Mit jeder Faser hatte Julian sich die KTM Duke 125 gewünscht. Tausendmal hatte er sie sich im Netz angeschaut und konfiguriert. Wie um alles in der Welt könnte er die 4500 Euro für sein Traumbike flüssig machen? Als Julian im Juni 2014 endlich 16 wird, muss die Ride Thorn 50 SM, das schwachbrüstige Supermoto-Mofa, das er mit 15 noch herbeigesehnt hatte, ganz schnell vom Hof. Ein Schülerjob hier, eine familiäre Finanzspritze dort – irgendwann ist der A1-Führerschein bestanden, und die KTM in Julians Wunschfarben steht vor der Tür. Ab sofort ist der Youngster seltener zu Hause, verlagert einen Teil seines geliebten Sportprogramms auf die neue Maschine. Jetzt kommt ihm sein eisernes Kampfsport-Training und seine Kompetenz auf Dirt- und Mountainbikes zugute.
Wie wir bereits in MOTORRAD 7/2014 berichteten, ist Julian ein „ganz normaler, sportbegeisterter Junge, der Old-School-Rap hört, nichts gegen eine Runde Playstation hat und auf Partys geht“. Und er ist ein Paradebeispiel dafür, wie intensiv die Jugend das Thema Motorrad wieder aufgreift. Zweiräder bestimmten Julians Leben von Anfang an: Er fuhr Fahrrad, noch bevor er laufen konnte, feilte an seinen Fahrkünsten, verschob seine Grenzen angstfrei mit Einsatz und Ehrgeiz.
Wheelies? Gehen auch mit 15 PS
So läuft es auch jetzt mit der KTM Duke 125. Julian fährt jeden Tag die knapp 25 Kilometer von seinem Wohnort in Datteln im nördlichen Ruhrgebiet zu seiner Schule in Wanne-Eickel und zurück. Bei Wind und Wetter. Darüber hinaus trifft er sich mit anderen 125er-Piloten zu gemeinsamen Ausfahrten und Trainings auf Feldwegen. Hier feilt er so oft es geht an seinem Fahrkönnen. Wheelies? Gehen auch mit 15 PS. Stoppies und Drifts sowieso. Die nicht gerade üppigen Kraftreserven des Achtelliter-Triebwerks sorgen für eine flüssige Fahrweise und die Mitnahme von ordentlich Speed in die Kurve. Julian trainiert Blickführung und Idealliniensuche. Vater Michael: „Der Junge lebt das Thema Motorrad.“
Mit der KTM 1290 Super Duke R zur Tour
Zum Date für eine gemeinsame Tour durch das Ruhrgebiet bringen wir eine KTM 1290 Super Duke R mit – das „Highend“ der Duke-Family. Fair ist das nicht, denn dieser Bolide ist nicht dazu angetan, Julians grassierenden KTM-Virus abzuschwächen. Es ist so, als würde man einem Hund die Wurst oder einem Hasen die Möhre vor die Nase halten und sie dann wegziehen. Doch Julian bleibt äußerlich cool, auch wenn das orange 180-PS-Geschoss sichtlich an seinen Nerven zerrt. Er stellt verdächtige Fragen zum A2- und zum offenen A-Führerschein, Vater Michael ahnt, was die Stunde schlägt.
Als wir Datteln verlassen und über Landstraßen Richtung Dortmund cruisen, wird klar, dass die kleine KTM Duke 125 kein Bremsklotz für die 1290er ist. Ja, sie sieht noch nicht mal viel kleiner aus als die äußerst knapp geschnittene „große“. Souverän pilotiert Julian sein bisheriges Traumbike, innerhalb der legal möglichen Tempi lässt er sich so gut wie nicht abhängen. Sonor tönt der Akrapovic, der wie auch andere Gimmicks unbedingt an die KTM Duke 125 dranmusste.
Mit erstaunlich weit entwickeltem "Popometer"
Der 17-Jährige hält den kleinen Motor immer im Bereich des optimalen Drehmoments, wirkt für sein Alter verdammt abgebrüht. Man spürt sein Gefühl für die Maschine und dass er mit erstaunlich weit entwickeltem „Popometer“ auch die Grenzen von Fahrwerk und Bremsen einzuschätzen weiß. All das sind Anlagen für gutes und vor allem sicheres Fahren.
Wir stoppen an der Zeche Zollern im Westen Dortmunds (www.lwl.org). Dieses „Schloss der Arbeit“ ist eines der herausragenden Denkmäler der Industriekultur im Ruhrgebiet. Die im Barockstil errichtete Steinkohle-Förderanlage nötigt uns Respekt ab. Julians Achtung vor der „großen“ KTM fällt vergleichsweise gering aus. Er setzt sich probehalber auf den 1290er-Feuerstuhl und stellt fest: „Passt alles wie angegossen, könnte sofort losfahren.“
KTM Duke 390 für Julian kein Thema
Vater Michael, der im Z3-Cabrio gefolgt ist, seufzt hörbar. Unser nächstes Ziel ist die Zeche Nachtigall direkt an der Ruhr bei Witten. In dem eindrucksvollen Erlebnis-Museum lassen sich die schweren Arbeitsbedingungen der Bergleute des 19. Jahrhunderts studieren. Julian hat die Zubehörliste von KTM studiert, er macht Vorschläge, wie die 1290er optisch zu verbessern wäre („Das lange Nummernschild-Bürzel muss weg…“). Dann fahren wir durch das Muttental in die Elfringhauser Schweiz. Kurven und Steilpassagen wie im echten Alpenstaat. Julian weiß, wie er schnell sein kann: laufen lassen, rund fahren, wenig bremsen, schräg ums Eck, früh aufziehen. Hungrig halten wir auf dem Rückweg an der bekannten „Pommes-Kurve“ an der Wittener Straße Richtung Hattinger Altstadt.
„Ich könnte ja auf dem Weg zur 1290er bei der 690er Station machen. Kann man die für den A2 auf 48 PS drosseln?“ Man kann. Die 390er ist für Julian kein Thema. Vater Michael spricht von Abitur, Julian von seinem neuen Traum: 690er-Duke. Die Saat ist gesät, wir bleiben dran an unserem Hoffnungsträger.