Der Brückenschlag zwischen Sport und Tour kann schnell zum Flop werden. Ergebnis ist dann ein Motorrad, das sich nirgends wohl fühlt. Gelingt der Spagat, ist ein Sporttourer dafür eine Offenbarung. Man kann überall hin, ohne den Fahrspaß zu Hause zu lassen. Honda ist mit der wegweisenden VFR dieser große Wurf gelungen, die anderen japanischen Hersteller haben sich bislang nur halbherzig ans Thema gewagt. Und was die Fernost-Produkte bei aller Perfektion mitunter etwas vermissen lassen, ist das, was eine Traummaschine ausmacht: Flair. Europäische Hersteller, allen voran die Italiener, haben verstanden und bauen Motorräder, die nicht nur gut fahren, sondern auch Esprit versprühen. Das hat allerdings seinen Preis. Die vier Modelle im Fokus kosteten vor ein paar Jahren neu zwischen 12000 und 14000 Euro – für viele zu teuer. Und bei mäßigen Verkäufen wurden sie auch schnell wieder vom Markt genommen. Als teils wenig beachtete Gebrauchte liegen sie deshalb jetzt auf einem Preisniveau, das zum Träumen anregt.
Aprilia SL 1000 Falco
Falco, ja? Und wie war noch einmal der Nachname?“ Trotz unzähliger Grand-Prix-Erfolge und sehr leckerer Modelle seit Anfang des Jahrtausends tut sich Aprilia schwer, bei der italophilen Kundschaft einen Kultstatus à la Ducati oder Moto Guzzi zu gewinnen. Die von 2000 bis 2004 angebotene Aprilia SL 1000 Falco ist dafür ein gutes Beispiel.
Objektiv gesehen ist sie ein beinahe tadelloses Motorrad, das wegen eines ausgezeichneten Fahrwerks dem Piloten mehr als nur ein kurzes Grinsen ins Gesicht zaubert. Der charismatische Vau-Zwei gibt sich im Drehzahlkeller etwas rumpelig, ab 4000/min sind solche Kapriolen jedoch im wahrsten Sinne wie weggeblasen, und mit fast 120 PS bei nur 222 Kilogramm Gewicht geht die Post richtig ab. Mit Volldampf schmeißt man die 1000er von einer Schräglage in die nächste und denkt: Meine Güte, extremes Kurvenwedeln kann ja so einfach sein! Gute Bremsen stauchen die Fuhre bei Bedarf (Passabfahrt, hartes Anbremsen vor der Kurve nach langen, schnellen Geraden) sicher zusammen, und zumindest normal groß gewachsene Mitteleuropäer kommen mit der sportlich versammelten Sitzhaltung auf der Falco bestens zurecht. Stichwort Sport: Die Gene des Sporttourers sind unübersehbar, und wie die Schwester aus dem Aprilia-Leistungskader, die RSV Mille, mag die Falco nur ungern als Passagierdampfer genutzt werden.
Solofahrer freuen sich dafür auf längeren Reisen über den guten Windschutz, und mit Packtaschen, Tankrucksack und Navigerät bestückt, steht der Eroberung von Europas schönsten Strecken nichts im Wege. Verarbeitung und Zuverlässigkeit lassen keine Wünsche offen, das extravagante Aussehen mit vielen Ecken, Kanten und markant geteilten Streben des Alu-Rahmens ist hingegen nicht jedermanns Sache. Die mangelnde Popularität hat aber auch Vorteile: Interessenten finden gute Gebrauchte zu sehr fairen Preisen.
