Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Heißt es. Entsprechend zelebrierte Honda im Rahmen des Grand Prix von Catalunya die Vorstellung der RC213V-S. Denn sie ist nicht weniger als ein MotoGP-Bike für die Straße.
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Heißt es. Entsprechend zelebrierte Honda im Rahmen des Grand Prix von Catalunya die Vorstellung der RC213V-S. Denn sie ist nicht weniger als ein MotoGP-Bike für die Straße.
Als 2002 die Viertakt-Ära in der MotoGP begann, zog Honda ein unerwartetes Ass aus dem Ärmel. Die von einem V5-Motor befeuerte RC211V erwies sich als kleiner Geniestreich und dominierte die Premierensaison nach Belieben.
Fans und Fachwelt waren verzückt, der Ruf nach einem straßentauglichen Ableger ließ nicht lange auf sich warten. Dieser kam aber nicht. Stattdessen bediente Ducati fünf Jahre später betuchte Fans mit der Desmosedici RR. Honda hielt sich bedeckt. Bis man vor drei Jahren die Planung eines MotoGP-Ablegers für die Straße begann.
Der erste Vorbote stand letzten Herbst in Form eines Prototyps auf der Mailänder EICMA. Und nun lüftete Honda im Rahmen des Catalunya-GP endgültig den Schleier.
Die ganz klare Botschaft von Honda: Ein reinrassiger MotoGP-Ableger sei die RC213V-S. Weitestgehend baugleich und mit derselben Technik bestückt. Nur ergänzt durch das Nötigste wie Licht, Anlasser, Spiegel, Seitenständer oder leisen Auspuff, um die Zulassungshürden zu nehmen und die Zuverlässigkeit im Straßenbetrieb zu gewährleisten. Dass neben sämtlichen Projektleitern aus Japan auch die Werkspiloten Dani Pedrosa und Marc Márquez zu diesem Ereignis erschienen, dazu Casey Stoner am Rennsonntag eine Demo-Runde drehte, zeigt, welchen enormen Stellenwert Honda diesem Imageträger beimisst.
Die Ausgangsbasis der RC213V-S: die Werks-RC213V, mit der Márquez 2013 und 2014 die WM dominierte. Die Begeisterung wird allerdings kurzfristig durch die Leistungsdaten etwas gedämpft. 159 PS soll die Straßenversion leisten, 215 werden durch den Rennkit entfesselt.
Bei der RC213V-S ging es, beruhigt Honda, nicht darum, die Leistung eines MotoGP-Renners zu liefern, sondern vielmehr die Wendigkeit und die Fahrdynamik eines MotoGP-Motorrads als Ganzem. Und dafür seien auf der Straße 159 PS allemal genug. Denn viel wichtiger sei die Balance, die ausgeklügelte Schwerpunktlage sowie richtigen Steifigkeiten und nicht zuletzt geringes Gewicht. Testfahrer Shin’ichi Itō soll in Sugo mit der 159-PS-Variante ganze zwei Sekunden schneller gewesen sein als mit einer Fireblade. Andererseits sollten die RCV1000R der MotoGP-Kundenteams in der Open-Class ja auch kaum langsamer sein als die echten Werksrenner.
Dennoch: 170 Kilo trocken im Straßen-, 160 Kilo im Renntrimm sind eine sehr ernsthafte Ansage. Zumal die Honda-Argumentation durchaus Sinn macht. Denn in der Tat spielt in der MotoGP nicht nur schiere Leistung, sondern vor allem die viel beschworene Fahrbarkeit eine zentrale Rolle. Die MotoGP-Raketen sind in puncto Wendigkeit, Kurvenwilligkeit und messerscharfer Präzision – schlicht in ihrem ganzen Fahrverhalten – eine eigene Liga und bieten ein derart faszinierendes Fahrgefühl, das auch ein sorgsam gepimptes Serienbike nicht erreicht.
Ergo entsprechen Rahmenlayout, Schwinge samt Umlenkung, Tankform und -platzierung, Sitzposition sowie Schwerpunktlage und Massenverteilung weitgehend der Rennmaschine. Wie auch der 90-Grad-V4. Natürlich muss er auf das Seamless-Getriebe und die Pneumatik im Ventiltrieb verzichten. Und freilich trägt er der Standfestigkeit wegen Kolben mit drei Ringen. Doch ansonsten entspricht das Layout des V4 dem des Rennaggregats. Zahnradkaskaden treiben die Nockenwellen an, der V4 ist ultrakompakt, seine Kurbelwelle mit Titan-Pleueln bestückt, und eine Trockenkupplung stellt den Kraftschluss her. Der Hubzapfenversatz beträgt 360 Grad. Damit dürfte er ebenso knurrig klingen wie die legendären RC30. Die Wasserpumpe wird von der Auslassnockenwelle der vorderen Zylinderbank angetrieben.
