Sechs Enduroreifen-Paare im großen Reifentest 2013: Welcher knickt bei Höchstbelastung zuerst ein? Wir finden es raus - mit der Triumph Tiger in den französischen Cevennen.
Sechs Enduroreifen-Paare im großen Reifentest 2013: Welcher knickt bei Höchstbelastung zuerst ein? Wir finden es raus - mit der Triumph Tiger in den französischen Cevennen.
Wer hat heute eigentlich noch richtig Zeit? In der von Dauermeetings geprägten Geschäftswelt kaum einer, und selbst Rentner haben schon Terminschwierigkeiten. Vielleicht ist auch deshalb die Klasse der großen Reiseenduros eine so erfolgreiche: flott in die Ferne preschen, den Duft der großen weiten Welt einatmen und auf verschlungenen Pfaden den Alltagstrubel abschütteln. Das Ganze natürlich möglichst schnell und effektiv, schließlich hat man ja nur wenig Zeit. Damit hätten wir auch schon unseren 2013er-Reifentest beschrieben: Nicht die absolute Kilometerleistung wie in den Jahren zuvor wird in den Vordergrund gestellt, diesmal soll es um die eigentliche Betriebsdauer bei forcierter Belastung gehen. Im Prinzip das, was auch Motorradurlauber ihrem Reifen aufbrummen: rund 1000 Kilometer Anreise per Autobahn bis zum Zielort, ausgiebige Tagestouren durch wildes Kurvengeschlängel, anschließend im Eiltempo zurück ins Geschäft.
Ideal für unsere Zwecke: die mit Kurven in allen Variationen gespickten Cevennen. In der Summe sollten läppische 4000 Kilometer auf den Testbikes - sechs tupfengleichen Triumph Tiger Explorern - abzusitzen sein, die mit jeweils einer Testreifenpaarung bestückt wurden. Kein Vergleich also zu unserer Reifenreise „ans Ende der Welt“, den westlichsten Zipfel Spaniens mit der BMW R 1200 GS vor zwei Jahren, wo dieser Reifengattung gleich mal 5500 Kilometer aufgebrummt wurden (Heft 12/2011). Am Ende unserer diesjährigen Reifen-Ausfahrt bilanzieren die Tripmaster ganze 48 Stunden Betriebsdauer. Zwei Tage Einsatz, das sollte doch einen modernen Enduroreifen nicht wirklich stressen. Oder etwa doch?
A 81, bei Neckarburg, eine Betriebsstunde:
Gerade einmal eingerollt, müssen die sechs Reifenpaarungen auf den Triumph zeigen, wie es um ihre Geradeauslaufstabilität mit Sozius bestellt ist. Top-Tester Karsten Schwers bringt die mit fetter Gepäckrolle und Berufssozius Rainer F. voll beladenen Triples bei Topspeed an die Belastungsgrenze. Das lässt manche Testkandidaten kalt (Bridgestone, Michelin), andere (Conti, Dunlop) geraten bei Tempo 180 plus gehörig ins Schlingern. Keine idealen Voraussetzungen, um entspannt in den Urlaub zu pfeilen. Weshalb sich bei der Weiterfahrt in den Süden das Reisetempo der Gruppe auf problemlose 160 km/h einpendelt.
Höllental bei Freiburg, zwei Betriebsstunden:
Aus sonnigen zwölf Grad Celsius auf der Bahn sind auf der B 31 im Schwarzwald knappe zwei geworden, dazu klatschen Schnee und Graupel auf den Asphalt.
Nun heißt es, die mit Fahrer und Beladung rund 350 Kilo schweren Tiger auf den weit geschwungenen Kurvenradien und durch Spitzkehren sicher ins Rheintal zu bringen. Vor allem auf Bike Nr. 1 (Bridgestone) und Nr. 5 (Michelin) agieren die Piloten jetzt mit besonnener Gashand. Deutlich wohler fühlt man sich dagegen auf Nr. 3 und 4 (Dunlop, Metzeler) aufgehoben. Die späteren Testfahrten auf einem speziellen Nasstest-Kurs des Reifenherstellers Goodyear-Dunlop werden diese Eindrücke bestätigen.