Plus
+ Handling super
+ Verarbeitung ausgesprochen gut
+ Gewicht für Sporttourer gering
+ Gebrauchtpreise sehr fair
Minus
- Laufkultur etwas kapriziös
- Soziuskomfort mangelhaft
- Wiederverkaufschancen wegen mangelnder Popularität eher gering
Marktsituation
Die Falco ist kaum im Bewusstsein von Gebrauchtkäufern. Nur gezielt Suchende und Kenner stoßen auf die nur vier Jahre lang gebaute Aprilia. Steht eine Falco also schon länger zum Verkauf, ist die Verhandlungsgrundlage für Interessenten gut. Das Gros der inserierten Maschinen wartet mit Laufleistungen zwischen 25000 und 40000 Kilometer auf, kein Problem für die solide Italenerin. Mehrheitlich sind es Privatanbieter, die sich für 3000 bis 4000 Euro von ihrem Schätzchen trennen wollen. An der 5000-Euro-Marke kratzen eigent-lich nur topgepflegte Exemplare mit weniger als 10000 Kilometern auf der Uhr.
Technische Daten
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertaktmotor, 998 cm3, 87 kW (118 PS) bei 9300/min, Gewicht 222 kg, Zuladung 180 kg, Tankinhalt/Reserve 21/4 Liter, Sitzhöhe 800 mm, Höchstgeschwindigkeit 255 km/h, Verbrauch (Landstraße) 5,5 l/100 km, Super.
Tests ins MOTORRAD
23/1999 (VT), 2/2000 (VT), 13/2000 (VT), 4/2001 (VT), 15/2001 (VT), 23/2001 (VT)
VT=Vergleichstest;Nachbestellungen unter Telefon 0711/182-1229
Internet
Fansites: www.apriliaforum.de, www.italobikes.de
Tourentipp von Aprilia
Dolomiten, Cortina d'Ampezzo
Als Tourenziel bieten sich die Dolomiten rund um Cortina dAmpezzo an. Das Gebiet ist zirka 160 Kilometer von Noale entfernt, also nicht weit vom Aprilia-Stammwerk. Es gibt hier tolle Pässe und Aussichten zu genießen, ein perfektes Terrain für einen Sporttourer wie die Falco.
MOTORRAD sagt dazu:
Stimmt! Die Dolomiten sind wahrlich perfekt für Sporttourer. Insbesondere der Passo Giau ist der Oberhammer mit seinen abwechslungsreichen, teils sehr engen Kurven, die sich mit kurzen Geraden abwechseln, auf denen man eine 100-und-mehr-PS-Maschine klasse durchladen kann. Die Nordseite nach Cortina dAmpezzo ist die fahrerisch anspruchsvollere, wie bei einer Achterbahn löst eine extreme Schräglage die andere ab. Die Falco als besonders handliches Motorrad wedelt dort locker durch. Die Südseite nach Selva di Cadore ist etwas sanfter und berechenbarer, ermöglicht dafür mit griffigem Asphalt und weiter geschwungenen Bögen höhere Kurvengeschwindigkeiten und weckt alle Sportsgeister.
BMW R 1150 RS
Die Erwartungen waren groß. Jahrelang machte die brave R 1100 RS während der 90er-Jahre im Sporttouring-Segment seriös und auch recht erfolgreich einen guten Job. So weit, so gut. Aber vom Nachfolger erhoffte sich nicht nur die Fachpresse etwas mehr Schwung. 2001 kam dann die 1150er, doch statt der Revolution bot sie lediglich eine sanfte Evolution: sechster Gang, besserer Wetterschutz, gezügelter Benzindurst. Sehr vernünftig. Und ganz klar ein freundlicher Wink in Richtung Tourer-Fraktion. Sportfans werden mit der R 1150 RS in der Tat nicht besonders glücklich, denn die flexible Verbindung vom gummigelagerten Lenker zur Telelever-Vorderradführung unterbindet praktisch jedes Feedback. Und 254 Kilogramm Gewicht sind bei Expresstempo außerdem eine Menge Holz.
Trotzdem: Die Schräglagenfreiheit ist groß, das Handling gut, und die Federelemente schlucken fast alles, so dass die RS über Straßen zweiter Klasse trotz wenig rekordverdächtiger 95 PS vielen Sportmotorrädern das Rücklicht zeigt. Und während Sprintspezialisten schon auf Mittelstrecken die Ausdauer des Piloten arg strapazieren, surft der BMW-Treiber auch bei einem Marathon-Tagespensum noch entspannt über den Asphalt. Spurtreu, gut ausbalanciert und viel agiler als etwa die Kollegen von der Volltourer-Truppe bietet sie einen guten Kompromiss aus Komfort und Dynamik. Und die ABS-Bremse – einst das Maß der Dinge – erfüllt auch heutzutage noch höchste Ansprüche.