Der Alu-Tank fasst zwar nur 16,3 Liter (MotoGP: 20 Liter), ist aber ansonsten in Form und Einbaulage identisch. Ebenso das Chassis mit seinen weit heruntergezogenen vorderen Motoraufhängungen und die wuchtige Alu-Schwinge. Geschmiedete Magnesium-Räder sind ein Leckerbissen in Serie und tragen ihren Teil dazu bei, dass das Trägheitsmoment der Maschine bei schnellen Richtungswechseln im Renntrimm „verdammt nah an einem echten MotoGP-Bike“ liegt, so Honda.
Dass sich der Hauptteil des Tanks schwerpunktgünstig wie bei den MotoGP-Bikes unter dem Fahrersitz befindet, wo unterschiedliche Füllstände den geringstmöglichen Einfluss auf das Fahrverhalten haben, ist da nur ein weiterer Mosaikstein. Jede Zylinderbank verfügt über einen eigenen Auspuffstrang, deren Vorschalldämpfer so klein wie möglich ausfielen. Der untere schmiegt sich ganz eng an den Motor und die tief gezogene Ölwanne.
Feinste Racing-Ware findet sich auch bei den Öhlins-Federelementen. Allein die sündteure TTX25-Gabel ist ein Hingucker. Dazu Titan-Schrauben, wohin das Auge blickt. Traktions- und Wheelie-Kontrolle sollen auf dem Stand der GP-Renner sein. ABS besitzt sie dagegen nicht. Hat die Werksmaschine ja auch nicht. Bis ins Detail ist die RC213V-S ein technischer Leckerbissen – wunderschön gemacht.
Nun zu den betrüblicheren Details: Astronomische 188.000 Euro wird das Kleinod kosten. In Deutschland wird es nur zusammen mit dem Renn-Kit (siehe nächste Seite) erhältlich sein. Macht noch mal 12.000 Euro. Summa summarum also 200.000 Euro.
Ab 13. Juli können ausschließlich über die Homepage www.rc213v-s.com Bestellungen abgegeben werden. Erst dann streift ein kleines Team von speziell geschulten Technikern die weißen Baumwollhandschuhe über und beginnt für jede Bestellung mit dem Aufbau einer Maschine. Maximal eine Maschine pro Tag kann so gebaut werden, maximal 250 werden es sein, die genaue Anzahl stand noch nicht fest. Nur rund 50 davon werden nach Europa kommen. Drei Service-Center in Europa sollen sich um die Wartung kümmern.
Wer nun auf eine eventuell später erscheinende, abgespeckte Version spekuliert, muss enttäuscht werden. Die wird es laut Honda nicht geben. Ebenso wenig wie eine Fireblade mit V4, diese soll den Reihenvierzylinder bewahren. So wird die RC213V-S ein exklusiver Genuss bleiben. Ganz wie die echten Werksrenner.
Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, je zwei obenliegende, zahnradgetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Schlepphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Sechsgang-Kassettengetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 2,471.
Bohrung x Hub
81,0 x 48,5 mm
Hubraum
1000 cm³
Verdichtungsverhältnis
13,0 : 1
Nennleistung
117,0 kW (159 PS) bei 11000/min
(über 158 kW (215 PS) bei 13000/min*)
Max. Drehmoment
102 (über 118*) Nm bei 10500/min
Fahrwerk
Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge mit Unterzügen aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Doppelkolben-Festsattel, Traktionskontrolle.
Magnesium-Schmiederäder
3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen
120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17
Maße+Gewichte
Radstand 1465 mm, Lenkkopfwinkel 65,4 Grad, Nachlauf 105 mm, Federweg v./h. k. A., Gewicht trocken 170 kg (160 kg*), Tankinhalt 16,3 Liter.
Garantie
zwei Jahre
Farben
Rot/Weiß/Blau; Karbon unlackiert
Preis inkl. Nebenkosten
18.8000 Euro
Preis Race-Kit
12.000 Euro