Besitzer von Reiseenduros, neuerdings Adventurebikes genannt, sind nie zu stoppen. Kaum hat die Frühlingssonne kleine Löcher in die Schneedecke gefressen, starten sie durch. Als Erster oben auf dem Hahntennjoch – perfekt. Wie sich die Wartezeit fürs Stilfser Joch verkürzen? Jagt man doch als Fingerübung Superbikes über die Hausstrecke, bis die Rasten glühen.
Das muss sich inzwischen auch bei den Reifenentwicklern rumgesprochen haben. Wenn sie sich an die Konzeption neuer Gummis für GS und Co machen, stehen inzwischen andere Dinge als Schotter, Staub und Geröll in ihren Lastenheften. Doch was dafür? Schauen wir die Szene einmal genauer an.
Die Fahrertypen
Echte Enduropiloten kennen kein Saisonkennzeichen. Das Motorrad steht jederzeit abfahrbereit in der Garage und muss an einem frostigen Dezembermorgen genauso perfekt funktionieren wie in heißen Sommernächten. Natürlich sind sie auch ausgehungerte Kilometerfresser. Das Jahr mit fünfstelliger Zuwachsrate auf dem Tacho beenden? Klingt perfekt.
Unser Heinz Musterfahrer ist zudem extrem anspruchsvoll. Vor allem beim Kauf neuer Reifen. Hat im Laufe seiner Zweiradkarriere viel ausprobiert, ist manches Mal auf die Klappe gefallen und lässt nun Vorsicht walten. Andererseits ist ihm eine gewisse Abenteuerlust nicht abzusprechen – würde er sonst so ein Motorrad fahren?
Die Bikes
Nehmen wir als Beispiel Deutschlands Topseller – die BMW R 1200 GS. Ein Alleskönner. Perfekt ausbalanciert. Kraftvoll. Druck ohne Ende. Natürlich vollgestopft mit Elektronik und zahlreichen Helferchen: ABS, Traktionskontrolle, E-Fahrwerk, Schaltautomat. Zusammen mit 125 PS und 246 Kilo Lebendgewicht bedeutet das für die Bereifung Stress ohne Ende.
Mit der Dimension 120/70 R 19 und 170/60 R 17 hat man sich inzwischen endgültig von ernsthaften Geländeambitionen verabschiedet und zielt auf maximale Straßenperformance. Auch Ducati Multistrada 1200 Enduro, KTM 1290 Super Adventure, Triumph Tiger Explorer und Aprilia Caponord rücken inzwischen mit diesen Breitreifen aus. Das Paradebeispiel für die andere Seite gibt es aber auch: Hondas neue Africa Twin, die mit 21-Zoll-Vorderrad in 90/90 und 18 Zoll hinten (150/70) auch mechanisch auf gute Geländetraktion setzt.
Die Straßen
Das Traumrevier für unsere Big Size-Adventurepiloten sind natürlich Kurven in allen Facetten und Formen. Aber nicht immer befindet sich das Kurvenwunder in perfektem Zustand. Salz- und Splittreste senken das Griplevel, zahllose Frostaufbrüche knabbern am Komfort, Bitumenflickschustereien sind wie ein Schlag ins Visier – gemeingefährlich sowieso.
Zweiter Punkt: die Anreise. Wer seine Hochbeinige nicht auf einen Anhänger schnallt, rödelt das Gepäck auf, fragt die Holde, ob sie zusteigen will und pfeift dann voll beladen mit Tempo 200 plus über die Autobahn. Superhandlich und superstabil? Spätestens jetzt bricht bei manchem Reifenentwickler kalter Schweiß aus.
Das Wetter
Satte Haftung im Sommer? Schnell abgehakt. Wie aber lässt sich ein sattes Maß an Sicherheit bei widrigen Wetterbedingungen realisieren? Die Regenperformance ist der kritische Faktor, wenn es um die Auswahl neuer Reifen geht.
Komfort, Stabilität, Handling – all das gerät zur Nebensache, wenn der Reifen bei Nässe nicht echte Sicherheit vermittelt, die unmittelbar am Lenker und im Allerwertesten zu spüren ist.
Die Reifen
Fassen wir an dieser Stelle zusammen: Gesucht ist der perfekte Reifen für ein modernes Adventurebike, vulgo Großenduro, im Format 120/70 R 19 vorne und 170/60 R 17 hinten – handlich, stabil, regentauglich, langlebig.
