Normalerweise lassen sich die in alle Welt verstreuten Kron-Juwelen ganz leicht identifizieren, egal ob im berühmten Barber Museum in Alabama, in der Stockholmer MC Collection, im Technik Museum Sinsheim oder in den vielen anderen Ausstellungen und Sammlungen. Ein Blick genügt, um den ovalen Aufkleber zu erkennen, der wie ein Gütesiegel die Zweirad-Restaurierungen aus dem schwäbischen Krautheim ziert.
Mehr Zeit sollte man sich allerdings nehmen, um die Detailversessenheit ihres Erbauers zu ergründen. Denn Michael Kron, den alle nur Mike nennen, macht bei seiner Arbeit keine Kompromisse. Für den Zweiradmechaniker-Meister zählt beim Restaurieren nur Perfektion, und diesem Anspruch versucht er nun schon seit einem Vierteljahrhundert gerecht zu werden. Mit großem Erfolg, wie der stetig gewachsene Kundenstamm und rund 600 restaurierte Motorräder beweisen, die das feine Atelier in der Regel so verlassen, wie sie einst vom Band gerollt sind.
Doch der Erfolg ist dem 52-Jährigen nicht in den Schoß gefallen, sondern das Ergebnis harter Arbeit und beherzter unternehmerischer Entscheidungen. Als der Schwabe vor 25 Jahren den Schritt in die Selbständigkeit wagte, stand von Anfang an fest, nur hochwertige und vor allem originalgetreue Restaurierungen anzubieten. Und zwar als Erster in Deutschland nur für Zweiräder. Ein vielfach skeptisch beurteiltes Wagnis, das mit einem klaren Konzept und der Unterstützung seiner Partnerin Edith Stöcklein jedoch kalkulierbar schien. Zumal sich der Jungunternehmer bereits zu diesem Zeitpunkt mit Restaurierungen, die er parallel zu Ausbildung und Meisterschule vollendete, einen guten Ruf erarbeitet hatte. Davon bekam auch Paul Heyd vom Zweiradmuseum Öhringen Wind, seine drei Aufträge waren die ersten, die der gerade gegründeten Firma einen guten Start ermöglichten.
Umzug und Neuausrichtung
Das Ergebnis überzeugte, und so hielt der Museumsinhaber mit seiner Zufriedenheit nicht hinterm Berg. Dank dieser Mundpropaganda und Mike Krons Präsenz auf Veteranenmärkten vergrößerte sich der Kundenkreis stetig, selbst aus der Schweiz kamen nun Aufträge.
Eine zusätzliche Motivationsspritze, die Edith und Mike angesichts der Enge in der alten Braunsbacher Werkstatt 1989 ermunterte, einen Traum zu verwirklichen: Den Kauf des alten Bauernhauses mit großer Scheune in Krautheim, um Arbeiten und Wohnen unter einem Dach kombinieren zu können. Endlich gab es genügend Platz zum Schrauben, außerdem Nebenräume für Schweißen, Lackieren und mechanische Bearbeitung. Mit dem Umzug der Firma ging die wichtigste Weichenstellung für die Zukunft einher: Statt sich mit Motorradbekleidung, Zubehör und kleinen Reparaturen zu verzetteln, konzentrierte sich das Paar fortan aufs Restaurieren für Museen und Sammler.
Bundesweite Anschreiben an alle bekannten Museen zeitigten Erfolg, nach anfänglich zögerlichen Auftragseingängen ging es kontinuierlich aufwärts. Ein verlässliches finanzielles Fundament für den kleinen Betrieb bedeutete dabei vor allem „die über 15 Jahre währende, wunderbare Zusammenarbeit mit dem Fahrzeugmuseum Streicher in Lalling“, blickt Kron noch heute mit Dankbarkeit auf seinen damaligen Hauptkunden zurück. Mitte der 90er-Jahre entwickelte sich eine fürs Geschäft sehr erfreuliche Eigendynamik, die restaurierten Maschinen erwiesen sich als perfekte Werbeträger, die weitere Aufträge akquirierten. Mike stellte Mitarbeiter ein, doch dieser Weg führte in die Sackgasse. Auf einmal drehte sich viel um
Bürokratie und Nebensächlichkeiten, fürs Wesentliche blieb kaum noch Zeit, was mit Krons hohem Anspruch nicht vereinbar war. Die Konsequenz lautete: Zurück zur Zweisamkeit, außerdem Fertigungstiefe verringern – erneut eine Entscheidung mit Weitblick, wie sich zeigen sollte.
Denn durch die Vergabe von Spezialaufträgen außer Haus an hochqualifizierte Fachleute verschaffte sich der Restaurierer nicht nur den Zugriff auf Sonderteile, sondern hatte endlich wieder den nötigen Freiraum für intensive Recherchen – unabdingbar für den Qualitätsfanatiker, der beim Neuaufbau einer Maschine die hundertprozentige Originalität anstrebt. Selbst dann, wenn Kunden nur einige verrottete Teile seltener Kräder anliefern. In diesen Fällen sichtet Kron für eine originalgetreue Restaurierung zunächst alle zugänglichen Quellen, begutachtet Ausstellungsstücke und befragt Experten – wenn es sein muss, sogar in Übersee.
Replika-Bau als Meilenstein
Mike Krons Akribie hatte sich in Sammlerkreisen längst herumgesprochen, als ein Kunde mit ein paar rostigen Fragmenten einer Mars aus den 1920er-Jahren vor der Tür stand. Es war die Initialzündung für einen weiteren Meilenstein in der Kron'schen Biographie. Der Gedanke: Wenn fast alles nachgebaut werden muss, dann könnte man doch auch gleich eine komplette
Maschine neu aufbauen. Die Idee war für den Technik-Freak einfach zu verlockend, um sie nicht in die Realität umzusetzen, zumal die Spezialisten ja parat standen.
Und so startete 1999 mit der Mars der Bau der ersten bis ins Detail exakt nachgebildeten Maschine (siehe MOTORRAD Classic 2/2000). Derzeit ist die siebte Replika in Arbeit, von der 2005 präsentierten Münch-Replika (MOTORRAD Classic 2/2004) fanden bereits 13 Stück einen solventen Sammler, vom Nachbau der Hildebrand & Wolfmüller (MOTORRAD Classic 2/2008) wurden sogar schon 19 Stück verkauft. Ein schöner Erfolg, und gleichzeitig die Bestätigung von Krons Konzept, externe Spezialisten ins Boot zu holen.
Dass seine Nachbauten in der Klassik-Szene auch kritisch gesehen werden, stört den Krautheimer nicht. Für ihn sind die Repliken wichtig, weil sie die Botschaft transportieren, dass selbst extreme Restaurierungsaufgaben kein Problem darstellen, wenn man Klassiker bis hin zu den einzelnen Antriebskomponenten als Neufahrzeuge herstellen kann.
Früher wurde Mike wegen seines Perfektionsdrangs oft belächelt. Heute gelten die von ihm originalgetreu restaurierten Klassiker als Vorbilder, die man bei genauerem Hinsehen auch ohne Aufkleber als Kron-Juwelen identifizieren kann.