Honda NX 650 Dominator im Check

Honda NX 650 Dominator im Check Flinker Allrounder mit Offroad-Talenten

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1988 brachte Honda mit der NX 650 Dominator ein Motorrad, das unscheinbar aussah und doch beachtliche Offroad-Talente mitbrachte, die sie nicht nur im Großstadt-Dschungel gut aussehen ließen.

Honda NX 650 Dominator im Fokus Jacek Bilski
Honda NX 650 Dominator im Fokus
Honda NX 650 Dominator im Fokus
Honda NX 650 Dominator im Fokus
Honda NX 650 Dominator im Fokus 15 Bilder

Africa Twin gekauft, heimlich aber stets für die Dominator geschwärmt – das beschreibt kurz und knapp mein Verhältnis zur Honda NX 650, deren Konzept ich vor 30 Jahren sehr attraktiv fand. Als immer mehr Enduro-Singles mit immer üppigeren Tanks und Verkleidungen den Eindruck erweckten, es zähle nur noch der schnellste Weg von Paris nach Dakar, setzte die schlanke Dominator einen reizvolle Kontrast. Der mich letztlich nur deswegen nicht zum Kauf bewog, weil die Preisdifferenz zwischen der universelleren XRV 650 und dem 650er-Single relativ gering war. Mit einem Listenpreis von 8.870 Mark zählte die NX 650 zu den teuersten Einzylindern.

Erstmalige Gelegenheit eine 1988er-Dominator zu fahren

Unerschwinglich für einen Studenten wie Michael Sperling! Der Dominator-Fan der ersten Stunde konnte sich seinen Traum erst 1992 mit einer vier Jahre alten Gebrauchten erfüllen. Seitdem ist er der Dominator treu geblieben, fuhr mit ihr durch halb Europa und sogar bis nach Namibia. Mit der Honda hat er viele Höhen, aber auch Tiefschläge erlebt, die der Diplom-Geologe auf seinen unterhaltsamen und informativen Seiten im Netz beschreibt (www.nx650dominator.de). Weil Michael dort so gründlich auf alle Schwachpunkte der NX und deren Beseitigung eingeht, zudem viele wertvolle und ausführliche Technik-Tipps gibt, wie sie hier kaum möglich wären, empfehle ich bei technischen Fragen zur Dominator gerne dessen hervorragende Homepage.

So kann ich mich beim Ortstermin am Fuß der Schwäbischen Alb voll und ganz auf Michaels NX 650 konzentrieren. Erstmals bekomme ich die Gelegenheit, eine originale Dominator aus dem 1988er-Baujahr zu fahren! Der 52-Jährige hat sich die schwarze Schönheit erst im vergangenen Jahr zugelegt – „anlässlich des anstehenden Jubiläums“. Schnell wird mir im Gespräch klar, dass ich es hier mit einem Experten zu tun habe, der zwar sein Herz an die „Dominas“ verloren hat, nicht aber den Verstand. Im Gegenteil, bei aller Faszination hat sich Michael einen klaren Blick auf die NX-Singles bewahrt. „Die 650er hat ein paar Schwächen, die man kennen sollte, um lange Freude an ihr zu haben. Sonst droht Ärger durch Überhitzung oder Ölmangel, was sogar zu kapitalen Motorschäden führen kann.“

1988er-Domi mit bestem Sound

So geschehen bei seinem ersten Exemplar. Das hat nach Motorüberholung, anschließendem Crash und zweimaligem Umbau – zuerst zum Scrambler, dann zum puristischen Roadster – mittlerweile die 120.000-Kilometer-Marke geknackt. Nun, Gedanken über eventuelle Motor-Malaisen brauche ich mir bei Michaels gepflegter Maschine nicht zu machen. Die stammt aus erster Hand, ist zwar schon 50.400 Kilometer gelaufen, aber noch topfit. „Außer dem Beschichten der angerosteten Schwinge musste ich neben den üblichen Wartungsarbeiten mit Austausch aller Flüssigkeiten nur einen Simmerring am Ausrückhebel der Kupplung wechseln. Mehr war am Motor nicht zu machen.“ Spricht’s und drückt zum Beweis aufs Knöpfchen.

Honda NX 650 Dominator im Fokus
Jacek Bilski

Prompt stampft der 100er-Kolben mit entspannter Leerlaufdrehzahl auf und ab, übertönt kerniges Bollern aus den beiden kurzen Töpfen die mechanische Geräuschkulisse, die angesichts der zahlreichen Bauteile im Vierventil-Radialkopf erstaunlich dezent ausfällt. „Nur das erste Baujahr mit offenem Ansaugschnorchel und den großen Auspuff-Auslässen hat diesen herrlichen Sound“, schwärmt Michael mit genussvollem Lächeln und zupft am Gas. „Für Puristen ist das 1988er-Modell aber auch wegen der Edelstahlkrümmer, des golden beschichteten Lenkers und des Kickstarters die erste Wahl“, gibt er mir noch mit auf den Weg, bevor ich die sauber dosierbare Kupplung einrücke.