A 39, bei Bourg-en-Bresse/Frankreich, sechs Betriebsstunden:
Auf der topfebenen Autobahn ist flottes Vorankommen kein Thema. Die Fahrspuren sind leer, ohne Stress und Stau geht es mit eingeschaltetem Tempomat in den Süden. Alle 100 Kilometer werden die Bikes getauscht, um Fahrer-unterschiede auszugleichen. Besonders treten jetzt der Fahrkomfort wie Eigendämpfung und Abrollverhalten ins Bewusstsein. Durch seine leicht harte, knöcherne Art fühlen sich die Piloten auf der Michelin-Explorer fast schon gerädert, deutlich komfortabler reist es sich auf den Triumph mit Conti-, Dunlop- oder Pirelli-Bereifung.
D 2, bei Sète, zehn Betriebsstunden:
Die Hafenstadt am Mittelmeer ist erstes Etappenziel und soll der Ausgangspunkt für unsere Cevennen-Tour werden. Die ersten 1000 Kilometer haben weder die Fahrer noch die Motorräder gestresst, und auch die Reifen stecken die Laufleistung gelassen weg: minimaler Abrieb in der Mitte, die Schulterpartien vernachlässigbar. So gesehen würden alle Kandidaten vorne wie hinten locker eine fünfstellige Laufleistung stemmen. Doch nun wird es vor allem den Reifenschultern an den Kragen gehen: Die Cevennen sind gespickt mit Kurven aller Art.
N 106, bei Alès, 13 Betriebsstunden:
Die breit geschwungenen Departement- und Nationalstraßen, die aus dem Süden in das französische Mittelgebirge stechen, sind ein klarer Fall für die sportlichen Reifentypen unseres Sextetts: Hier punkten vor allem der (ältere) Pirelli Scorpion Trail und der (neu entwickelte) Conti Trail Attack 2, mit denen die wuchtige Explorer bis zum Aufsetzen der Rasten messerscharf in jedes Eck gesteuert werden kann und auch feine Lenkkorrekturen kein Thema sind. Weniger gefällt der deutlich trägere Bridgestone, der im Vergleich zum übrigen Testfeld schon reichlich angegraut wirkt. Seine behäbige Art steht im krassen Kontrast zur Dynamik der 137 PS starken Explorer. Der Unterschied tritt vor allem dann zutage, wenn nach dem Motorradtausch der agile Pirelli vor dem behäbigen Bridgestone fährt.
D 907, Tarn-Schlucht, 18 Betriebsstunden:
Die Straßen werden schmaler, geradeaus geht es schon seit Stunden nicht mehr. Das Geschlängel mit den griffigen Oberflächen, exakten Radien und dem überhöhten Kurvenäußeren ist ein echtes Wellness-und-Spaß-Programm für die Fahrer, beschert den Reifen dagegen einen Höllenjob. Der Frühling entfaltet sich in der zerklüfteten Landschaft mit sonnigen 25 Grad Celsius, die Straßenverhältnisse sind perfekt, um die Tiger kräftig auszumelken. Das, was oben mit der rechten Hand als Befehl erteilt wird, reibt die Gummis weiter unten förmlich auf. Unisono bremst die Meute die 259-Kilo-Fuhren bis in den Regelbereich des ABS scharf in Kurven und Serpentinen hinein, beim Rausbeschleunigen zerrt das Drehmoment am fast schon stempelnden 150er-Hinterreifen. Bei den Fahrerwechseln, die jetzt nicht mehr nach Kilometerleistung, sondern im Stundentakt erfolgen, fühlen die Hände immer wieder über die Reifenschultern, vor allem vorne steigt der Abrieb deutlich an.
D 243, La Vernarede, 24 Betriebsstunden:
Spätabends duftet es im Hotel „Lou Cante Perdrix“ aus der Küche des Patrons Stéphane Abbé verführerisch, doch der Hunger darf noch nicht gestillt werden. Nach einer gigantischen Klettertour durch die Cevennen bis hin zu einem fantastischen Ausblick auf die majestätische Millau-Brücke sind die Reifen nach Betriebsdauer gerechnet gerade einmal einen Tag alt. Doch was ist das? Vor allem der ultraschnelle, stabile Pirelli, der in den permanent aufeinanderfolgenden Wechselkurven richtig Laune macht, ist an der vorderen Reifenschulter der gesetzlichen Mindestprofiltiefe von 1,6 Millimetern bedrohlich nahe gekommen. Besonders problematisch ist eine seitlich ablaufende Rille, die zudem mit drei Millimetern Anfangstiefe ein Viertel weniger als die Profile der Mitbewerber zu bieten hat.
