In kaum einer anderen Kategorie gibt es so viele unterschiedliche Konzepte wie bei den Sporttourern. Zwei-, Drei- und Vierzylinder in jeweils noch verschiedenen Anordnungen balgen sich um die Vorherrschaft in diesem Marktsegment. Der Ducati Desmotre, der nun die ST 3 befeuert und nach vorn bringen soll, führt eine weitere spannende Motorkonfiguration ein. Das Dreiventiltriebwerk soll mit dem kräftigen Antritt des Zweiventilers und der Drehfreude des Vierventilers alle Vorteile in sich vereinen. Der wassergekühlte Motor basiert auf dem luftgekühlten 1000er, der die Multistrada, SS 1000 DS und Monster 1000 antreibt, Zylinderköpfe, Pleuel, Kolben und natürlich die Ventile sind neu.
Dass es für die Ducati trotz eigenständiger Technik schwierig wird, liegt auf der Hand. Der bisherige Klassenprimus, die Honda VFR-ABS hat sich in den vorangegangenen Tests als eifrige Punktesammlerin ohne gravierende Schwächen behauptet und steht bisher einsam an der Spitze der MOTORRAD-Punktewertung. Suzuki setzt bei der Bandit auf Hubraum und bewährte Technik und wurde dafür mit hohen Verkaufszahlen belohnt. Nicht mit drei Ventilen, aber dafür mit drei Zylindern lockt die Triumph Sprint ST, die mit angegebenen 118 PS dieses Feld leistungsmäßig anführt. Als nominell schwächste, aber auch nicht gerade untermotorisiert fährt die BMW R 1150 RS mit ihren 95 PS im Feld mit.
Auf der ersten Etappe einer ausgedehnten Testfahrt von Stuttgart nach Grenoble müssen die fünf Tourensportler die Qualitäten ihres Wind- und Wetterschutzes unter Beweis stellen. Gilt es doch, auf der Autobahn die Höhen des Jura zu überwinden, um dem frostigen Wetter Deutschlands zu entkommen und im Süden Frankreichs auf die erhofften milderen Temperaturen zu treffen.
Die ST 3 gestattet dem Piloten eine sehr entspannte Sitzposition und und schützt ihn mit einer riesigen Kuppel hervorragend vor Wind und Wetter. Die Griffe der hoch aufragenden und breiten Lenkerhälften, in der Höhe um 20 Millimeter verstellbar, liegen gut in der Hand und lassen die Ducati schon auf den ersten Metern sehr handlich erscheinen. Reichhaltig und bei langen Autobahnfahrten sehr unterhaltsam gestaltete Ducati die Instrumentierung. Uhrzeit, Tageskilometerzähler, Restkilometerzähler bis zum fälligen Tankstopp - sogar bis hin zur Verbrauchsanzeige befriedigt die ST 3 jeglichen Informationswunsch.
Typisch Ducati ist leider die Kupplung geblieben, die eine sehr hohe Handkraft erfordert. Dafür legt der Desmotre, der schon vom Start weg sauber gelaufen war, los wie die Feuerwehr. Schon knapp über 2000 Umdrehungen spricht er auf jede Gasgriffbewegung an und zieht und zieht. Mit gemessenen 107 PS liegt er fünf PS über der Herstellerangabe und bestätigt damit den subjektiven Eindruck. Damit nicht genug, er geht auch noch recht sparsam mit dem Futter um. Ein Verbrauch von 5,3 Litern bei Tempo 130 ist durchaus beachtlich. Keine Frage, das Triebwerk hat das Zeug zum Gipfelstürmer.
BMW und Triumph haben eine Gemeinsamkeit, die sie bei frostigen Temperaturen sehr beliebt macht. Sie sind mit zweistufigen Griffheizungen ausgestattet. Auf Stufe zwei heizen die Griffe der Triumph den BMW-Exemplaren dermaßen ein, wie es der starke Dreizylinder der ST mit dem Boxer macht. Mit seiner turbinenartigen Laufkultur und mit einer Leistungskurve gesegnet, die erst im Himmel zu enden scheint, ist die Triumph bestens gerüstet. Wie von einem Gummiband gezogen, beschleunigt die ST über den gesamten Drehzahlbereich. Einmalig dabei ist der heisere Klang des Dreizylinders.