Ausgestattet mit dieser ABS-Bremse, Heizgriffen, Koffern (ursprünglich teures Sonderzubehör) sowie einer Steckdose, einem verstellbaren Windschild und einem gut erreichbaren Handrad zum Einstellen des Federbeins (alles serienmäßig), ist die bis 2006 angebotene 1150er als Gebrauchte mittlerweile selbst bei kleinerem Budget erschwinglich. Der ganz großen Nordkap- oder Sizilien-Tour steht also nichts entgegen, mit der R 1150 RS, einer vielseitigen und verlässlichen Begleiterin, wird der Fernreisende wirklich nicht enttäuscht.
Plus
+ Reichweite außerordentlich groß
+ Windschutz auch für lange Menschen ab 1,85 Meter ausgezeichnet
+ Ausstattung in der Regel üppig und auf Tourenfahrer zugeschnitten
Minus
- Boxermotor kommt vergleichsweise lustlos rüber
- Feedback durch gummigelagerten Lenker eingeschränkt
- Gewicht recht hoch
Marktsituation
Im Reigen der Sporttourer werden für die R 1150 RS noch vergleichsweise hohe Preise gefordert. Deutlich unter 5000 Euro sind fast nur stark abgenutzte Exemplare mit Laufleistungen weit jenseits von 50000 Kilometern zu finden. Wobei nachweislich ordentlich gepflegte und gewartete (lückenloses Scheckheft) Maschinen auch mit sehr vielen Kilometern auf der Uhr genügend Interessenten anlocken. Das Angebot an Top-Offerten ist allerdings überschaubar. Im Zweifel lieber in Geduld üben, statt blind zu kaufen! Generell wird die RS, anders als viele überteuerte R 1150 R oder GS, vergleichsweise fair gehandelt.
Technische Daten
Luft-/ölgekühlter Zweizylinder-Vier-takt-Boxermotor, 1130 cm3, 70 kW (95 PS) bei 7300/min, Gewicht 254 kg, Zuladung 196 kg, Tankinhalt/Reserve 23/4 Liter, Sitzhöhe 830 mm, Höchstgeschwindigkeit 218 km/h, Verbrauch (Landstraße) 5,4 l/100 km Normal.
Tourentipp von BMW
In Bayern bietet sich ein ideales Revier für die R 1150 RS: Rund um den Großen Arber im Bayerischen Wald finden sich landschaftlich wunderschöne und sportlich anspruchsvolle Motorradstrecken. Vielfältige Rastmöglichkeiten laden zudem ein, die weißblaue Lebensart zu genießen.
MOTORRAD sagt:
Lokalpatriotismus kann miefen, in diesem Fall nicht. Der Bayerische Wald ist wirklich eine erstklassige Alternative zum Alpenprogramm, besonders für die aus nördlichen Bundesländern Anreisenden. Die Autobahn-etappen über die A9 und A93 oder A7 und A3 sitzt man auf der komfortablen R 1150 RS auf einer Pobacke ab, und dann heißt es: rein ins Vergnügen! Die Strecken zwischen Bischofsmais, Zwiesel und Bad Kötzting bieten genügend Kurven, dass einem schwindelig werden kann. Ein Touren-Erlebnis der ganz besonderen Art ist zu Jahresbeginn ein Besuch des Elefantentreffens bei Thurmansbang im Bayerischen Wald, 40 Kilometer nördlich von Passau. Praktisch, dass die meisten RS mit Heizgriffen ausgestattet sind. Da zählen auch bei Schnee und Frost keine Ausreden, warum man zum weltweit größten Winter-Motorradtreffen nicht auf Achse anreisen sollte.