Geländetauglich? Nein, das muss bei Bedarf das Bordprogramm übernehmen. Was kann nun unser Testfeld dazu beitragen?
Bridgestone A 40

Los geht es mit dem jüngsten Teilnehmer in dieser Testkonstellation. Im letzten Jahr, als wir diese Reifengattung im „alten“ Großenduro-Format 110/80 R 19 und 150/ 70 R 17 unter die Lupe nahmen (Heft 13/ 2015), war der Bridgestone A 40 noch nicht lieferbar. Nun aber: Willkommen im Test! Der A 40 löst endlich den abgehalfterten Battle Wing ab, der sich schon einige Jahre nicht mehr auf Höhe der Konkurrenz zeigte. Neu ist auch das Kürzel im Modellcode, womit man einerseits der internen Modell-Logik folgt (T 30 wie Tour, S 21 wie Sport), andererseits mit dem Buchstaben A wie Adventure aber ganz bewusst nicht E wie Enduro aufgreift.
Der Battle Wing galt als stabil und haltbar, das soll der Bridgestone A 40 fortsetzen. Mit Profildesign, Karkasskonstruktion und neuer Gummimischung will man bei Handling, Kurvengrip und Nasshaftung deutlich nachgelegt haben. Unsere Testnotizen zeigen, dass dies unterm Strich tatsächlich gelungen ist. Am Ende unserer Tour kann sich der Japaner mit ausgewogener Handlichkeit, toller Stabilität, gutmütiger Nassperformance und geringem Verschleiß auf Platz drei positionieren.
- Gewicht: vorne 5,2 kg, hinten 7,8 kg
- Herstellungsland: Japan
- Infos/Freigaben: Bridgestone Deutschland, Tel. 0 61 72/40 81 73, www.bridgestone-mc.de
Bewertung Bridgestone A 40
- Landstraße/Alltag: (neu: 131 Punkte, Platz 4; nach 4000 km: 128 Punkte, Platz 4)
Klare Stärke des neuen Bridgestone A 40 ist seine gute Geradeauslaufstabilität. Ob im Solobetrieb oder mit Sozius und Gepäck – der Japaner lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Gegenüber dem Vorgänger Battle Wing hat er mit besserer Rückmeldung sowie leichtem und neutralem Einlenkverhalten spürbar an Format gewonnen, einzig ein leichtes Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage trübt das positive Bild. Die guten Eigenschaften bleiben zum Großteil auch bei zunehmender Laufleistung erhalten. - Nasstest: (87 Punkte, Platz 4)
Beim Beschleunigen punktet der Bridgestone A 40 mit sattem Grip, die Werte bei der Vollbremsung aus 100 km/h sind ohne Fehl und Tadel. In Kurven vereitelt ein früh einsetzender Grenzbereich bessere Rundenzeiten auf unserer Teststrecke. - Verschleiß: (83 Punkte, Platz 3)
Moderate Abriebswerte vorne und hinten machen den Bridgestone A 40 interessant für Vielfahrer.
Fazit: stabil, neutral, wirtschaftlich. Wer mit seiner Reiseenduro auf der Suche nach einem ausgewogenen Allrounder ist, wird mit dem Bridgestone A 40 zufrieden sein. Seine Unauffälligkeit ist aber nicht jedermanns Geschmack.
MOTORRAD-Wertung: 429 Punkte, Platz 3
Continental Trail Attack 2

Das Statement der Hannoveraner Reifenbäcker in der Produktbeschreibung ist unmissverständlich: „speziell entwickelter Straßen-Enduroreifen für die großen und leistungsstarken Reiseenduros“. Das ist eine Ansage. Immerhin: Als Erstausrüstungsreifen für die KTM Adventure-Familie (1190 Adventure, Adventure R und 1290 Super Adventure) war der Continental Trail Attack 2 von Anfang an (2013) als ZR-Reifen verfügbar und somit auch für Geschwindigkeiten jenseits der 240 km/h zugelassen.
