Fahrbericht Moto Guzzi Norge GT 8V

Fahrbericht: Moto Guzzi Norge GT 8V Neuer Tourer von Moto Guzzi

Einst war Moto Guzzi eine Tourer-Macht. Nun soll die rundum erneuerte Norge an die Traditionen des Hauses anknüpfen.

Neuer Tourer von Moto Guzzi Fotos: Moto Guzzi

Das wurde aber auch Zeit. Während sich Stelvio, Griso und 1200 Sport bereits seit mehreren Jahren des Vierventilmotors von Moto Guzzi rühmen dürfen, mühte sich ausgerechnet der Reisedampfer Norge noch mit dem alten Zweiventiler ab - obwohl doch gerade bei einer voll beladenen Fuhre starker Durchzug und viel Dampf höchst willkommen sind. Doch besser spät als nie. Zum 90. Geburtstag der italienischen Marke bekommt die Norge jetzt den modernsten Antrieb des Hauses, der sich sogar frisch überarbeitet präsentiert, mit neuen Ventilen und Nockenwellen, anderem Ölkühler, größerem Schalldämpfer und verbessertem Motormanagement.

Das charakteristische Guzzi-Wummern hat der Zweizylinder zum Glück beibehalten, ebenso die urtümliche Gewalt, mit der er zum Leben erwacht. Mit lautem Klacken rastet der erste Gang ein, die Premierenfahrt durch die Hügel rund um Florenz kann beginnen. Und tatsächlich: Der Vierventilmotor verleiht der bislang allzu braven Norge neuen Elan. 102 PS leistet er laut Datenblatt, knapp zehn mehr als bislang. Vor allem aber das stärkere Drehmoment von 104 statt 96 Newtonmetern macht sich bemerkbar. Ein Dragster ist aus der Norge deshalb nicht geworden, doch sie zieht wesentlich forscher voran. Schnelle Passagen durch lang gestreckte toskanische Alleen durchläuft sie mit gestärktem Selbstbewusstsein, sodass kaum Zeit bleibt, die malerischen Zypressen zu bewundern.

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Nie kommt das Gefühl auf, dass es an Druck fehlt. Allerdings: Im Keller funktioniert die Gemischbildung nicht perfekt, denn bei niedrigen Touren ruckelt der Motor. Übrigens im Gegensatz zur Stelvio, die zwar den gleichen Antrieb hat, ihren Luftfilter aber unter der Sitzbank trägt, während er hier unter dem Tank sitzt, was offenbar zu einer gewissen Atemnot führt. Ab 3000/min läuft die Norge dann geschmeidig und samtweich, hängt direkt am Gas und legt bei 4500 Touren noch mal ordentlich zu. Deutlich spürt man den Vorwärtsdrang, begleitet von leichten Vibrationen, die die Kraft des mächtigen V2 auf angenehme Weise unterstreichen.

Die umfassende Modellpflege beschränkt sich längst nicht auf den Motor. Die Guzzi-Techniker, die heute nicht mehr im Stammwerk am Comer See, sondern im hochmodernen Entwicklungszentrum von Konzernschwester Aprilia arbeiten, haben die Kritik am alten Modell beherzigt. Die beklagte mangelnde Schräglagenfreiheit gehört der Vergangenheit an, denn der Hauptständer, der bislang all zu früh über den Asphalt kratzte, bekam eine neue Form und hält sich nun auch in tieferen Schräglagen vornehm zurück. Bedingt durch den neuen Motor wurde der Rahmen modifiziert, weshalb auch die Verkleidung eine leicht veränderte, fließendere Linie bekam. Gelungen auch die schwarzen Hitzeschilder an den Zylinderköpfen, so wird es am Knie nicht zu heiß.

Moto Guzzi
Voller Überblick: Die Instrumente inklusive Bordcomputer lassen sich auch bei Sonneneinfall gut ablesen.

