Ziemlich genau vor 30 Jahren wurde die Produktion des Königswellenmotors von Ducati eingestellt. Jetzt ist er zurück. Zwar nicht aus Bologna direkt, doch mit Unterstützung und Segen des Werks.
Ziemlich genau vor 30 Jahren wurde die Produktion des Königswellenmotors von Ducati eingestellt. Jetzt ist er zurück. Zwar nicht aus Bologna direkt, doch mit Unterstützung und Segen des Werks.
Eines der begehrtesten und nebenbei zweifellos auch schönsten Motorräder dieses Planeten ist die 1973 und 1974 in nur 401 Exemplaren gebaute Ducati 750 SS, die ihrer Farbgebung wegen auch „Green Frame“ genannt wird. Sie ist im Prinzip eine mit Licht und Hupe versehene Replika des Werksrenners, mit dem Paul Smart 1972 die 200 Meilen von Imola gewinnen konnte. Für diese Motorräder werden heute teilweise schon sechsstellige Preise gefordert und bezahlt, wobei die Währung im Prinzip keine Rolle spielt, solange sie nur stark ist. Und wo die Nachfrage deutlich höher ist als das Angebot, da ist eine Geschäftsidee nicht weit.
In diesem Fall gelang den in Nannup, Westaustralien, beheimateten und weltweit anerkannten Königswellen-Spezialisten von Vee Two (www.veetwo.com) der Coup schlechthin. Dank exzellenter Kontakte zum Werk in Bologna gelang es den Aussies nicht nur, sämtliche technischen Zeichnungen des legendären Königswellen-Twins offiziell zu erhalten, sondern auch die 1990 bei einem Ducati-Ingenieur im Ruhestand wiederentdeckten, originalen Werkzeuge und Modelle für die Gussformen. Sie setzten sich zum Ziel, einen zwar äußerlich originalgetreuen, jedoch mit modernen Materialien und aktuellen Erkenntnissen des Motorenbaus verfeinerten L-Twin zu bauen.
Dabei wurden auch gleich einige konstruktive Unzulänglichkeiten des Originals beseitigt. So hat die moderne Reinkarnation eine außen liegende Ölfilterpatrone anstelle des schlichten, im Inneren des Kurbelgehäuses versteckten Ölsiebs. Zudem wurde das im Sandgussverfahren hergestellte Motorgehäuse deutlich steifer konstruiert. Äußerlich ist der Motor eine exakte Kopie des Antriebs, mit dem Mike Hailwood 1978 die TT gewann. Dank moderner Innereien und Materialien dürfte er aber mit am Hinterrad gemessenen 122 PS bei 8.500/min deutlich stärker sein als das historische Vorbild. Wie die vorliegenden Bilder beweisen, kann das hochgesteckte Ziel als erreicht betrachtet werden. Ab 38.000 australischen Dollar (netto), entsprechen derzeit knapp 27.000 Euro, ist dieses Kunstwerk der Mechanik zu haben. Und weil das Kind einen Namen braucht, heißt der neue, alte Motor schlicht Ritorno. Das ist italienisch und bedeutet Rückkehr. Selten passte ein Name besser.
Mit dem Antrieb allein ist schlecht fahren, doch auch dafür haben die Jungs aus Down Under eine Lösung: Sie hängen den Motor einfach in einen alten originalen Ducati-Rahmen. In diesem Fall den einer 1978er Ducati 900 SS. Das ist zum einen authentisch, zum anderen lassen sich mit alten Baujahren nahezu alle Umbauten für den Straßenbetrieb legalisieren. Der Nachteil ist, dass man mit den beim hier verwendeten Rahmen zum Teil arg grobschlächtigen Schweißnähten leben muss.
Obendrein haben Ducati-Chassis nicht gerade den Ruf, übertrieben handlich zu sein. Alan Cathcart, selbst Besitzer und Racer einer originalen Green-Frame-SS, sagt, wenn man mit ihr einlenken wolle, so müsse man ein Telegramm abschicken. Und sobald das Bike dieses erhalten habe, würde es dem Anliegen nachgehen. Die Imola Evo sei dagegen trotz unverändertem Original-Rohrwerk im Internet-Zeitalter angekommen. Wie bei einer SMS werde der Lenkimpuls umgesetzt, sobald man ihn abgeschickt habe. Möglich wird diese frappierende Veränderung des Fahrverhaltens durch längere Federbeine hinten sowie neu konstruierte Gabelbrücken, die eine Upside-down-Gabel aufnehmen. Dadurch steht die Gabel um fünf Grad steiler als vorher, zudem sank der Radstand um 40 Millimeter auf deren 1460. Lenkkopfwinkel und Nachlauf liegen mit 65 Grad und 99 Millimetern auf dem Niveau heutiger Bikes. Die selbstredend voll einstellbaren Fahrwerkskomponenten stammen von Öhlins.