D 152, Col de l’Asclier, 28 Betriebsstunden:
Der Name der Explorer schreit förmlich nach dem Entdecken neuer Routen, und so ist es kein Wunder, dass wir mit den Triples abseits konventioneller D-Straßen (Route départementale) auch die kleinen, zum Teil rot-weiß gemarkerten C-Strecken (Route communale) der Michelin-Karte, Blatt 339, unter die Räder nehmen. Die Cevennen werden nun auf schmalen, nahezu handtuchbreiten Singletracks durchwandert. Kurven- und Durchschnittstempo sinken, doch keineswegs die Anforderungen an die Reifen. Der lange Winter hat auch hier mit Frostaufbrüchen deutliche Spuren hinterlassen, in den Kurven und Kehren lauern kleine Berge aus Splitt- und Schotterresten. Dazu kreuzen immer wieder faustgroße Steinbrocken die Ideallinie, was nach blitzschnellen Fahrmanövern verlangt. Das ist ganz klar die Stunde des Dunlop, der auf diesen teils schmierig-rutschigen Ober-flächen dank seiner weichen, leicht knautschigen Art stets ein souveränes Feedback an die Fahrer übermittelt.
D 907, bei Portes, 36 Betriebsstunden:
Kurz vor der eintönigen Fahrt in die Heimat lockt die Burgruine Château de Portes zur Entdeckerrunde auf losem Untergrund. Der staubige Ausflug stellt keinen der sechs Kandidaten, denen die Hersteller eine fünf- bis zehnprozentige Offroad-Tauglichkeit zusichern, wirklich auf die Probe. Allerdings würden alle gleichermaßen versagen, wenn es über echten Matsch und Schlamm ginge. In einem solchen Fall würden nur echte Grobstoller wie Contis TKC 80 oder Metzelers Karoo 3 weiterkommen.
A 81, Kreuz Stuttgart, 48 Betriebsstunden:
Zwei echte Tage haben gereicht, um manche Reifen wirklich fertigzumachen. Mit dem Dunlop-Tiger würde man gerade noch durchkommen, doch mit der Pirelli-Triumph will man auf den letzten Metern bis in die Redaktion in keine Kontrolle mehr geraten. Den Stress will sich nach so viel Spaß, den gerade diese beiden Reifen gebracht haben, nun keiner noch antun.
Auch wenn die großen Reiseenduros locker über Schotter bewegt werden können: Nur die wenigsten sind mit ihrer Tiger, GS oder Varadero tatsächlich in schwerem Gelände unterwegs. Weswegen jeder Motorradhersteller aus Europa oder Japan für die Erstausrüstung keine eindrucksvollen Grobstöller, sondern genau diese Reifengattung aus unserem Test aufzieht. Damit, so sind sich die Anbieter von Bridgestone bis Pirelli in ihren Produktbeschreibungen einig, könne man auf jeden Fall noch leichte Schotter- oder Geländepassagen bewältigen, in der Hauptsache sollen die Reifen aber auf der Straße funktionieren. Schon allein hier hat man mit den hochbeinigen -Gefährten ein enormes Spektrum abzustecken. Auf der einen Seite geht es bei flotter Überlandfahrt auf Autobahnen oder mehrspurigen Bundesstraßen um eine möglichst hohe Stabilität ohne nervige oder gar gefährliche Pendelbewegungen um die Längsachse („Shimmy“), andererseits sollen sich die Großenduros in engem Geläuf leichtfüßig sowie schwungvoll um Kurven, Kehren oder Serpentinen zirkeln lassen.
Alles gleichermaßen zu bedienen ist natürlich ein Ding der Unmöglichkeit, das zeigt auch der Blick auf die Tabelle in aller Deutlichkeit. In erster Linie obliegt es nun dem Hersteller, Priori-täten zu setzen. Bridgestones Battle Wing, konzeptionell das älteste Modell im Test, ist immer noch getreu den altbekannten Prämissen der japanischen Marke abgestimmt: maximale Stabilität! Damit ist man, selbst wenn die Fuhre tief in den Federn und der Fahrer weit über dem Lenker hängt, bestens gerüstet, um bei Topspeed wie auf Schienen über die Highways zu preschen. Auch Michelin hat den neuen Anakee 3, der unter anderem in der Erstausrüstung für die neue BMW GS zum Einsatz kommt, auf ähnliche Weise abgestimmt: In voller Beladung ist der auffällig profilierte Reifen nicht aus der -Ruhe zu bringen, beim Vorgänger störten da-gegen starke Walkbewegungen den schnellen Geradeauslauf.
