MotoGP 2010: Porträt der drei WM-Titelgewinner
Friedemann Kirn zieht ein Fazit

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Die GP-Saison ist um. Gleich drei spanische Fahrer holten sich die WM-Titel. PS-MotoGP-Reporter Kirn kennt Jorge Lorenzo, Toni Elias und Marc Márquez aus etlichen Gesprächen und zeichnet ein persönliches Porträt der Weltmeister.

Friedemann Kirn zieht ein Fazit
Foto: 2snap

Als Jorge Lorenzo 2006 mit Goldhelm fuhr und nach dem Gewinn des 250er-Titels seine mit goldenen Boxhandschuhen bekleideten Fäuste in die Luft reckte, galt er noch als halbstarker Rüpel. Jetzt in Valencia feierte er wieder in den Farben des Triumphators. Zum Saisonfinale, bei dem er Paradegegner Valentino Rossi zum dritten Mal hintereinander gnadenlos davonfuhr, glitzerte Lorenzos "Por fuera"-Symbol nicht in Schwarz, sondern in Gold und mit nicht weniger als 1800 Kristallen auf seinem veredelten Spezialhelm.

Doch anders als damals, als sein Outfit so geschmackvoll wirkte wie eine gefälschte Rolex, ist sein Helm ein echtes Schmuckstück. Der damals zwar schnelle, aber als Rabauke geltende Jüngling ist außerdem zu einem zuvorkommenden jungen Mann gereift, der sich zu benehmen weiß, stehen bleibt und Autogramme schreibt, für Fotos posiert und hundertfach immer gleiche Fragen beantwortet.

Manchen Menschen steigt der Erfolg zu Kopf. Jorge Lorenzo hingegen gehört zu jener Sorte Stars, die immer ehrlicher und bescheidener werden, je weiter sie der Erfolg nach oben trägt. Als er nach seiner Niederlage gegen Rossi in Japan zu jammern anfing und sich bei Yamaha wegen der harten Fahrweise seines Teamkollegen beschwerte, verspielte er zunächst viel Kredit in der Öffentlichkeit. Er habe sich seinen eigenen, über Jahre aufgebauten Ruf des starken Mannes mit wenigen Sätzen zerstört, urteilten sogar spanische Journalisten.

Zwei Wochen später, Lorenzo hatte gerade in Malaysia den Titel gewonnen und fror im Spätwinter von Phillip Island dem australischen Grand Prix entgegen, nahm ich mir ein Herz und sprach das Thema in einem Interview nochmals an. Ob er, wenn er die Uhr zurückdrehen könnte, beim Japan-Grand Prix etwas anders machen würde, fragte ich vorsichtig. Jorge antwortete ohne zu zögern und ohne mit der Wimper zu zucken: Er hätte Rossi nicht angreifen und vor allem nach dem Rennen seinen Mund halten sollen, meinte er mit entwaffnender Ehrlichkeit.

Fehler können auch Weltmeistern passieren. Doch dass Lorenzo solche Fehler zugeben kann und mit sich selbst genauso kritisch umgeht wie mit anderen, macht ihn zum echten und würdigen Champion. Alle Piloten im Fahrerlager möchten dorthin, wo Lorenzo ist, auf den absoluten Gipfel. So wie auch Toni Elias und Marc Márquez, die nach ihren Weltmeistertiteln bei der Moto2 und den 125ern jetzt jeweils eine Klasse aufsteigen.

Kurioserweise ist jedoch der Pilot, der künftig ebenfalls MotoGP fährt und dem ganz großen Erfolg näher sein sollte, in Wirklichkeit weiter davon weg: Der Aufstieg von Elias auf eine Leasing-Honda ist eine sportliche Sackgasse. Eine echte Werksmaschine wird Elias in den letzten Jahren seiner Karriere wohl kaum mehr bekommen. Die guten Plätze sind dicht besetzt, und die Teammanager erinnern sich an die fünf Jahre vor dem Moto2-Titel, in denen Elias bis auf einen einzigen Sieg in der Königsklasse meist nur hinterher fuhr. Elias winkt kein weiterer WM-Titel, sondern ein ähnliches Schicksal wie Marco Melandri, der für die kleinen Klassen zu gut war, für die große aber nie gut genug.

Ganz anders ist das bei Marc Márquez, der schon im letzten Jahr auf der unterlegenen KTM einen derartigen Siegeswillen an den Tag legte, dass er lieber stürzte als auf zweite Plätze zu fahren. Andere junge Piloten wären daran zerbrochen. "Mich hat die Erfahrung stärker gemacht", erklärt hingegen das 17jährige Ausnahmetalent, das schon jetzt als gelungene Mischung aus den Fähigkeiten von Rossi, Lorenzo und Pedrosa gefeiert wird und 2011, womöglich auf Kalex, in der Moto2-Klasse antritt.

Der Papa solle bitte an die Könige schreiben, weil er sich ein Motorrad wünsche, das mit richtigem Benzin fährt und mit dem man Sprünge machen kann, hatte Marc als dreijähriger Knirps zu Papa Julià gesagt. Es war der Beginn einer atemberaubenden Karriere, in der Márquez noch viele WM-Titel sammeln wird.

Doch in einem Punkt ist Marc Márquez immer noch wie damals, als er mit Stützrädern an der Yamaha PW 50 das Fahren lernte: Er ist den Königen immer noch dankbar, dass sie ihm das Gasgeben ermöglichten - und das macht ihn als Champion so sympathisch.

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