Fasziniert von der Technik, den Motorrädern und der speziellen Paddock-Atmosphäre lugt Smilla Göttlich interessiert zwischen den Zelten und Boxenanlagen umher – ein junger Racing-Fan, in dessen Träumen sich Bilder von einer eigenen Rennkarriere immer und immer wieder abspielen. Doch hier stapft kein kleiner Fan durchs Fahrerlager, sondern eine knallharte, schnelle und hoch motivierte Rennfahrerin, die den Traum vom Racer-Leben förmlich bis in die Tiefen ihres Herzens hinein verinnerlicht hat – und das schon ihr ganzes Leben lang.
Motorsport im Blut: Wie alles begann
"Meine Familie hat sich im Grunde dem Rennsport verschrieben – ein Leben ohne den benzingetränkten Sport wäre für mich im Prinzip gar nicht vorstellbar. Früher fuhr mein Opa in der Seitenwagen-EM und -WM, wodurch er meinen größeren Bruder Lennard ebenfalls mit dem Bazillus Sidecar infizierte – natürlich auch klar, dass meine Eltern Motorsportler aus tiefstem Herzen sind."
Das junge Megatalent kennt durch seine familiäre Vorgeschichte Rennplätze quer durch Europa besser als die heimischen Spielplätze, reiste schon im Säuglingsalter mit dem Göttlich-Motorsport-Tross von Track zu Track.
Die Faszination und der Wunsch, selbst motorisiert ums Eck zu preschen, setzten bei Smilla sogar früher ein, als so manch aktueller MotoGP-Fahrer mit seiner Zweiradkarriere begonnen hat: "Das erste Mal saß ich mit gut zwei Jahren auf einem Moped. Eine Yamaha PW50 – tolles Teil! Mein erstes Rennen fuhr ich dann im Alter von sechs – vielleicht war ich auch fünf, ich kann mich daran nicht so gut erinnern. Aber es machte mir offensichtlich so viel Spaß, dass ich damit nicht aufhören kann."
Smillas erste Erfolge
Durch ihren Opa sowie ihren Bruder war der Weg hinein in den Seitenwagen-Sport glatt geebnet, doch Smilla hatte andere Pläne – die Faszination für zwei statt drei Räder war größer. Mit ansteckendem Lachen entgegnet Smilla: "In so einem verrückten Sidecar – nee, da habe ich mich nicht gesehen und sehe mich da immer noch nicht. Zwei Räder reichen!"
Dass die Teenagerin aus Eibau mit ihrem kindlichen Riecher goldrichtig lag, zeigte sie dann ein paar Jahre später im zarten Alter von neun Jahren in ihrer ersten vollen ADAC Minibike Cup Saison. Im Vergleich zu der starken Konkurrenz noch grün hinter den Ohren, krallte sich Smilla am Ende einen beachtlichen 15. Rang in der Endwertung.
Diese Leistung überzeugte schließlich auch ihre Eltern, verrät Göttlich mit leicht errötetem Gesicht: "Ganz zu Anfang waren meine Eltern, glaube ich, nicht so glücklich darüber, dass ich jetzt auch noch mit dem Motorsport anfangen wollte – immerhin machen das ja im Grunde alle in meiner Familie. Nicht, dass sie mich nicht unterstützen wollten – ganz im Gegenteil!
Aber tief drin haben sie sich vielleicht erhofft, ich würde eine andere Passion finden. Ich hoffe, er liest das nicht, aber ich glaube, vor allem Papa hat sich gedacht ‚Das kann doch nichts werden‘. Ha, aber ich habe ihn eines Besseren belehren können! (lacht) Die erste Saison im Minibike Cup war daher echt okay – ich habe dann so richtig Blut geleckt und auch meine Familie hat gemerkt, dass ich vielleicht gar nicht so schlecht Motorrad fahre."
Karriereleiter: Aufnahme ins Road to MotoGP-Programm
So richtig platzte der Knoten im Folgejahr: Smilla setzte sich in ihrer erst zweiten Minibike-Saison gegen 18 weitere sack-schnelle Kiddies durch, holte in Mülsen ihr erstes Podium und konnte nach 18 Rennen den Vizemeistertitel entgegennehmen.