Ducati ST 4/S
Schlank ist die 1998 vorgestellte ST 4 (2001 wurde die ST 4 S eingeführt). Kein Hüftgold, keine Pausbacken stören die schnittige Silhouette. Lustvoll richtet sich der Blick auf die schönen Formen. Genug geschwärmt? Dann aber los! Und bitte nicht weiterträumen, denn in Fahrt verlangt die Duc volle Aufmerksamkeit, will gepusht und getrieben werden. Das Fahrwerk ist eher was für Hartgesottene, ermöglicht dafür messerscharf gezogene Radien. Beim Kuppeln ist eine starke Hand gefragt, und Bremsen ist mitunter eine etwas holzige, derbe Angelegenheit, wenngleich die Stopper absolut ausreichend kurze Bremswege hinzaubern können (ab Oktober 2002 wurde die ST 4 S auch mit einem sehr sportlichen, erst spät ansprechenden ABS angeboten). Der von der supersportlichen 916 (ST 4, 105 PS) respektive 996 (ST 4 S, 120 PS) geerbte Zweizylinder gibt sich kultiviert und drückt die Pferdchen unter dunk-lem Bollern und allerlei mechanischen Nebengeräuschen mächtig auf den Asphalt – betulicheren Tourenfahrern kann da angst und bange werden. Das ist sexy, und solche Gefühle sind im bisweilen etwas biederem Sporttouring-Segment nicht gerade Standard. Allerdings darf man nicht verkennen: Trotz akzeptablem Soziusplatz, Hauptständer, gutem Windschutz sowie einem für längere Etappen ausgelegten 20-Liter-Tank und sogar einer Bordstrom-Steckdose ist das bis 2005 gebaute Motorrad kein Tourer, sondern eindeutig ein Sportler. Aber ein sehr bequemer.
Im 50000-Kilometer-Langstreckentest von MOTORRAD machte die Ducati aber deutlich, dass sich besser nur echte Fans (oder motivierte Schrauber) mit ihr einlassen sollten: Undichtes Scheinwerfergehäuse, rubbelnde Bremsen, eine verschlissene Ventilsteuerung, defekte Schalter sowie schnell dahinsiechende Kupplungsreibscheiben machten die ST zum Stammgast in der Werkstatt. Derartige (mitunter sehr kostspielige) Fehltritte sollte man besser mit viel Sportsgeist nehmen, dann ist eine langfristige Bindung kein Problem. Langweilig wird einem mit der Ducati sicher nicht.
Plus
+ V2-Motor kräftig, drehfreudig, charismatisch
+ Kraftstoffverbrauch erfreulich gering
+ Ausstrahlung und Fahrerlebnis aufregend
Minus
- Federgabel mit mäßigem Ansprechverhalten
- Unterhaltskosten überdurchschnittlich hoch
- Kupplung sehr schwergängig
Marktsituation
Während die Supersport-Schwestern Ducati 916 und 996 trotz teils überzogener Preise leicht einen Abnehmer finden, tun sich die ST-Modelle mit gleichen Motoren und deutlich faireren Preisen ungleich schwerer. Manche Händler lassen lieber gleich die Hände von den potenziellen Standuhren. Ordentlich gepflegte und gewartete ST 4 werden ab 2500 Euro angeboten. Viel teurer als 4000 Euro sollten sie aber selbst mit geringen Laufleistungen unter 20000 Kilometern nicht sein. Vernünftige Preisforderungen für die ST 4 S liegen zwischen 4000 und 5500 Euro. ABS-Modelle sind sehr selten und kaum unter 5000 Euro im Angebot.
Technische Daten
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertaktmotor, 996 cm3, 88 kW (120 PS) bei 8800/min, Gewicht 231 kg, Zuladung 189 kg, Tankinhalt/Reserve 21/6 Liter, Sitzhöhe 820 mm, Höchstgeschwindigkeit 254 km/h, Verbrauch (Landstraße) 5,4 l/100 km Super.