Leider kommt dieser Vorteil auf der langen Autobahnetappe nicht so richtig zum Tragen. Der nur mäßige Windschutz auf der Triumph mit ihrer recht niedrigen Verkleidungsscheibe macht höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten anstrengend und nicht empfehlenswert. Ärgerlicher als der mittelmäßige Windschutz ist die merkwürdige Tankuhr. Auf den ersten einhundert Kilometern bewegt sich der Zeiger nämlich keinen Millimeter um dann innerhalb von 40 Kilometern bis kurz vor den Reservestrich abzufallen und den Fahrer zu beunruhigen. Der Restsprit reicht zwar theoretisch noch mal für die gleiche Strecke, ausprobieren wollte das aber freiwillig niemand.
Über frierende Finger konnte sich der BMW-Fahrer ja nicht beklagen, rundum zufrieden ist er dennoch nicht. Zwar ist der Windschutz hinter der höhenverstellbaren Scheibe für Fahrer mittlerer Statur ganz passabel, jedoch ist der Boxer auf der Autobahn nicht gerade ein Quell der Freude. Auch mit Doppelzündung kann er sein Alter nicht leugnen. Im mittleren Bereich steht ein kleines Drehmomentplateau zur Verfügung, welches aber rasch wieder abfällt, im oberen Drehzahlbereich geht dem Vierventiler schlicht die Puste aus. Damit nicht genug, nervt er über den gesamten Drehzahlbereich mit ausgeprägten Vibrationen. Die starken Lastwechselreaktionen seines Sekundärantriebes sind zwar auf der Autobahn nicht so gravierend, fallen aber trotzdem auf. Dafür glänzt die R 1150 RS mit einstellbaren Lenkern und einer höhenverstellbaren Sitzbank, auf der große wie kleine Fahrer eine optimale Position finden.
Im Vergleich zur Ducati tendiert die Sitzposition auf der VFR in Richtung sportlich. Tiefere Lenkerenden verlagern deutlich mehr Gewicht auf die Handgelenke und bewirken eine weiter nach vorn gebeugte Sitzposition, was jedoch wiederum den Vorteil mit sich bringt, dass der Fahrer besseren Windschutz hinter der niedrigeren Scheibe genießt. Zu der keineswegs unbequemen Sitzposition liefert das V-Tec-System auch gleich die passende Akustik. Im unteren Drehzahlbereich verhält sich der V4 angenehm zurückhaltend, ja schon fast langweilig. Wenn aber oberhalb von 7000 Umdrehungen dieses System von Zwei- auf Vierventilbetrieb umstellt und die VFR von einem herrlich bösen Röhren untermalt, einen Leistungsschub bekommt, fühlt man sich schlagartig wie auf einem Supersportler. Trotzdem können der Leistungsschub und eine akzeptable Spitzenleistung von 106 PS nicht verheimlichen, dass der VFR-Antrieb im Gegensatz zur Konkurrenz nur 800 Kubikzentimeter hat und im Drehmomentverlauf der hubraumstärkeren Konkurrenz unterlegen ist.
An Hubraum mangelt es der 1200er Bandit mit Sicherheit nicht. Und diesen Vorteil spielt sie gnadenlos aus. Seidenweich, aber mit brutalem Schub aus dem Drehzahlkeller immerhin liegt das höchste Drehmoment von 97 Newtenmetern schon bei 4300 Umdrehungen an - drückt der Reihenvierer den Verkaufsschlager von Suzuki vehement nach vorn. Schaltarbeit ist auf der Autobahn nicht mehr nötig. Der fünfte Gang reicht von Baustellen mit Tempo 60 bis hin zum Topspeed. Überraschend gut fällt der Windschutz der Halbverkleidung aus. Leicht geduckt finden auch größere Fahrer Schutz, so dass sie zügige Etappen relativ kommod überstehen. Große Unterschiede offenbaren sich bezüglich der Lichtausbeute der Scheinwerfer. Mit Abstand das beste Licht besitzen die Honda und Ducati. Während die BMW hier noch indirekt mit dem Telelever Punkte sammelt, da beim starken Bremsen die Front nicht so stark eintaucht und der Scheinwerfer weiter in die Ferne strahlt, sind die Scheinwerfer an Suzuki und Triumph doch eher bessere Positionslichter. Nach gut 600 mehr oder weniger aufregenden Autobahnkilometern trifft die Fünfergruppe bei Dunkelheit in Grenoble ein.
