Marco Wiebusch setzt als vielseitiger Techniker Motoren aller Fabrikate wieder instand, durch Zylinder-Beschichtung, Kurbelwellen-Überholung und die CNC-Fertigung vieler Spezialteile. Aber das Herz des Bielefelders schlägt klar für Zündapp.
Marco Wiebusch setzt als vielseitiger Techniker Motoren aller Fabrikate wieder instand, durch Zylinder-Beschichtung, Kurbelwellen-Überholung und die CNC-Fertigung vieler Spezialteile. Aber das Herz des Bielefelders schlägt klar für Zündapp.
Stark brennt die Sonne in Bielefeld-Heepen, nahe der A2, auf ein nüchternes Werkstattgebäude. Dessen einziger Schmuck ist ein großes Zündapp-Schild über dem Eingang. Marco Wiebusch tritt im Blaumann heraus, mit einer Tasse Kaffee. „Es ist ruhig heute“, freut sich der 41-Jährige, „meine Hochsaison sind Herbst und Winter, wenn die Motorradsaison zu Ende geht.“ Dieser Techniker ist extrem breit aufgestellt, hont und bohrt, schweißt und fräst Präzisionsteile. Er ist gelernter Zweiradmechaniker sowie staatlich geprüfter Maschinenbau- und Wirtschaftstechniker.
Vor allem aber ist Marco Wiebusch mit Haut und Haar der Marke Zündapp verfallen, besonders den Modellen aus Münchner Produktion. Als das Werk im Jahr 1984 seine Pforten schloss, war der junge Marco („Baujahr 1975“) erst neun Jahre alt. Trotzdem wurden Zündapps seine große Leidenschaft. „Ich begann meine Zweiradkarriere auf einer CS 25, die mir nach einer Polizeikontrolle sechs Punkte in Flensburg und 20 Sozialstunden einbrachte“, erinnert er sich an das von ihm persönlich „höllenmäßig frisierte“ Mofa im Mokick-Look. Das hat heftig gekickt, nicht gekurbelt: „Motor, Gabel, Schwinge, Bremsen – alles stammte von Leicht- oder Kleinkrafträdern, K/KS 50 oder K 80.“
Alle zwei Monate musste er den Motor komplett auseinandernehmen. „Schrauberisch habe ich in dieser Zeit extrem viel gelernt.“ Es war der Keim für seinen Beruf. „Anfang der 90er fuhren nur noch Enthusiasten Zündapp“, erinnert sich Marco. „Alle außer mir und meiner Clique hatten Honda MBX oder MTX 50 und 80 auf dem Schulhof stehen – die galt es zu versägen.“ Es waren bewegte Zeiten. „1990/91 gab’s kaum noch Zündapp-Ersatzteile, selbst Normteile wie Dichtungen wurden knapp. Wir mussten viel herumfrickeln.“
Notwendige Teile besorgte sich Marco in Holland oder vom nahe gelegenen Schrottplatz, „da standen immer zehn bis 20 Maschinen zum Ausschlachten herum“. Marcos erstes Lehrgeld waren 540 Mark im Monat, eine Original-Kurbelwelle kostete rund 250 Mark. „Zündapp ist ja pleite gegangen, weil die Maschinen doppelt so teuer waren wie die aus Japan.“ Marco zog die Lehre bis zum Ende durch, „noch als Zweiradmechaniker alter Schule, mit Fahrrädern, Mofas, Motorrädern und Gartenfahrzeugen“. Seit er 16 war, hatte er stets eine eigene Werkstatt zu Hause, offiziell als Nebengewerbe angemeldet.