Tests in MOTORRAD
25/1998 (T), 23/1999 (VT), 26/2000 (LT), 9/2001 (VT), 15/2001 (VT), 21/2001 (VT), 26/2002 (VT), 7/2005 (VT)T=Test, VT=Vergleichstest, LT=Langstreckentest; Nachbestellungen unter Telefon 0711/182-1229
Internet
Fansites: www.diva-di-bologna.de, www.italobikes.de
Tourentipp von Ducati
Brennerpass und seine Kurven
Stattliche Reichweite und Tourenkomfort für zwei gepaart mit sportlichen Genen das erlaubt einen breiten Einsatzbereich von Autobahnetappen bis zum flotten Passstraßen-Surfen. Besonders heimisch fühlt sich eine Ducati ST auf jeden Fall jenseits des Brenners.
MOTORRAD sagt:
Nach Alpen und Brennerpass am besten südwärts weiterbrennen auf der Autobahn in Richtung der Heimatstadt der Roten, Bologna. Unser Tipp: Bei Rovereto runter von der Bahn. Ab Riva del Garda lockt eine wie für die ST 4 geschaffene Vier-Seen-Runde. Von Riva aus zunächst durchstarten zum nahe gelegenen Lago di Ledro, dann weiter durch das Ampola-Tal zum Lago d'Idro, an dessen Südspitze man ostwärts abbiegt auf eine sich berauschend schlängelnde Bergstraße zum Stausee Lago di Valvestino. Danach weitersurfen bis Gargnano, von wo aus es auf der Westuferstraße des Gardasees nordwärts mit imposantem Panoramablick gemächlich zurückgeht nach Riva. Abschließend die graziöse ST 4 so parken, dass sie gut zur Geltung kommt und an der Seepromenade bei Cappuccino und Eisbecher den typischen Flair von Bella Italia aufsaugen.
Triumph Sprint RS
Wenn ein Kompromiss die goldene Mitte darstellt, kann wohl jeder damit leben. So gesehen, lässt es sich mit einer Sprint RS (gebaut von 1999 bis 2004) sehr gut auskommen. Ihr kräftiger und standfester 955er-Triple ist der ideale Kompromiss zwischen Zwei- und Vierzylinder und zwischen Sport und Tour. In der Sporttouring-Liga spielt sie deshalb groß auf, zeigt Profil, ohne kapriziös rüberzukommen, liefert Top-Leistungen ab, ohne dafür überzogene Ablösesummen zu fordern. Wem also die japanische Spielart zu nüchtern, italienische Leidenschaft zu viel des Guten und die deutsche Taktik effizienter Zurückzuhaltung mit allen erdenklichen Sicherheitsreserven einfach zu lahm ist, liegt mit der Britin genau richtig – in der goldenen Mitte.
Die Sprint RS ist jedenfalls für alle Schandtaten zu haben. Leichtfüßig, jedoch nicht überhandlich, mit bärenstarkem Motor und einer Leistungskurve wie mit dem Lineal gezogen spurtet die Triumph nach vorn, als gäbe es kein Nachher. Von 60 auf 100 km/h in vier Sekunden, vier weitere Sekunden bis 140 km/h – das sind Durchzugswerte eines Top-Brenners vom Schlage einer Suzuki Hayabusa. Und wie die drei Zylinder solche Sprint-Orgien mit Gänsehaut verursachendem Sound untermalen, muss man schon selbst erfahren haben. Nüchterne Strategen können sich außerdem notieren: Das Fahrverhalten bleibt jederzeit berechenbar, die Trinksitten sind geradezu puritanisch, und fein ansprechende, starke Bremsen sorgen für die nötige Sicherheit. Zu mäkeln gibt es wenig: Die Abstimmung der Gabel ist zu sanft ausgefallen und vereitelt bei holpriger Strecke einen sauberen Strich. Der Windschutz könnte für schnelle Autobahntrips besser sein. Und kleine Fahrer unter 1,70 Meter müssen sich über den langen 21-Liter-Tank ganz schön strecken, um die Lenkerhälften gut im Griff zu haben. Derartige Probleme ließen sich jedoch gut mit anderen Gabelfedern, einem tourentauglicheren Windschild und einem verstellbaren Superbike-Lenker lösen. Lediglich das knorrige Sechsganggetriebe gibt sich kompromisslos widerspenstig. Aber auch damit kann man eigentlich ganz gut leben.