Das Fahrwerk kam ebenfalls nicht ungeschoren davon. Zwar bleibt es bei der bisherigen Telegabel. Doch sie verfügt jetzt über neue Federn, und das Zentralfederbein bekam eine neutralere Abstimmung. Die Norge fühlt sich zwar nach wie vor tendenziell eher weich an, doch das ist einem Reisedampfer durchaus angemessen. Im Wechselspiel von schnellen und engen Kurven gibt sie sich souverän, federt und dämpft Unebenheiten im Asphalt weg und lässt sich willig dirigieren. Sie hält die vorgegebene Linie präzise und spart nicht mit willkommener Rückmeldung. Zugegeben, bei jedem Gasstoß verneigt sie sich wie gehabt kurz nach rechts, doch schließlich will man ja spüren, dass man auf einer Guzzi sitzt, oder? Im Sattel der Norge, der nun noch weicher gepolstert ist, fühlt man sich jedenfalls auch bei schnellerem Tempo sicher und geborgen, zumal die Bremsen, ausgestattet mit einem ABS der neuesten Generation von Continental, untadelig reagieren und stets angemessen verzögern. Sie bringen den vollgetankt über 280 Kilogramm schweren Tourer schnell zum Stehen, ohne dabei übertrieben zuzubeißen.

Kurzer Stopp fürs Fotoshooting nach einer zügigen Kurvenhatz. Doch was ist das? Bei abgestelltem Motor lässt sich ein lautes Surren vernehmen. Hat Guzzi etwa heimlich einen wassergekühlten Motor eingebaut? Falscher Alarm, ein Blick nach vorn enthüllt des Rätsels Lösung: Der Ölkühler unter dem Krümmer verfügt über einen elektronisch gesteuerten Ventilator, der sich zu Wort meldet, wenn die Guzzi auf Temperatur kommt.

Neben Bordcomputer und ABS bringt die Norge an serienmäßiger Ausstattung Heizgriffe und neu geformte, farblich abgestimmte Koffer mit. Außerdem ist das Windschild jetzt serienmäßig elektrisch verstellbar; allerdings lassen sich die entsprechenden Bedienknöpfe fürs Herauf- und Herunterfahren während der Fahrt nicht besonders gut erreichen, da sie weit innen im Cockpit liegen. Die Elektronikprobleme, die das alte Modell gelegentlich quälten, sollen nicht mehr auftreten, denn auch hier fand laut Guzzi eine umfassende Überarbeitung statt.

Fazit: Operation geglückt. Ein echter Temperamentsbolzen ist aus der runderneuerten Norge zwar nicht geworden, doch ihre frühere Betulichkeit hat sie abgelegt. Mit frischem Elan darf sie wieder bei den Tourer-Mächten mitmischen. Vielleicht noch nicht ganz oben an der Spitze, aber auf einem deutlich gehobeneren Niveau.

Moto Guzzi
Im Mittelpunkt der Überarbeitung: Guzzis Vierventilmotor in seiner jüngsten Evolutionsstufe.

Motor
Luft-/ölgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, je eine obenliegende Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, Kipphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 50 mm, Einscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, Kardan.
Bohrung x Hub 95 x 81,2 mm
Hubraum 1151 cm³
Nennleistung 75 KW (102 PS) bei 7000/min
Max. Drehmoment 104 Nm bei 5500/min

Fahrwerk
Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel, Ø 45 mm, verstellbare Federbasis, Zweigelenkarm-Schwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 282 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, ABS.
Alu-Räder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17

Maße+Gewichte

Radstand 1495 mm, Lenkkopfwinkel 64,5 Grad, Nachlauf 120 mm, Federweg v/h k. A., Sitzhöhe 810 mm, Trockengewicht 257 kg, Tankinhalt/Reser-ve 23/4 Liter.
Garantie zwei Jahre
Farben Weiß, Silber, Schwarzmetallic
Preis inkl. Nebenkosten 15500 Euro

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