Marco Wiebusch machte seinen Maschinenbautechniker in Metall- und Elektrotechnik, das Fachabi und begann ein Studium an der FH Bielefeld. 1999 machte er sich komplett selbstständig. Er ist auch noch Wirtschaftstechniker, hat einen Ausbilderschein und einen Angestellten. Er übernahm Vertretungen für diverse Marken. Im Februar 2009 hatte er dann einen schweren Sturz auf einer vereisten Stelle während einer Probefahrt. Sein Knie war komplett zertrümmert. „Ich saß ein Jahr im Rollstuhl, wurde x-mal operiert.“ Laufen kann Marco wieder normal, nur lange stehen macht Probleme. „Daher gibt’s in der Werkstatt immer einen Sitzhocker.“
Präzision auf Hundertstel Millimeter ist Marcos Credo: Auf dem Fünf-Seiten-CNC-Bearbeitungszentrum fertigt er einteilige Kipphebel-Böcke für BMW-Boxer aus Strahltriebwerks-Titan: „Je heißer, desto besser seine Festigkeit.“ Selbst konstruierte Aluminium-Motorhalterungen für Kawasaki W 650/800 sparen ein Kilogramm ein. Komplette Inspektionen macht Marco eher selten. Sondern „am liebsten das, was andere nicht machen“. Das gilt besonders für die verschleißfeste Beschichtung von Zylinder-Laufflächen mittels Hartchrom oder Nickel-Silizium-Karbid: „Nur Diamanten sind noch härter.“
Jetzt ist Marco in seinem Element, referiert über Kolbenlaufspiel, Wärmeableitung und Wärmeausdehnung. Selber schweißen? Klar doch, in WIG, Aluminium und Edelstahl. Seine Ventilschleifmaschine kaufte der Techniker von der Bundespolizei in Ratzeburg. Glasperlstrahlen, um Motorenteile wieder glänzen zu lassen? Ehrensache. Den Zweitaktern KS 125 Sport und KS 175 WC macht er Beine mit Mikuni-Flachschiebern, neu konstruierten Schmiedekolben und Zylinderköpfen mit zentrischem Brennraum. Umbau von sechs auf zwölf Volt? Logisch.
Marco mag auch BMW. Sein persönliches Exemplar einer 1991er-R 100 GS Paris-Dakar baute er zu einer echten HPN um. Sie hat geländetaugliches Fahrwerk, verbesserte Bremsen und Sechsganggetriebe von Kayser samt kurzem Endantrieb einer R 1100 GS. Für den 1043er-Boxer ließ er leichtere Slipperkolben bei Wiseco anfertigen. „Übers BMW-Forum kamen schnell größere Stückzahlen zusammen.“ Die Liste seiner selbst angefertigten HPN-Teile ist endlos: Adapter für Bremssättel, Spacer für die Bremsscheibe, Radachsen, Schalthebel, Haltebolzen aus Titan, leichtere Kurbelwelle samt um 1,4 Kilogramm erleichterter Schwungscheibe etc. „Manches sieht so einfach aus, kostete aber Zeit und Nerven ohne Ende, wie etwa die Lenkerklemmung.“
Marcos Ziel: „Dinge richtig zu konstruieren, damit sie so gut wie möglich funktionieren.“ Liebe zum Detail vertrage sich nicht mit so günstig wie möglich. Er verkauft keine „minderwertige Billigware aus Fernost“. Heute sei die Ersatzteilversorgung für Zündapp mit sofort verfügbaren Teilen aus den Niederlanden und Portugal zu mindestens 80 Prozent gedeckt. Für den Fall der Fälle hortet Marco Gebrauchtteile: Zylinder und ganze Motoren, Felgen und Auspuffe. „Wegschicken muss ich niemanden, ich kann vieles nachfertigen.“ In einer Glasvitrine stehen Zündapp-Insignien wie in einem Museum präsentiert: durchgebrannte Kolben, Embleme, historische Bedienungsanleitungen.
Auf dem Schreibtisch liegt das Zündapp-Buch aus dem Johann Kleine Vennekate-Verlag. Der Verleger ist ein Kunde von ihm. Die Website des Zündapp-Spezialisten (www.zweirad-wiebusch.de) listet ausführliche technische Daten zu den Modellen mit 50, 80 und 125/175 cm3 Hubraum plus eine Typenliste aller Nachkriegs-Modelle auf. Ferner stehen hier eingescannt die einst auf Schreibmaschine getippten „technischen Mitteilungen“ des Werks von 1971 bis 1983 online. Nicht zu vergessen: nützliche, allgemeine Infos über Zylinder-Beschichtung.
Für echte Enthusiasten hat Marco Wiebusch immer Zeit vor Ort in Bielefeld. „Die meisten Kunden kenne ich gar nicht persönlich.“ Weil sie ihre Motoren oder demontierten Teile europaweit per Post einschicken. Nicht nur für Zündapp, sondern auch für BMW, Honda, Kawasaki und Suzuki, von einem bis vier Zylindern. Vielleicht erzählt der Hobby-Angler dann ja, wie er mal die „Hannibal-Challenge“, also die Rallye Rom-Speinshart gewann. Auf Zündapp KS 50, logisch.