Fazit:
Wie schnell eine überragende Handlichkeit in nervöse Unruhe umschlagen kann, zeigt das Beispiel des neuen Conti Trail Attack 2. Auf den trickreichen Achterbahnen, die zum Beispiel die Cevennen oder Dolomiten durchziehen, ist der Hannoveraner voll in seinem Element. In Sachen Handlichkeit kann ihm keiner das Wasser reichen, und auch die Kapitel Lenkpräzision und Haftung in Schräglage oder das Beschleunigen meistert er mit -Bravour. Dafür stört ein ausgeprägtes Shimmy die Fahrt auf breiten Überland-Highways. Doppelsieg in diesem Kapitel für die sehr ausgewogen konzipierten Reifen von Dunlop und Pirelli.
Mit Spannung werden alle Jahre wieder die Ergebnisse der Laufleistung beim Reifentest erwartet. Und immer wieder kommt es im Anschluss zu Diskussionen mit MOTORRAD-Lesern, sei es am Telefon oder per E-Mail. Dabei werden häufig eigene Erfahrungswerte genannt, die jemand mit der Reifenpaarung XY gemacht hat und die von unseren Messergebnissen abweichen. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass das Verschleißbild von Motorradreifen extrem von der persönlichen Fahrweise abhängt: Wird überwiegend auf der Autobahn Strecke gemacht, oder geht es fast ausschließlich auf kleinen, verwinkelten Straßen zur Sache? Beim ersten Fahrertyp kann es vorne wie hinten auf fünfstellige Kilometerleistungen hinauslaufen, der zweite wird bereits nach wenigen Tausend Kilometern tauschen müssen. Unabhängig davon können aber alle von unseren Messwerten profitieren.
Dazu ein kleiner Blick auf die Konzeption der MOTORRAD-Verschleißmessung, die anders als bei Autoreifen nicht in standardisierten Trommelprüfständen, sondern tatsächlich auf der Straße stattfindet. Das Testprozedere ist weltweit einmalig und hat sich seit Jahren bewährt. Um alle Reifen nach exakt gleichem Muster zu belasten, wird pro Paarung das jeweils gleiche Motorrad auf die Strecke geschickt. Gefahren wird in Kolonne, permanente Fahrerwechsel gleichen Unterschiede bei den Piloten aus. Erst so lässt sich ein hieb- und stichfestes wie aussagekräftiges Vergleichsbild innerhalb der Testgruppe erstellen, wie unser Messdiagramm links unten zeigt.
Welches sich wiederum auf die Erfahrungen der MOTORRAD-Leser übertragen lässt, indem man einfach die Messergebnisse mit den eigenen Werten in Relation setzt. So kann man individuell schlussfolgern, ob man beim nächsten Reifenwechsel mit einer anderen Marke weiterrollen würde.
Bereits vor zwei Jahren stand diese Reifengattung schon einmal im Visier der Tester. Damals ging es auf der BMW R 1200 GS auf 5500 Kilometern von Stuttgart an die spanische Atlantikküste und retour. Am Ende hatten alle Testpaarungen noch genügend Restprofil, um einige Tausender mehr zu stemmen. Das meiste Gummi ließen dabei Pirelli (letzter Platz) und Dunlop (Vorletzter) auf der Strecke.
Mittlerweile hat sich viel bei den Enduroreifen getan: Bei Metzeler folgt auf den Tourance EXP der Tourance Next, bei Conti gibt es nun die zweite Ausgabe des Trail Attack, und Michelin positioniert den Anakee 3 als Nachfolger des Zweiers. Die nun andere Streckenführung unseres 2013er-Vergleichs hat dabei deutlich schärfer an den Reifenressourcen geknabbert. Vor allem die rauen, extrem griffigen Asphaltdecken in den französischen Cevennen haben die Vorderreifen förmlich aufgerieben. So stark, dass der Pirelli am Ende der 4000-Kilometer-Tour deutlich unter dem gesetzlichen Mindestprofil angelangt war. Mit etwas mehr Reserven rollt der Dunlop wieder in die MOTORRAD-Tiefgarage, doch an der Platzierung der beiden hat sich im Vergleich zu 2012 nichts geändert.