Am nächsten Morgen ist alles anders. Das Ziel: der Grand Canyon du Verdon. Diese beeindruckende Schluchtenlandschaft bietet mit ihren zum Teil sehr holprigen Serpentinen ideale Testbedingungen für die Fahrwerke der Sporttourer. Sogar die Temperaturen liegen noch über allen Erwartungen. Die Außentemperaturanzeige der VFR gibt zeitweilig wohltuende 17 Grad an.
Die Honda findet ein perfektes Terrain, um der Konkurrenz in den Schluchten einmal zu zeigen, wie sicher und schnell man auch auf schlechten Straßen unterwegs sein kann. Das sehr straffe VFR-Fahrwerk lässt sich selbst durch tiefe Löcher in der Asphaltdecke nicht aus der Spur bringen und folgt ungerührt der eingeschlagenen Richtung. Obwohl die Gabel nur in der Federbasis einstellbar ist, funktioniert sie in jedem Beladungszustand sehr gut. Das Federbein erfüllt seine Aufgabe zwar zur vollsten Zufriedenheit, allerdings musste die Zugstufendämpfung bis auf eine halbe Umdrehung zugedreht werden. Große Reserven bleiben da nicht mehr. Beinahe perfekt kann man die ABS-Bremse der Honda bezeichnen. Feinfühlig zu dosieren, geringe Handkraft, tolle Verzögerung, und wenn das ABS einmal eingreift, was sehr selten passiert, regelt es in so feinen Intervallen, das es fast unbemerkt bleibt.
Anders bei der BMW. Wegen des Bremskraftverstärkers lässt die Dosierung zu wünschen übrig, und wenn das ABS regelt, dann sehr grob. Die reine Bremswirkung und die geringe Handkraft dagegen sind über jeden Zweifel erhaben. So wie beim ABS hat BMW auch beim Fahrwerk einen anderen Weg eingeschlagen als Honda. Von ihrer Fahrwerksauslegung tendiert sie eindeutig mehr in Richtung Tourer als Sportler. Zwar liegen Geradeauslaufstabilität und Stabilität in Kurven auf einem Niveau mit der Konkurrenz, doch verliert sie in den Disziplinen Lenkpräzision und Handlichkeit deutlich an Boden. Gleichermaßen phänomenal und unerklärlich ist das Fahrverhalten mit dem Telelever und da macht auch die R 1150 RS keine Ausnahme. Ohne echtes Feedback vom Reifen bügelt man trotzdem mit der BMW voller Gottvertrauen über schaurigste, zum Teil noch nasse Straßen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was da gerade unter die Räder kommt. Beeindruckend.
Die Grundabstimmung der Triumph kann man zwar insgesamt als befriedigend bezeichnen, der Einstellbereich am Federbein ist dagegen eher unwirksam. Bei 37 möglichen Klicks in der Zugstufe ist zwischen ganz auf und ganz geschlossen kaum ein Unterschied zu verspüren. Die Druckstufe muss fast ganz geschlossen werden, eine etwas härtere Feder wäre wünschenswert.
Überraschend unkompliziert, aber auch ein bisschen langweilig bewältigt die 1200er Bandit die Serpentinen rund um den Grand Canyon du Verdon. Überraschend deswegen, weil die Testmaschine mit ihrem problemlosen Fahrverhalten deutlich besser lief als jene Bandit, die vor ein paar Wochen bei der Herbstausfahrt (MOTORRAD 24/2003) dabei war. Bei einer kleinen Recherche bei Suzuki Deutschland stellte sich im Nachhinein heraus, dass die Bandit von der Herbstausfahrt schon bei mehreren Stuntshows mitgewirkt hat und dabei wahrscheinlich nicht unbeschadet davongekommen ist. Daher resultieren nun auch kleine Unterschiede in der Punktevergabe. Ihr weich abgestimmtes Fahrwerk lässt sie zwar äußerst komfortabel über Buckelpisten treiben, dafür kommt sie aber an die Agilität der Konkurrentinnen nicht heran. In der Ruhe liegt die Kraft: Wer nach dieser Devise agiert, wird mit einer Menge Fahrspaß der etwas anderen Art belohnt.