Ein weiterer Grund für die deutlich bessere Fahrbarkeit ist die Anpassung der Ergonomie. Der beim Original ellenlange Tank wurde um satte 110 Millimeter gekürzt, und die Lenkerstummel wanderten etwas nach oben. Dadurch sitzt der Pilot viel weiter vorn, was zum einen die Bewegungsfreiheit erhöht und zum anderen für eine nahezu ausgewogene Gewichtsverteilung sorgt. Klassisch aussehende 17-Zoll-Akront-Alufelgen, die mit ebenso klassisch aussehenden, aber topaktuellen Pirelli Phantom Sportscomp-Gummis im aktuellen Standardformat 120/180 besohlt sind, runden den Auftritt ab. Für standesgemäße Verzögerung sorgt edle Monoblock-Ware von Brembo. Ein komplettes Bike ist je nach Konfiguration ab 79.000 australischen Dollar – entsprechen knapp 60.000 Euro – zu haben.
Dieses wird sich aber in mindestens einem Punkt von dem hier vorgestellten Erstlingswerk unterscheiden. Der Auspuff, der neben seiner Form besonders auch durch eher grob geratene Schweißnähte auffällt, ist ein historisches Stück, das aus Sir Alan Cathcarts persönlichem Ersatzteilfundus stammt und ursprünglich für die Verwendung an seiner eigenen, hier im kleinen Bild vorgestellten Original-750er vorgesehen war. Die Herausgabe des seltenen Stücks dürfte Alan nicht schwergefallen sein, gibt es doch persönliche Verbindungen zwischen ihm und Vee Two. Sein ältester Sohn Andrew ist dort Geschäftsführer.
Ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte die Vee Two Ducati Imola Evo beim mit 70.000 Besuchern nicht eben kleinen 2016er-Barber Vintage Festival in Birmingham, Alabama, wo sie Sir Alan einige Runden über die dortige Rennstrecke scheuchen konnte. Abgesehen von einigen Kleinigkeiten wie der zu soften Abstimmung der Gabel und einer zu giftigen hydraulischen Übersetzung der vorderen Bremse, bescheinigt Cathcart ihr ein beachtliches technisches Niveau.
Nicht nur der hohe, wenngleich gerechtfertigte Preis, sondern auch die begrenzten Produktionskapazitäten lassen die Wahrscheinlichkeit, eine Vee Two Ducati Imola Evo jemals in natura zu erleben, gegen null sinken. Aber das ist ja beim Original nicht anders.
Motor
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, je eine obenliegende, königswellengetriebene Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder, Desmodromik, Nasssumpfschmierung, Keihin FCR Flachschieber-Vergaser, Ø 41 mm, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Fünfganggetriebe, Kette.
Bohrung x Hub | 94,0 x 71,5 mm |
Hubraum | 992 cm³ |
Verdichtungsverhältnis | 13,5 : 1 |
Nennleistung | 90 kW (122 PS) bei 8500/min |
Max. Drehmoment | 129 Nm ab 5000/min |
Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Stahlrohr, zwei Federbeine, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, radial angeschlagen, Scheibenbremse hinten, Ø 230 mm, Zweikolben-Festsattel.
Speichenräder mit Alu-Felgen | 3.50 x 17; 5.00 x 17 |
Reifen | 120/70 ZR 17; 180/70 ZR 17 |
Maße + Gewicht
Radstand 1460 mm, Lenkkopfwinkel 65,0 Grad, Nachlauf 99 mm, Federweg k. A., Sitzhöhe k. A., Leergewicht ohne Benzin 168 kg, Tankinhalt 17 l.
Preis Motor | ab 38000 AUD |
Preis Motorrad | ab 79000 AUD |
jeweils zzgl. MwSt.