Auch die Auswahl unterschiedlicher Dimensionen ist beachtlich: So bedient man mit dem Continental Trail Attack 2 nicht nur klassische Reiseenduros mit 110/80 R 19 und 150/70 R 17, sondern kann selbst hochbeinige PS-Kracher wie die BMW S 1000 XR mit supersportlichen Größen (120/70 ZR 17 und 190/55 ZR 17) besohlen. Mit Null-Grad-Stahlgürtel will man genügend Stabilität bei hohem Tempo bieten, per speziellem Backverfahren („Multigrip“) eine mittig abriebfestere Gummimischung zu den Schultern hin weicher auslaufen lassen. Das Wort Gelände greift man in der Produktbeschreibung konsequenterweise nicht auf.
Der Conti soll in erster Linie sportlichen Straßenfahrern gefallen
Kurz gesagt: Der Continental Trail Attack 2 soll in erster Linie dem sportlichen Straßenfahrer gefallen. Und das zeigt sich auch in unserem Test. Im verwinkelten Kurvendickicht präsentiert sich die Conti-bereifte GS von ihrer Schokoladenseite. Allerdings wird die Dynamik bei Schlechtwetter durch eine sehr verhaltene Nassperformance deutlich eingebremst – da hilft auch die laut Hersteller „speziell aktivierte Silica-Mischung“ wenig weiter. Obendrein knabbert noch ein starker Profilverlust an der Front. Weshalb sich der Conti trotz famoser Glanzparade auf der Landstraße mit dem vierten Platz in unserem Test begnügen muss.
- Gewicht: vorne 4,8 kg, hinten 7,7 kg
- Herstellungsland: Deutschland
- Infos/Freigaben: Continental Reifen, Tel. 05 11/9 38 01, www.conti-moto.de
Bewertung Continental Trail Attack 2
- Landstraße/Alltag: (neu: 133 Punkte, Platz 2; nach 4000 km: 130 Punkte, Platz 2)
Leichtfüßig, handlich, präzise – und das bereits ab den ersten Metern. Auch beim Continental Trail Attack 2 spürt man sofort den dynamischen Charakter eines typischen Conti-Reifens. Und in keiner Fahrsituation wird die ohnehin schon sehr handliche 1200er-GS nun etwa nervös oder kippelig. Schnell stellt sich großes Vertrauen in die superben Grip-Reserven ein. Trotz hoher Verschleißwerte bleiben die Qualitäten des Trail Attack 2 auf hohem Niveau. - Nasstest: (81 Punkte, Platz 6)
Auf regennassen Fahrbahnen muss sich der Continental Trail Attack 2 trotz aller Dynamik den deutlich stärkeren Konkurrenten geschlagen geben. Seine Haftreserven sind schnell aufgebraucht, und durch den sehr schmalen Grenzbereich will sich nur wenig Vertrauen aufbauen. - Verschleiß: (81 Punkte, Platz 5)
Leistung frisst Gummi. Nach 4000 Kilometern hat der Vorderreifen deutlich Profil verloren.
Fazit: Nichts wie hinein in die Kurvenparadiese dieser Welt – das ist die Paradedisziplin des Continental Trail Attack 2. Problematisch wird es aber, wenn der Weg dahin zu lang oder gar nass ist. Denn dann knickt der Conti allzu schnell ein.
MOTORRAD-Wertung: 425 Punkte, Platz 4
Dunlop Trailsmart

450 Prozent! So berechnet man bei Dunlop die Evolution bei den Straßenenduros, ausgehend von der Leistung der XT 500 von 1976 (28 PS) bis hin zur aktuellen R 1200 GS (125 PS). Womit klar sein sollte, nach welchen Maßstäben ein moderner Enduroreifen aus diesem Hause aufgebaut sein muss. Seit einem Jahr ist das der Dunlop Trailsmart, der auf einen höchst erfolgreichen, inzwischen aber nicht mehr erhältlichen Vorgänger aufsattelt.
2013 landete der Dunlop Trailmax TR 91 im großen Enduro-Reifentest in der Endwertung auf Platz 2 (Heft 11/2013). Vor allem überzeugte der TR 91 in der Landstraßenwertung (punktgleich mit Pirelli Scorpion Trail auf Platz 1) und fuhr bei Nässe (Platz 2) zusammen mit dem Metzeler Tourance Next (Platz 1) dem Verfolgerfeld weit davon. Sein großes Manko: der Verschleiß (Platz 5). Somit war der Auftrag an die Entwicklungsabteilung klar: mehr Laufleistung!