Bei der ST 3 werden deutliche Unterschiede zur 2000 Euro teureren ST 4 S, die nun die einzige Alternative aus der ST-Familie ist, offenbar. Gabel und Federbein harmonieren nicht perfekt miteinander. Während die Gabel eher straff abgestimmt ist, setzt das Sachs-Federbein auf Komfort. Bei zügiger Fahrt über größere Unebenheiten wird es schwierig, die angepeilte Linie zu halten. Ebenfalls unzureichend für den sportlichen Einsatz ist die Schräglagenfreiheit. Hauptständer und Auspufftöpfe setzen hier relativ früh und sehr hart auf. Die Auspufftöpfe lassen sich zwar noch eine Etage höher anbringen, jedoch nur, wenn die Koffer zu Hause gelassen werden. So setzte auf der rechten Seite der Schalldämpfer so hart auf, dass sich die Klemmung zum Krümmer weitete und der Auspuff sich lockerte. Wirklich schade, da die ST 3 vom Handling und Motor her das Zeug zum Landstraßenjäger hat und dazu über sehr gute Tourer-Eigenschaften verfügt. So bleibt es angesichts der starken Konkurrenz für die ST 3 noch ein langer Weg zum Gipfel der Sporttourer und für uns ein weiter Heimweg.
1. Platz - Honda VFR-ABS
Honda VFR-ABS
Gegen den Punktesammler Honda VFR-ABS ist (noch) kein Kraut gewachsen. Zu homogen gelingt das Zusammenspiel von Motor, Fahrwerk und Sitzposition. Und dann diese fein dosierbare ABS-Bremse. Referenzklasse! Um wunschlos glücklich zu machen, bräuchte die VFR eigentlich nur noch 200 Kubik. Dann ließe sich auf ihr mit mehr Drehmoment noch souveräner sportlich touren.
2. Platz - Triumph Sprint ST
Triumph Sprint ST
Ein zweiter Platz in diesem starken Feld ist eigentlich ein Grund zu feiern. Auch wenn der Punkterückstand riesig ist. Der Dreizylinder der Sprint ST ist eine Wucht. Mit einer fast linearen Leistungskurve begeistert er in jedem Drehzahlbereich. Die Toureneigenschaften halten sich allerdings in Grenzen. Windschutz, Licht und die Ausstattung sind für einen Sporttourer eher dürftig.
3. Platz - BMW R 1150 RS
BMW R 1150 RS
Obwohl sich die in Ehren ergraute R 1150 RS in den Disziplinen Motor und Fahrwerk eindeutig der Konkurrenz geschlagen geben muss und sportliche Charaktereigenschaften vermissen lässt, kann sie die Ducati und Suzuki in der Punktezahl übertreffen. Still und leise sammelt sie mit ihrem ABS, den niedrigen Inspektionskosten, den guten Abgaswerten und der umfangreichen Ausstattung Punkte.
4. Platz - Ducati ST 3
Ducati ST 3
Schade, denn der Ansatz bei der ST 3 ist goldrichtig. Das Dreiventiltriebwerk vereint die Vorzüge zweier Baureihen in sich. Die Sitzposition taugt ebenso zum Kurvenfetzen wie auch zum entspannten Touren. Das Fahrwerk allerdings bedarf noch einer Feinabstimmung, die Schräglagenfreiheit sollte für den grenzenlosen Spaß etwas größer und ein ABS zumindest optional erhältlich sein.
5. Platz - Suzuki Bandit 1200
Suzuki Bandit 1200
Abgeschlagen landet die 2003er-Bandit auf dem letzten Platz. Aber auch das demnächst debütierende 2004er-Modell mit U-Kat und Sekundärluftsystem würde nicht wesentlich mehr Punkte sammeln. Das stärkste Argument für die Bandit ist weiterhin ihr konkurrenzlos niedriger Preis. Für gut 8100 Euro erhält man einen ausgereiften und starken Allrounder ohne große Stärken und Schwächen.
Mängel im Test
Dass selbst nagelneue Motorräder nicht vor Mängeln gefeit sind, zeigte sich auf der langen Testreise
BMW: Ganze 2000 Kilometer zeigte der Tacho an der BMW, als sich der undichte Simmerring an der Gabel durch austretendes Gabelöl bemerkbar machte. Zudem verlor die BMW eine Schraube an der Verkleidungsscheibe.Ducati: Die ebenfalls brandneue ST 3 ließ ein Öhrchen hängen. Die Spiegel sind mit Federn eingehängt, wobei die linke Feder so wenig Spannung hatte, dass der Spiegel keinen richtigen Halt hatte und bei holprigen Strecken aus seiner Halterung sprang. Außerdem war bereits bei Kilometerstand 3500 eine Bremsscheibe am Vorderrad ungleichmäßig eingelaufen, was sich durch einen pulsierenden Bremshebel bemerkbar machte.