Fazit:
Trotz hoher Anfangstiefen von fast neun Millimetern haben die 4000 Kilometer auch hinten kräftig Profil gekostet. Wirklich heftig wird es aber für die Frontpartien der Triumph Tiger Explorer - mit eine Folge des permanent starken Reinbremsens in Kurven. Michelin behält auch mit dem Anakee 3 den Sieg in der Verschleißwertung. Deutlich aufholen kann Metzeler: Auf den stark verschleißenden EXP (2011) folgt nun ein widerstandsfähiger Next.
Mit ein Kernelement im MOTORRAD-Reifentest ist die Beurteilung der Reifen bei zunehmender Laufleistung. Weshalb am Ende der 4000 Kilometer langen Testrunde nochmals die Kriterien der Eingangswertung im Neuzustand abgehakt werden. An den grundsätzlichen Eigenschaften der Reifen ändert sich wenig: Wer neu mit exzellentem Grip in Kurven und beim Beschleunigen punkten konnte, wird in diesem Kapitel im Regelfall weiterhin überzeugen. Gleiches gilt für den Grenzbereich oder die Kurvenstabilität. Der mehr oder minder starke Profilverlust wirkt sich dagegen deutlich bei den Punkten Lenkpräzision und Aufstellmoment aus - die im Wesentlichen über die Oberflächenkontur des Reifens bestimmt werden.
Fazit:
Hoppla, eine Überraschung. Trotz höchster Verschleißwerte ändert sich an der Qualität des Pirelli wenig. Etwas stärker reagiert der Dunlop auf den Abrieb und rutscht in diesem Kapitel auf Platz 2 ab.
Pause für den großen Tiger! Um das Verhalten im Grenzbereich auf nasser Fahrbahn auszuloten, wechselte die Testcrew nicht nur eifrig Reifen, sondern setzte sie gleich in einem ganz anderen Motorrad ein. Hintergrund: Mit der sensibel ansprechenden Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré (Motorcharakteristik und Fahrwerksabstimmung) lässt sich das Limit auf nasser Strecke einfach besser ausloten als mit der relativ straffen Explorer.
Wie schon beim Enduro-Reifentest vor zwei Jahren, ankerte die Besatzung in Mireval am Mittelmeer, um auf der permanent bewässerten Teststrecke des Reifenherstellers Goodyear-Dunlop Fahrten im Regen zu simulieren. Auch wenn es im wahren Leben bei Schlechtwetter um alles andere geht, als ein Rennen zu fahren: Der Blick auf die Rundenzeit erlaubt Rückschlüsse auf das generelle Potenzial der Reifen bei Regen. Sehr gut verdeutlicht das auch die Durchschnittsgeschwindigkeit, die im Omega (in der Grafik rot markiert) gemessen wird, während die Reifen hier permanent an der Rutschgrenze bewegt werden. Mehr Grip bei Nässe erlaubt mehr Kurvenspeed und ein flotteres Beschleunigen aus Kurven und auf den Geraden. Daneben zählt aber auch die qualitative Beurteilung: Rutscht es später vorne als hinten, und kündigt sich das Ende der Haftgrenze ohne großes Risiko an? Entscheidend für die Kür zum Regengott sind auch die Werte, die bei der ABS-Vollbremsung aus 100 km/h gemessen werden, wo der Pirelli unterm Strich die beste Leistung zeigt.
Fazit:
Vor zwei Jahren konnte der Dunlop als einziger neuer Reifen in diesem Segment die Konkurrenz deutlich in die Schranken weisen. Von den jetzt drei neuen Modellen kann am Ende aber nur der Metzeler im Nässetest überzeugen, Conti und Michelin bleiben zu farblos.
Fazit:
Ein Überraschungssieg für die Münchener Reifenmarke Metzeler? Auf der Landstraße bleibt der brandneue Tourance Next jedenfalls zu farblos, hier haben Dunlop und Pirelli die Nase vorn. Bei Nässe kann der Dunlop noch Paroli bieten, doch beim Verschleiß knickt der TR 91 dramatisch ein. So siegt zum Schluss die Ausgewogenheit.
