig rumpelnd und mit harten Tönen bellt der immerhin vierventilige Motor los, als gäbe es ab der ersten Sekunde nach dem Start bereits Preise zu gewinnen. Eine elektronische Saugrohreinspritzung, einem Herzschrittmacher gleich, hält den Motor auf quirlige Weise am Leben. Mit jedem Gasstoß faucht der Twin aus seinen Endrohren, als gelte es Feinde zu vertreiben - ein Drehzahlstakkato, das müde Männer munter macht. Was an der 750 SS nicht paßt, macht auch der 668 zu schaffen, als hätten sich die Konstrukteure von Ducati und Laverda abgsprochen: Unter 2500/min ruckelt der Twin und peitscht auf die Kette ein, ärgert die hakelige Schaltung, daß Langsamfahren zur Qual wird. Den Rest erledigt die schwergängige Kupplung, die mit schlechter Dosierbarkeit und kurzem Arbeitsweg den Eindruck erweckt, als sei man auf einem Reit- und Springturnier. Doch damit sind bereits die wesentlichen, gemeinsamen Schwächen der 750 SS und 668 aufgezählt. Die Art der Leistungsentfaltung beider Zweizylinder ist Charaktersache. Und die äußerst sich bei beiden Sportlern auf ganz unterschiedliche Weise.

Zunächst aber der Gang zum Leistungsprüfstand. Die nominell 66 PS starke Ducati und mittlerweile laut Fahrzeugschein nur noch 64 statt 70 PS starke Laverda sind für das erste Kräftemessen gut vorbereitet. Die vergleichsweise füllige Leistungskurve des V-Twin weist erst bei 68 PS und einer Drehzahl von 7400/min langsam nach unten, während der deutlich hubraumschwächere Parallel-Twin Kurs auf Spitzbergen nimmt. Nach einem Leistungsloch bei 4000 steigt die Kurve rasant an, um nach 7700/min wieder genauso rasant auf Talfahrt zu gehen. Auf der Spitze registriert der »Höhenmesser« ganze 74 PS. Ob das so seine Richtigkeit hat?

Die Praxis bestätigt, was die beiden Leistungskurven schon andeuteten. Der Laverda-Twin entwickelt im unteren Drehzahlbereich keinerlei nennenswerte Leistung. Es reicht zwar, um im Verkehr mitzuschwimmen oder auf der Landstraße dahinzubummeln, aber beim plötzlichen Gasaufziehen von nennenswertem Vorwärtsdrang zu reden wäre maßlos übertrieben. Erst wenn um einige Stufen zurückgeschaltet wird, erwacht der Twin aus seinem Dornröschenschlaf. Ab 5000/min drückt es den Hintern des Piloten gegen das Polster der Höckerbank, werden die Arme lang und das Vorderrad leicht. Die Drehzahlmessernadel schnellt auf 8000 zu, verharrt, obwohl der Twin spürbar weiter dreht. Spinnt die Nadel? Nach Stunden zeigt auch die Öltemperatur noch 40 Grad. Naja, die Liebe zum Detail war noch nie Sache der Italiener. Die Laverda will, nein muß auf Teufel komm raus geschunden werden. Und es macht Spaß. Jede Menge, gar keine Frage.

Dagegen fährt sich die kleine Ducati, pardon, wie ein dicker Trecker. Ist der Drehzahlbereich unter 3000/min erst mal überwunden, schiebt der V-Twin bei jeder Drehzahl grollend vorwärts. Ganz gleich, in welcher Gangstufe man sich befindet, stets gewinnt man den Eindruck, im richtigen Moment am Leistungstropf zu hängen. Um schwungvoll - wenn auch nicht ganz so heftig wie die Laverda - vorwärtszukommen, muß die hakelige Schaltbox nur halb so oft bemüht und das nutzbare Drehzahlband nicht bis zum letzten Teilstrich auf der Instrumenten-Skala ausgewrungen werden.

Die Fahrleistungswerte verdeutlichen die unterschiedlichen Temperamente von 668 und 750 SS. So sieht der Ducati-Fahrer bei voller Beschleunigung auf 160 km/h kaum mehr das Rücklicht der Laverda. Andererseits zieht der kräftige V-Twin selbst mit zwei Personen besetzt dem Solisten auf der 668 beim Herausbeschleunigen im letzten Gang, etwa von 60 auf 160 km/h, auf Nimmerwiedersehen davon.