Plus
+ Durchzug und Beschleunigung beeindruckend
+ Bremsen packen fest zu und sind sehr gut zu dosieren
+ Zuladung enorm hoch
Minus
- Gabel-Set-up mit Mängeln
- Getriebe nicht besonders exakt, erfordert nervige Schaltarbeit
- Verfügbarkeit auf dem Gebrauchtmarkt eher niedrig
Marktsituation
Zeitgleich mit der RS bot Triumph seinerzeit die vollverkleidete Spint ST an, so dass sich die Kundschaft auf die beiden ähnlich gearteten Modelle verteilte. Wegen der hausinternen Konkurrenz verkaufte sich die RS nicht in großen Stückzahlen, dementsprechend dünn ist das Angebot an gebrauchten Maschinen. Die Nachfrage ist ebenfalls etwas verhalten. Daraus resultieren attraktive Preisforderungen von nur 3000 bis 4000 Euro für scheckheftgepflegte Exemplare mit weniger als 30000 Kilometern. Es gibt aber durchaus einige clevere Interessenten, die um die Qualitäten der RS wissen und bei Top-Offerten schnell zugreifen.
Technische Daten
Wassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, 956 cm3, 88 kW (120 PS) bei 9100/min, Gewicht 231 kg, Zuladung 269 kg, Tankinhalt/Reserve 21/3 Liter, Sitzhöhe 820 mm, Höchstgeschwindigkeit 244 km/h, Verbrauch (Landstraße) 4,0 l/100 km Super
Tests in MOTORRAD
2/2000 (VT), 10/2000 (VT), 13/2000 (VT), 11/2002 (TT), 8/2003 (VT)
T=Test, TT=Top-Test, VT=Vergleichstest; Nachbestellungen unter Telefon 0711/182-1229
Internet
Fansites: http://sprinter-forum.net
Tourentipp von Triumph
Lake District und seine Bergstraße
Die Sprint RS mag alles Englische wie Linksverkehr, lauwarmes Bier und Fish & Chips. Besonders angetan aber ist sie vom Lake District. Auf den kurvigen Bergstraßen kann sie ihr tolles Handling und ihren drehmomentstarken Motor bestens in Szene setzen.
MOTORRAD sagt:
Für gutes Essen ist England genauso wenig berühmt wie für umwerfende Motorradstrecken – selbst beim Fußball überlassen sie die großen Titel anderen europäischen Mannschaften. Aber: Wer mit der Sprint RS die etwas nervige Anfahrt (Autobahn, Fähre) auf die Insel gemeistert hat, sollte weiter nach Norden in den Lake District hinter Lancaster reisen. Dort gibts Überraschendes: zum Beispiel die Pässe Hardknott und Wrynose sowie knackig enge Asphalt-Gewürme mit bis zu 30 Prozent Steigung. Oder tolle Ausblicke auf der Runde über Ambleside, Windermere und Hawkshead, wo sich im Frühling am Fahrbahnrand violett-plüschiger Rhododendron in eine tiefgrüne Parklandschaft bettet. Die Straßen im Lake District sind oft kaum breiter als die Sprint RS mit zwei Koffern, dafür gibts hier eine Weite und Einsamkeit, wie sie in Europa sonst kaum zu finden ist.
Alternativen
Ein Streifzug durch das Angebot an preisgünstigen europäischen Sporttourern offenbart eine große Vielfalt. Jedenfalls lassen sich auch mit weniger als 5000 Euro in der Tasche gute und etwas exklusivere Alternativen zu japanischer Massenware finden. Bei diesem Budget bieten sich sehr unterschiedliche Charaktere an, vom souveränen Tourendampfer mit viel Sportsgeist bis hin zum auf Reisekomfort getrimmten Boulevard-Renner. Die mitunter extravaganten Maschinen findet man allerdings nicht an jeder Ecke, etwas Recherchearbeit zur Erfüllung des Traums sollte man deshalb einplanen.