Abseits unserer hieb- und stichfesten Punktetabellen durfte das Testteam nach dem 4000-Kilometer-Turn rein nach persönlichen Vorlieben die eigenen Sieger küren. Die Entscheidung wurde vor allem durch die 2000 Kilometer lange Testrunde durch die Cevennen geprägt, die unter nahezu idealen Bedingungen (sonnig, warm und trocken) stattfand. Die tatsächlichen Verschleißwerte wurden dabei komplett ausgeblendet, eher nahmen Faktoren wie der Qualitätsverlust bei zunehmender Laufleistung Einfluss auf dieses rein subjektive „Ranking à la Popometer“.
Sebastian Schmidt, Gasttester: Fährt privat Honda VFR 800 und steht auf Kettensägen.
1. Pirelli Scorpion Trail
2. Conti Trail Attack 2
6. Michelin Anakee 3
Jörg Lohse, Service-Testchef: Fährt privat Triumph Street Triple und MTB mit Hund.
1. Pirelli Scorpion Trail
2. Dunlop Trailmax TR 91
6. Conti Trail Attack 2
Jörg Jutzeler, Gasttester: Fährt privat Kawa ZX-10R, startet beim Alpen-Masters.
1. Pirelli Scorpion Trail
2. Conti Trail Attack 2
6. Michelin Anakee 3
Karsten Schwers, MOTORRAD-Top-Tester: Fährt privat Honda CRF 250 R, per pedales auf jeden Gipfel.
1. Dunlop Trailmax TR 91
2. Pirelli Scorpion Trail
6. Bridgestone Battle Wing
Holger Kiggen, Gasttester: Fährt privat BMW F 800 S und steuert Straßenbahnen.
1. Dunlop Trailmax TR 91
2. Pirelli Scorpion Trail
6. Michelin Anakee 3
Rainer Froberg, Fuhrparkchef: Fährt privat Harley Road King, kommt in jede Parklücke.
1. Dunlop Trailmax TR 91
2. Pirelli Scorpion Trail
6. Bridgestone Battle Wing
Verschleißfahrt und Landstraßentests wurden auf sechs Triumph Tiger Explorer absolviert. Mit der Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré wurde die Nassperformance auf dem Testgelände von Goodyear-Dunlop bei Montpellier ausgelotet.
Handlichkeit
Benötigte Lenkkraft, um die Maschine in Schräglage zu bringen oder sie in langsamen/schnellen Wechselkurven auf Linie zu halten.
Lenkpräzision*
Test in unterschiedlich schnellen Passagen mit komplizierten Kurvenradien. Gibt Auskunft darüber, ob das Motorrad dem gewünschten Kurs folgt, der über die Lenkkräfte vorgegeben wird, oder ob deutliche Linienkorrekturen erforderlich sind.
Kurvenstabilität/Sozius
Stabilität in (Wechsel-)Kurven und bei Bodenwellen. Wird in unterschiedlichen Modi (solo/mit Sozius), in großer Schräglage beim Beschleunigen getestet, in der sich Reifen regelrecht aufschaukeln können.
Haftung in Schräglage*
Seitenführung in maximaler Schräglage auf nassem und trockenem Asphalt. Eine Gratwanderung, die nur auf abgesperrter Strecke möglich ist.
Haftung beim Beschleunigen*
Seitenführung und Kraftübertragung in unterschiedlich schnellen Kurven. Wird ebenfalls bei Nässe und Trockenheit getestet.
Geradeauslaufstabilität
Highspeed auf der Autobahn. Bleibt das Motorrad stabil auf Kurs, oder stört Pendeln die Fahrt?
Grenzbereichverhalten*
Beherrschbarkeit des Reifens im Grenzbereich der Haftung. Der Test wird sowohl auf nasser als auch auf trockener Strecke durchgeführt.
Aufstellmoment
Beim Bremsen in Schräglage richtet sich das Motorrad je nach Verzögerung und Reifenkontur unterschiedlich auf. Diese Reaktion muss vom Fahrer mit einer Gegenkraft (Drücken) am kurven-inneren Lenker-ende ausgeglichen werden.
Fülldruck im Test
2,2 bar vorn, 2,5 bar hinten.
*Die mit Stern gekennzeichneten Kapitel sind auf Motorräder übertragbar, die eine ähnliche Geometrie wie die Triumph Tiger Explorer/Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré besitzen.