Auf der Welle des Erfolgs folgte 2022 der Umstieg in den Ohvale-MiniGP, den Smilla ebenfalls auf Position zwei beendete. 2023 bekam der Ohvale-MiniGP dann ein offizielles FIM-Prädikat, wurde von der Dorna – den Ausrichtern der MotoGP und WSBK – ins offizielle Road to MotoGP-Programm aufgenommen und wurde beinahe über Nacht zu einem der wichtigsten Schauplätze junger Renntalente.
Auch Smilla fuhr eine weitere Saison in dem nun als FIM MiniGP Germany umgetauften Cup mit und beendete das Jahr auf einem sensationellen fünften Gesamtrang.
Der Aufstieg in den KTM Junior Cup
Dann die große Frage: Was nun? "Eine weitere Saison in dem FIM MiniGP hätte mir nicht viel gebracht – ich hatte einen Wachstumsschub und außerdem – klingt etwas komisch – wäre ich dann ein bisschen zu alt für den Cup gewesen. Also schielte ich auf den KTM Junior Cup.
Da gab es aber ein kleines Problem: Meine Eltern hatten – verständlicherweise – etwas Angst um mich, wenn ich mit einem kraftvollen Moped auf großen Rennstrecken meine Kreise ziehen würde. Das Risiko ist dort einfach nochmals höher, weil das Tempo wesentlich schneller ist als auf kleinen Kartbahnen.
Um zu schauen, ob das was für mich ist, sind wir mit einer Cup KTM RC 4 R auf einer großen Strecke testen gewesen. Das hat gut hingehauen, also probierten wir uns beim offiziellen Auftakttraining des Cups. Tja, und da war die Überraschung dann groß: Ich fühlte mich auf der RC 4 R pudelwohl und gehörte zu den Schnellsten! Ab dann waren auch meine Eltern beruhigt – ich konnte zeigen, dass ich mit dem großen Bike richtig umgehe."
Auf Anhieb ein Sieg!
Das erste Rennjahr auf dem "großen" Renner lief dann besser, als Smilla es sich selbst hätte ausmalen können: Aufgrund des Limits von 13 Jahren im KTM Junior Cup musste Göttlich den Saisonauftakt am Sachsenring zwar etwas zerknirscht aussetzen, doch zum zweiten Lauf in Oschersleben übersprang sie die Alters-Hürde: Smilla tauchte hochkonzentriert im Fahrerlager auf, analysierte akribisch die Trainingssessions und holte auf Anhieb einen Sieg.
Nicht nur die Konkurrenz, sondern das gesamte Paddock war baff. Mit eiskalter Schnauze vernichtete sie förmlich die anderen jungen Cracks, nahm den Helm ab und lachte – wie man sie kennt – mit strahlenden Augen, als ob nichts gewesen wäre.
"Das war schon echt ein cooler Moment", gibt Smilla zu Protokoll. "Ich hatte ein super Gefühl auf dem Bike, es war fast wie eine Traumfahrt. Hätte mir vorher jemand gesagt, dass ich den Cup als Dritte abschließen würde – den hätte ich, glaube ich, ausgelacht."
"Ich bin einfach rausgefahren und stand auf einmal auf dem Podium"
In diesem Jahr ist die Marschrichtung klar: Meistertitel im KTM Junior Cup. Doch ein großer Wunsch ging beim deutschen MotoGP-Wochenende auf dem Sachsenring in Erfüllung: "Seit Februar waren meine Eltern und ich immer mal wieder mit der Dorna in Kontakt, ob ein Gaststart im Northern Talent Cup möglich wäre.
Erst zwei Wochen vorher kam der Anruf, dass ich am Sachsenring mitfahren kann. Glaub mir: Ich sprang im Kreis! Als ich dann da war, war ich schon nervös. Es hat geregnet, mit der NTC-Honda hatte ich wenig Erfahrungswerte – vor allem nicht im Regen – und das Niveau ist dort echt hammerhart. Ich bin dann rausgefahren, habe eigentlich an nichts gedacht – nur das Fahren genossen – und stand auf einmal auf dem Podium. Es war schier unfassbar!"
Neben dem Rennstress muss Smilla natürlich immer noch die Schulbank drücken, doch auch die hat sie im Griff: "Meine Noten sind tatsächlich gut! (lacht) Meine Lehrer unterstützen mich sehr, sie erlauben mir Fehltage, dass ich zu den Rennen kann – das ist echt nicht selbstverständlich."
Auch wir sagen: Danke, das muss auch so bleiben, denn Smilla könnte es bis nach ganz oben schaffen.