Dunlop krankt an hohen Verschleißwerten
Dieses Wertungskapitel stand bei seiner Testpremiere im vergangenen Jahr allerdings nicht in unserem Lastenheft – doch in puncto Funktion auf Landstraßen und bei Nässe wurde der Trailsmart in alter GS-Dimension (110/150) überzeugend Zweiter. Umso erstaunlicher der aktuelle Befund: Im Breitformat 120/ 170 patzt der Dunlop nun – anders als die agile Schmalversion – durch ein auffällig träges Handling. Und dummerweise krankt auch der Dunlop Trailsmart weiterhin an hohen Verschleißwerten, was dann in Summe nur Platz 5 macht.
- Gewicht: vorne 5,0 kg, hinten 7,5 kg
- Herstellungsland: Frankreich
- Infos/Freigaben: Goodyear Dunlop Tires Germany, Tel. 0 61 81/68 01, www.dunlop.de
Bewertung Dunlop Trailsmart
- Landstraße/Alltag: (neu: 128 Punkte, Platz 5; nach 4000 km: 125 Punkte, Platz 5)
Beim Geradeauslauf glänzt der Dunlop Trailsmart mit einer Top-Stabilität – egal ob man alleine oder zu zweit und mit voller Beladung auf der GS sitzt. Und selbst bei provozierter Unruhe läuft die GS auf Anhieb wieder wie auf den berühmten Schienen. Das ist aber auch gleichzeitig die Kehrseite der Medaille. Im kurvenreichen Revier verlangt der Trailsmart nach deutlich mehr Druck als die Konkurrenz, auch enge Bögen sind nicht seine Welt. Bei zunehmender Laufleistung ist das träge Einlenkverhalten und sein Aufstellmoment immer deutlicher zu spüren. - Nasstest: (90 Punkte, Platz 2)
Mit einem tollen Grip-Polster zieht der Dunlop Trailsmart bei Regen wiederum an manchen Konkurrenten vorbei. Auf der Bremse punktet er mit dem kürzesten Anhalteweg aus 100 km/h. - Verschleiß: (71 Punkte, Platz 6)
Der wunde Punkt: Vorne wie hinten hat der Dunlop Trailsmart nach 4000 km am stärksten abgebaut.
Fazit: In der schmalen 110/150er-Ausführung konnte der Dunlop Trailsmart beim letztjährigen Reifentest deutlich besser überzeugen. Im Breitformat zeigt er sich dagegen sehr träge. Top: die Nassperformance! Flop: der Verschleiß!
MOTORRAD-Wertung: 414 Punkte, Platz 5
Metzeler Tourance Next

Weltpremiere Intermot 2012! Das ist nun schon etwas her. Die Enduroausgabe des Münchner Elefanten stampft inzwischen in ihre vierte Saison. Aber heißt alt auch abgehalftert? Der Metzeler Tourance Next kann jedenfalls auf einem entscheidenden Vorteil aufbauen. Ursprünglich der Erstausrüstungsreifen für die neue R 1200 GS, war seine Entwicklungsarbeit auch eng mit der des Wasserboxers verzahnt. Von diesem intensiven Austausch mit BMW profitiert der Tourance Next anscheinend bis heute.
Natürlich sollte er den Auftritt der GS perfekt machen, weshalb er nicht nur genau auf das neue Breitformat ausgelegt war, sondern auch mit gutem Nassgrip, hoher Stabilität bei Topspeed und voller Beladung sowie komfortabler Eigendämpfung überzeugen sollte. Seine Testpremiere 2013 beschließt er (in der alten GS-Dimension!) auf dem ersten Platz. Und der Metzeler Tourance Next bleibt auch aktuell erste Wahl. Ein souveräner Alleskönner auf trockenen wie nassen Straßen. Und obendrein mit Bestwerten im Verschleiß ein Laufleistungswunder!