Alternativ: Aprilia RST Futura
Aprilia RST Futura
Super Windschutz, prima Ergonomie, klasse Soziustauglichkeit. Allerdings kein ABS und kein geregelter Kat. Bei Tourenfahrern drückt das den Preis. Bereits ab 3500 Euro finden sich gute Offerten für das zuverlässige, eher sportlich ausgelegte Motorrad aus Noale, Italien. Daten: 114 PS, 242 km/h, Gewicht 242 kg
Alternativ: BMW R 1100 RS
BMW R 1100 RS
Die tourenorientierte BMW ist im Bestand stark vertreten. Es sollte also kein Problem sein, eine gute Gebrauchte in seiner Nähe zu orten. Tipp: Nie ohne ABS kaufen, sonst sind die Wiederverkaufschancen schlecht. Ab rund 3000 Euro gibt’s ordentliche Gebrauchte mit Bremsassistent. Daten: 90 PS, 217 km/h, Gewicht 246 kg.
Alternativ: BMW K 1200 RS
BMW K 1200 RS
Der ultimative Sporttourer aus Bayern hieß ab 1997 K 1200 RS. Der Vierzylinder mit Wahnsinns-Drehmoment ist eine Dampfmaschine, die als Gebrauchte um die 5000 Euro sehr gefragt ist. Für das Geld im Angebot: zehn Jahre alte Maschinen mit ABS und weniger als 50 000 Kilometern. Daten: 130 PS, 251 km/h, Gewicht 290 kg.
Alternativ: Ducati ST2
Ducati ST2
Sie eröffnete bei den Roten 1997 die Modellreihe der Sporttourer. Bequem, vielseitig und wegen des Desmo-Zweizylinders dennoch ein typisches Mitglied des Bologna-Clans. Die bis 2004 gebaute ST 2 ist wenig beliebt und schon ab 2500 Euro zu bekommen. Daten: 83 PS, 222 km/h, Gewicht 230 kg.
Alternativ: Moto Guzzi V11 Le Mans
Moto Guzzi V11 Le Mans
Die tradiitonsreiche Le Mans gilt zwar als Sportler, würde im Ring jedoch keinen Blumentopf gewinnen. Auf der Landstraße erobert sie das Herz hingegen im Sturm. Die V11 ist wie gemacht für leidenschaftliche Touren, unter 5000 Euro allerdings sehr selten im Angebot. Daten: 91 PS, 225 km/h, Gewicht 246 kg.
Alternativen: MZ 1000 S
MZ 1000 S
Deutsche Wertarbeit, die leider kaum wertgeschätzt wurde. Geringe Stückzahl heißt natürlich geringes Gebrauchtangebot. Die Suche lohnt sich aber, denn die 1000 S (2004 bis 2007) ist ein leichter, super solider Sporttourer, der um 5000 Euro einen guten Gegenwert bietet. Daten: 115 PS, 240 km/h, Gewicht 215 kg.
Alternativen: Triumph Sprint ST
Triumph Sprint ST
Die touristischere Variante zur RS heißt Sprint ST und war von 1998 bis 2004 im Programm. Aktuell, mit 1050er-Motor, ist sie eines der Erfolgsmodelle von Triumph. Die leicht ergraute 955er-ST ist hingegen nur mäßig gefragt und deshalb preisgünstig. Daten: 120 PS, 241 km/h, Gewicht 242 kg.
Alternativen: Voxan Café Racer
Voxan Café Racer
Ein hochspannendes Motorrad, sehr exklusiv. Macht sich auf dem Secondhandmarkt allerdings so rar wie ein Sibirischer Tiger in freier Wildbahn. Wer Zeit und Geduld mitbringt, kann um 5000 Euro Exemplare mit Laufleistungen unter 20 000 Kilometern ab Baujahr 2001 finden. Daten: 98 PS, 235 km/h, Gewicht 223kg.