NX winkelt ausgesprochen flink ab

Willig hängt der Einzylinder am Gas, lässt dank kurzer Übersetzung in den unteren Gängen schon bei niedrigen Touren seine Muskeln spielen. Im vierten und fünften Gang braucht es jedoch eine gefühlvolle rechte Hand und mindestens 2.500/min, um die Dominator ohne Hacken hochzubeschleunigen. Am wohlsten fühlt sich der großvolumige Single im mittleren Drehzahlbereich, wo er jeden Gasbefehl mit sattem Antritt beantwortet. Dank passend gestuftem Fünfganggetriebe wirkt die NX 650 auf Landstraßen richtig spritzig, obwohl „kaum eine Serien-Dominator je die angegebene Leistung erreicht haben dürfte“, wie mir Michael später erklärt. Egal. Denn auf der nicht besonders üppig gepolsterten und recht kurzen Sitzbank vermisse ich im Moment gar nichts. Wenn der Big Single auf kleinen Landstraßen nämlich das ganze Repertoire seines breit gefächerten Unterhaltungsprogramms ausspielt, ist man mit dem Oldie immer noch gut bei der Musik. Mit ihrem wohlklingenden Einzylinder-Bass macht die Ur-Dominator jeden Ausritt zu einem solch intensiven akustischen Erlebnis, dass Gedanken über eventuell fehlende Pferdchen gar nicht erst aufkommen.

Honda NX 650 Dominator im Fokus
Jacek Bilski

Zumal der Einzylinder die Nadel des ruhig und übersichtlich anzeigenden Drehzahlmessers willig bis an den roten Bereich treibt. Was jedoch weder notwendig noch auf Dauer empfehlenswert ist – für schnelle Autobahnpassagen gibt es definitiv passendere Untersätze, schon wegen der Gefahr der Überhitzung, die Michael anklingen ließ. Immerhin, die Laufkultur des Honda-Singles ist selbst bei höheren Drehzahlen noch angenehm. Letztere braucht es im Winkelwerk drittklassiger Alb-Sträßchen nun wirklich nicht. Ich halte die schwarze Domi in ihrem Wohlfühlbereich und genieße das stressfreie, berechenbare Fahrverhalten im Wechselspiel der Radien. Mit ihren schmalen Gummis – Michael hat extra die Dunlops der Erstausrüstung mit dem charakteristischen, pfeilförmigen Profil aufziehen lassen – treffe ich jede angepeilte Linie. Die NX winkelt ausgesprochen flink ab und verkneift sich unliebsame Eigenarten, selbst wenn in engen Serpentinen doch mal korrigiert werden muss.

Alles geht locker von der Hand

Sogar die Bremsen, ja auch die 30 Jahre alten Federelemente spielen beim Kurvenrausch mit, absorbieren trotz ihres Alters und der Laufleistung grobe wie kleine Verwerfungen erstaunlich gut. Als „Dominator“ der Honda geht mir am niedrigen Lenker der vollgetankt 176 Kilogramm leichten 650er alles so locker von der Hand, dass ich innerlich dem damaligen Honda-Entwicklungschef Takeo Fukui nachträglich gratulieren möchte. Und zwar für die Entscheidung, dass er die NX 650 nicht als verkappten Wüstenrenner konzipierte, sondern als Allrounder für überwiegenden Einsatz auf Asphalt. Irgendwie muss ich schon damals geahnt haben, dass diese Ausrichtung gut zu mir passen könnte, sonst wäre die Dominator ja nicht mein heimlicher Schwarm gewesen. Obwohl ich Enduros wirklich mag, hatte und habe ich mit gröberen Erdferkeleien nichts am Hut, dafür fehlt es mir an Können und Erfahrung.

Honda NX 650 Dominator im Fokus
Jacek Bilski

Weshalb mich einst sowohl der erste Fahrbericht (MOTORRAD 24/1987) als auch die Geländewertung des großen Enduro-Vergleichs (MOTORRAD 16/1988) kalt ließen. Hier wie dort bescheinigten die Tester der NX 650 beste Offroad-Eigenschaften. Die ich aus besagten Gründen allerdings sowieso nicht auskosten konnte, siehe oben. Heute verbieten sich solche Gelände-Eskapaden ohnehin, wie Michael mahnt: „Schon bei einem Umfaller geht die Verkleidung rasch zu Bruch – ein teurer Spaß. Zudem sind die meisten Verkleidungsteile und Aufkleber schon lange nicht mehr neu erhältlich.“ Na bitte, sag ich doch! Von Hondas Werbetextern fühlte ich mich aber auch nie angesprochen. Sie fabulierten, die Dominator tauge „allen Hopis, Hippies, Yuppies, Navajos und Normalos“. Aufs Naheliegendste kamen sie aber nicht – dass die NX 650 allen passt, die einfach nur Spaß haben wollen!

Fazit

Nachdem ich einem alten Kumpel von meinem „Domina“-Erlebnis berichtete, fragte er mich, wie eine Entscheidung zwischen XRV 650 und NX 650 denn heute ausfallen würde. Ich musste nicht lange überlegen: Natürlich würde ich wieder eine gut erhaltene 650er-Africa Twin kaufen – weil in meiner Garage seit Kurzem schon eine 1992er-Dominator parkt!

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