- Gewicht: vorne 5,1 kg, hinten 7,5 kg
- Herstellungsland: Deutschland
- Infos/Freigaben: Pirelli Deutschland, Tel. 0 89/14 90 83 02, www.metzelermoto.de
Bewertung Metzeler Tourance Next
- Landstraße/Alltag: (neu: 133 Punkte, Platz 2; nach 4000 km: 130 Punkte, Platz 2)
In puncto Agilität sind dem Metzeler Tourance Next sowohl der Conti wie auch der Pirelli überlegen. Dafür gefällt der Metzeler bereits ab den ersten Metern durch seine herausragende Souveränität. In Kurven besticht er durch leichtes Einlenkverhalten und Neutralität, bei flotter Geradeausfahrt bleibt er in allen Situationen stets vertrauenerweckend stabil. Diese durchweg positiven Fahreigenschaften bleiben auch bei zunehmender Laufleistung erhalten. - Nasstest: (90 Punkte, Platz 2)
Dank seiner guten Handlichkeit und hoher Lenkpräzision sorgt der Metzeler Tourance Next auch auf nassem Terrain für ein zufriedenes Grinsen bei der Besatzung. Mit fetten Gripreserven gesegnet, sind sowohl Beschleunigungs- wie Bremswerte auf einem Top-Niveau. - Verschleiß: (93 Punkte, Platz 1)
Leistung kostet? Ja, aber kaum Gummi. Der Metzeler Tourance Next könnte die Tour noch mal stemmen.
Fazit: Auch wenn der Metzeler Tourance Next inzwischen viele Jahre auf dem Buckel hat – auf der R 1200 GS (für die er einst mitentwickelt wurde) zeigt der Metzeler weiterhin Bestwerte. Auch wirtschaftlich betrachtet.
MOTORRAD-Wertung: 446 Punkte, Platz 2
Michelin Anakee III

In Sachen Erstausrüstung für die BMW R 1200 GS hat inzwischen Michelin das Zepter übernommen. Aktuell rollen alle Geländeboxer mit dem Michelin Anakee III, der ebenfalls seit 2013 erhältlich ist, vom Band. Mit seinen breiten Profilkerben unterscheidet sich der Franzose rein oberflächlich betrachtet deutlich von seinen fünf Konkurrenten. Und immerhin propagiert der Reifenprospekt noch eine zehnprozentige Offroad-Eignung – ein Wort, das bei den anderen inzwischen tunlichst vermieden wird. Aber unter seiner schwarzen Gummihaut ist auch der Anakee III eindeutig auf eine möglichst optimale Straßenperformance konzipiert.
Echte Highlights konnte er bislang aber in keinem unserer Tests setzen. Vor allem mangelt es durch die geringe Eigendämpfung spürbar am Komfort auf der Michelin-bereiften GS. Selbst bei Nässe, ansonsten die Domäne der Franzosen, bleibt der Michelin Anakee III sehr farblos. Und trotz seiner robusten Haptik: Hinten müssen in der Verschleißwertung deutliche Einbußen verzeichnet werden. Weshalb man zusammen mit Dunlop die rote Laterne schwenken muss.
- Gewicht: vorne 5,5 kg, hinten 7,6 kg
- Herstellungsland: Thailand
- Infos/Freigaben: Michelin Reifenwerke, Tel. 07 21/53 00, motorrad.michelin.de
Bewertung Michelin Anakee III
- Landstraße/Alltag: (neu: 126 Punkte, Platz 6; nach 4000 km: 124 Punkte, Platz 6)
Solange es geradeaus geht, beeindruckt der Michelin Anakee III durch seine absolut souveräne Spurtreue, wenn auch seine geringe Eigendämpfung beim Überfahren von Bodenwellen sowie die lauten Abrollgeräusche spürbare Komforteinbußen mit sich bringen. Sobald man aber mit der Großenduro in kurvenreiches Geläuf abbiegt, ändert sich das Bild mit sehr verhaltener Agilität sowie spürbarem Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage deutlich. Qualitativ ändert sich auch nach 4000 Kilometern kaum etwas – weder zum Guten noch zum Schlechten. - Nasstest: (82 Punkte, Platz 5)
In anderen Reifenkategorien stehen Michelins bei der Regenwertung meist auf dem Siegertreppchen. Der Michelin Anakee III zeigt sich mit wenig Grip und langen Bremswegen sehr untypisch. - Verschleiß: (82 Punkte, Platz 4)
Vorne wenig, hinten viel. Ein zu ambivalentes Ergebnis bestimmt die Abriebwertung.
Fazit: Die Erstbereifung der BMW R 1200 GS will in unserem Test nicht wirklich überzeugen. Auf Landstraßen ist der Michelin Anakee III zu träge, im Regen zu rutschig, beim Verschleiß zu unausgewogen. Andere geben der 1200er-Enduro mehr Pfeffer.