So unterschiedlich die Charaktere der Motoren sind, so unterschiedliche Fahrwerksphilosphien vertreten die Ducati und Laverda. Der Gitterrohrrahmen mit Dreiecksschwinge der 750er ist mit recht simplen Federungskomponenten bestückt, während die Laverda mit einer kostspieligen Brückenrahmen-Konstruktion aus Alu-Profilen, einer teuren, vielfach verstellbaren White Power-Gabel und einem nicht minder aufwendigen Zentralfederbein gleichen Herstellers die Obergrenze modernen Fahrwerksbaus widerspiegelt.

Der Aufwand macht sich bezahlt. Die Laverda läßt sich über einen weiten Einsatzbereich bis hin zu sehr sportlicher Fahrweise abstimmen und überzeugt durch einen hohen Federungskomfort. Schlechte Fahrbahnbeläge scheint die sensibel ansprechende Upside-down-Gabel überhaupt nicht zu kennen. Dank des gut gedämpften Zentralfederbeins hält auch das fünf Zoll breite Hinterrad mit dem 160er Pneu hartnäckig Kontakt zu extrem welligen Pisten. Allerdings stellt die bei harten Bremsmanövern tief abtauchende Gabel die Zielgenauigkeit der 668 bisweilen auf die Probe. Bis auf dieses kleine Manko erlaubt sich das Laverda-Fahrwerk keine Schwächen. Am überraschend leichten Handling und der Fahrstabilität gibt es nichts zu kritisieren, wobei die montierten Pirelli MTR 01/02 ihren Teil dazu beitragen.

Mit der Reifenwahl legt das Ducati-Fahrwerk bereits seine erste Schwäche offen. Die serienmäßig montierten Michelin A/M 89 zehren an der Zielgenauigkeit und Handlichkeit des Fahrwerks, vermitteln ein schwammiges, indifferentes Fahrverhalten und lassen auf kurvenreichen Straßen nie so recht Freude aufkommen. Daß die Duc auch anders kann, beweisen aufgezogene Reifenpaarungen wie die Bridgestone BT 50 oder Dunlop Sportmax. Die Handlichkeit der Laverda erreicht das Duc-Fahrwerk allerdings nicht. Und schon gar nicht den Komfort. Die straffe, nicht veränderbare Fahrwerksabstimmung genügt zwar den durchaus sportlichen Ambitionen der 750 SS, aber auf schlechten Straßen wirkt die Gabel stuckrig und neigt zum Lenkerschlagen. Mangels ausreichender Progression kann es bei hartem Einsatz gelegentlich vorkommen, daß sie durchschlägt.

Bei den Bremsanlagen kann weder die 750 SS noch die 668 überzeugen. Bei beiden verlangen die Brembo-Vierkolbensättel nach hohen Handkräften, bevor sie an den 320er Bremsscheiben richtig zupacken. Und um die gute Dosierbarkeit ist es bei der Laverda noch schlechter bestellt als bei der Ducati.Aber auch mit anderen Dingen muß man wohl bei italienischen Motorrädern leben. Die übersichtlich aufgebaute Ducati leistet sich etwa den Luxus eines wackeligen Seitenständers, so daß es nur eine Frage der Zeit sein kann, wann die holde Italienerin zu Boden schmettert. Im Zuge einer anschließenden Neulackierung der Verkleidungsteile sollte man gleich den Rahmen mit in Auftrag geben. Denn dem Lira-Verfall fiel nicht nur die Alu-Schwinge (jetzt aus Stahl), sondern auch die werterhaltende Grundierung des Gitterrohrgeflechts zum Opfer.

Zwar kommt die Laverda mit ihren vielen edlen Anbauteilen angesichts des gerade mal 100 Mark teureren Einstandspreises gegenüber der Ducati einem Sonderangebot gleich, doch scheinen die Verkleidungsteile eher drangeklatscht statt ordentlich zusammengefügt zu sein. Die teils ungenau anzeigenden Instrumente kollidieren bei voll eingeschlagenem Lenker mit den Armaturen an den verchromten Tommasellis, und der Tank ist über den Einfüllstutzen im Heck auch nicht ganz problemlos zu befüllen. Bei vollem Spritfaß sprudelt über die Entlüftung nicht selten der Kraftstoff wie heißes Wasser aus einem Geishir.

Aber angesichts solcher Charakterköpfe fällt es bisweilen leichter, über die ein oder andere Schwäche hinwegzuschauen. Und schließlich ist es ja eine ganz besondere Philosphie, einen Italiener zu fahren. Der kann jetzt aber auch Laverda heißen.

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