MOTORRAD-Wertung: 414 Punkte, Platz 5
Pirelli Scorpion Trail II

Ähnlich wie auch Conti trägt der Pirelli der Tatsache Rechnung, dass die neuen Adventurebikes in der Hauptsache sportlich ums Eck biegen sollen. Weshalb der Pirelli Scorpion Trail II auch zu großen Teilen auf dem Tourenmodell Angel GT aufbaut. Zweifelsohne hat bei der Konzeption des Reifens die Anforderung der Erstausrüstung für die schon sehr sportlich konzipierte Ducati Multistrada erheblichen Einfluss genommen. Der Blick auf die verfügbaren Dimensionen bis hin zum Superbike-Format 190/55 ZR 17 unterstreicht den straßensportlichen Touch des Pirelli.
Im neuen Großenduro-Format 120/170 bietet man ihn ausschließlich als hochgeschwindigkeitstauglichen ZR-Reifen an. Und als einziger Hersteller stattet Pirelli den Pirelli Scorpion Trail II mit einer Bicompound-Gummimischung fürs Hinterrad aus, bei der eine verschleißresistente Mitte von weicheren Schulterpartien eingefasst wird. Die Testpremiere 2015 beendete er auf Platz 1. Allerdings ohne Verschleißwertung, bei der das Vorgängermodell komplett versagte. Umso spannender die Frage, wie dieses Handling- und Regenwunder die 4000-Kilometer-Tour wegstecken würde. Wir sind ehrlich: Mit dieser Langlebigkeit hätten wir nicht gerechnet. Wenn ein Reifenprofiler jetzt wirklich zufrieden sein Lastenheft zuklappt, dann wird das wahrscheinlich in Italien sein. Gratulation zum Testsieg.
- Gewicht: vorne 5,2 kg, hinten 7,1 kg
- Herstellungsland: Deutschland
- Infos/Freigaben: Pirelli Deutschland, Tel. 0 61 63/7 10, www.pirellimoto.de
Bewertung Pirelli Scorpion Trail II
- Landstraße/Alltag: (neu: 137 Punkte, Platz 1; nach 4000 km: 135 Punkte, Platz 1)
Mit toller Lenkpräzision und herausragender Stabilität läuft die Pirelli-bereifte GS auf kurvengespickten Landstraßen zur Bestform auf. Sportlicher geht es nimmer. Und auch bei flotter Geradeausfahrt bleibt die BMW R 1200 GS trotz dieser auf Agilität ausgelegten Gummis erstaunlich stabil. Wer es provoziert, wird zwar eine minimale Unruhe spüren, doch diese bleibt absolut im unkritischen Bereich. Und selbst nachdem 4000 Kilometer an den Gummis geknabbert haben, bleibt der Pirelli Scorpion Trail II in der Dynamikwertung auf der Pole Position. - Nasstest: (95 Punkte, Platz 1)
Beschleunigen, bremsen, hinein in die Kurve. Auch auf regennassem Asphalt punkten die Pirelli Scorpion Trail II mit erstklassigem Feedback und viel Grip. Besonders toll: der breite Grenzbereich. - Verschleiß: (91 Punkte, Platz 2)
Ja, wir sind erstaunt. Mit diesem Abrieb hätten wir bei der Performance nicht gerechnet.
Fazit: Schon im letzten Jahr standen die Pirellis im schmalen Enduroformat (110/150) auf Platz 1. Und auch in der breiten 120/170-Dimension (die es nur als ZR-Reifen gibt) sind die Pirelli Scorpion Trail II das Maß der Dinge.
MOTORRAD-Wertung: 458 Punkte, Platz 1
Die Mission? Kurven und Kilometer!

Innerhalb weniger Tage die durchschnittliche Laufleistung einer Saison abspulen, dabei aber stumpfe Autobahnbolzerei auf ein Mindestmaß reduzieren. So lautete das Ziel auch im 2016er-Reifentest. Also ab in die Pyrenäen zum Länder-Hopping. Einen spektakulären Kilometerstand in kürzester Zeit auf den Tacho brennen? Auf gut ausgebauten Schnellstraßen ist das kein Problem. Zack, und schon wäre die Abriebprüfung für den MOTORRAD-Reifentest im Kasten. Allerdings stünde der ansehnlichen Kilometerangabe dann aber ein recht dürftiges Verschleißbild gegenüber. Denn beim Tempomachen auf der Bahn hält sich der Profilverlust tatsächlich arg in Grenzen. Deutlich mehr Stress bekommen die Reifen, wenn es auf kleinen, griffigen Landstraßen von einer Kurve in die nächste geht – das Ganze am besten mit einem Kingsize-Motorrad, das echten Druck aufbaut. Und schon spürt man förmlich, wie der Gummibelag auf den Rädern geradezu dahinschmilzt. Natürlich wären die Alpen das perfekte Revier, zumal die Testreifen auf sechs BMW R 1200 GSen aufgezogen sind.
Leider sind so früh in der Saison (Testzeitraum meist Ende März/Anfang April) meist noch viele attraktive Passhöhen gesperrt, die Temperaturen niedrig und die Tage entsprechend kurz. Für höhensüchtige Frühbucher gibt es aber eine perfekte Alternative: die Pyrenäen. Die ganz spektakulären (z. B. Tourmalet) sind meist auch noch nicht geöffnet, dafür locken zwischen Mittelmeer und Atlantik eine Vielzahl weiterer höchst attraktiver Auf- und Abfahrten. Auf dem Weg vom westlichsten Punkt unserer diesjährigen Tour lag auf dem Rückweg von Arcachon (südlich von Bordeaux) nach Stuttgart noch eine weitere, äußerst reizvolle Berg-und-Tal-Region im Fadenkreuz, in der den Gummis noch einmal kräftig eingeheizt werden konnte: das Massif Central westlich von Lyon.
Landstraße/Alltag nach 1000 Kilometern

Die Parole? Ende Gelände! Hohes Gewicht, hoher Topspeed. Der Trend, dass Enduroreifen mehr auf der Straße als im Gelände funktionieren sollen, ist nicht mehr aufzuhalten. Und so schlagen sich die sechs Testkandidaten beim ersten Rollout auf der BMW R 1200 GS. Kann es sein, dass die Geländewertung in diesem Testkapitel unter den Tisch gefallen ist? Bevor die durchaus berechtigte Leserfrage auf unseren Schreibtisch flattert, schicken wir an dieser Stelle schon einmal die Antwort voraus. Ein wirklich aussagekräftiger Offroadvergleich macht mit dieser Reifengattung tatsächlich keinen rechten Sinn.
Offiziell geben einige Hersteller die Geländetauglichkeit dieser sogenannten Enduroreifen mit maximal zehn bis 15 Prozent an. Wer wirklich ernsthafte Ambitionen in Richtung Schotter und Geröll hegt, muss auf echte Grobstöller à la Conti TKC 80 und Co ausweichen. Und dafür aber etliche Einbußen auf Asphalt in Kauf nehmen (u. a. Reifen-Tempolimit, Pendelneigung, Abrollkomfort). Umgekehrt würde jeder unserer Testreifen einen Ausflug über Wald- und Wiesenwege gleich gut bzw. eher gleich schlecht absolvieren – dieses in Punkte zu gießen, geht unterm Strich also wie das Hornberger Schießen aus. Das heißt nun in der Praxis – egal ob ein Bridgestone, Dunlop oder Michelin aus diesem Testfeld montiert ist –, eine Staubpassage würden sie alle meistern, auf einer Schlammpiste würden sie alle gleichermaßen scheitern.
Nur elf Punkte trennen Erst- und Letztplatzierten
Sehr viel deutlicher treten dagegen die Unterschiede zutage, wenn unsere GS-Truppe auf der Autobahn mit flottem Reisetempo in den Süden fliegt oder in das Kurvenparadies der Pyrenäen eintaucht. Wer mehr Wert auf ultimative Stabilität mit voller Beladung bei Tempo 200 plus legt, wird einen anderen Reifen aufziehen müssen als der verwöhnte Kurvenliebhaber.
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max. Punktzahl | Bridgestone A 40 | Continental Trail Attack 2 | Dunlop Trailsmart | Metzeler Tourance Next | Michelin Anakee III | Pirelli Scorpion Trail II | Gesamtpunktzahl | 150 | 131 | 133 | 128 | 133 | 126 | 137 | Platzierung | 4. | 2. | 5. | 2. | 6. | 1. |
Nur elf Punkte trennen Erst- und Letztplatzierten in der Dynamikwertung im Neuzustand. Das heißt vor allem, dass alle Hersteller ihre Hausaufgaben auch richtig gemacht haben.