Infos
Gewicht: vorn 5,3 kg, hinten 7,4 kg, Herstellungsland: Japan, Infos/Freigaben: Bridgestone Deutschland, Tel. 0 6172/40801, www.bridgestone-mc.de
Bewertung
Landstraße: (neu: 120 Punkte, Platz 6; nach 4000 km: 117 Punkte, Platz 6)
Der älteste Reifen im Testfeld überzeugt neben dem Anakee 3 mit der besten Geradeauslaufstabilität, ob solo oder mit Sozius und Gepäck. Selbst bei Topspeed bleibt er sehr spurstabil. Weniger überzeugend sind die nur durchschnittliche Rückmeldung für Haftung und die mäßige Lenkpräzision im kalten Zustand. Auf Temperatur gebracht, gehört der Battle Wing ebenfalls nicht zu den haftfreudigsten und handlichsten Reifen im Feld. Nach der Laufleistung von 4000 km hat sich die Lenkpräzision spürbar verschlechtert. Die Geradeauslaufstabilität hingegen ist nach wie vor top.
Nasstest: (73 Punkte, Platz 6)
Bei Haftung, Handlichkeit und Lenkpräzision kann der Battle Wing nicht mit der Konkurrenz mithalten. Der Grenzbereich ist breit, setzt aber zu früh ein. Auf der Nassteststrecke erreicht er die niedrigste Kurvengeschwindigkeit und rutscht dabei ständig spontan mit dem Hinterreifen.
Verschleiß: (91 Punkte, Platz 3)
Hier erreicht der Battle Wing sein bestes Ergebnis im Test. 50 Prozent Restprofil vorne, hinten hat die drehmomentstarke Explorer etwas mehr vom Profil abgearbeitet.
Fazit
Unterm Strich ernüchternd: Bis auf den hervorragenden Geradeauslauf kann der angejahrte Battle Wing weder auf trockener noch nasser Piste überzeugen. Der Verschleiß ist durchschnittlich.
MOTORRAD-Urteil: Platz 6 401 Punkte
Infos
Gewicht: vorn 4,9 kg, hinten 7,3 kg, Herstellungsland: Deutschland, Infos/Freigaben: Continental Reifen, Tel. 0511/93801, www.conti-online.com
Bewertung
Landstraße: (neu: 128 Punkte, Platz 3; nach 4000 km: 126 Punkte, Platz 3)
Der neue Conti könnte viel mehr Spaß machen, wenn er gerade auf der Triumph nicht ständig mit Shimmy für Unruhe um die Längsachse sorgen würde. Denn abgesehen davon macht der Conti richtig Lust aufs Kurvenwetzen. Mit der besten Handlichkeit, einer sehr guten Lenkpräzision und der brillanten Rückmeldung für Haftung nicht nur im Grenzbereich verwandelt der Conti so manches Fahrzeug im positiven Sinne. Auch vermittelt der Conti im kalten Zustand neben dem -Dunlop das beste Feedback. Bei voller Beladung tendiert der Conti aber zum Pendeln, gerade bei Geschwindigkeiten über 180 km/h.
Nasstest: (79 Punkte, Platz 4)
Bei Nässe kann sich der Trail Attack 2 deutlich von seinem Vorgänger absetzen, durch einen breiteren und vor allem später einsetzenden Grenzbereich steigt das Gefühl für eine sichere Haftung bei Regen. Doch die Konkurrenz ist stark, und so reicht es am Ende nur für Platz 4.
Verschleiß: (90 Punkte, Platz 4)
Trotz guter Restprofilwerte kein Podiumsplatz in dieser Disziplin, doch der Abstand nach vorn ist sehr gering.
Fazit
Ein toller Landstraßenreifen mit sehr guten Fahreigenschaften, der bei Nässe ordentlich funktioniert und nur mäßig verschleißt. Aber: Shimmy und Mankos beim Geradeauslauf kosten Punkte.
MOTORRAD-Urteil: Platz 3 423 Punkte
Infos
Gewicht: vorn 5,5 kg, hinten 7,5 kg, Herstellungsland: Frankreich, Infos/Freigaben: Goodyear Dunlop Tires Germany, Tel. 06181/6801, www.dunlop.de
Bewertung
Landstraße: (neu: 131 Punkte, Platz 1; nach 4000 km: 128 Punkte, Platz 2)
Der Trailmax TR 91 gefällt ab den ersten Metern. Seine ausgesprochen gute Neutralität und Handlichkeit vermitteln in fast jeder Fahrsituation ein sicheres Gefühl. Bei extrem sportlichem Einsatz fehlt ihm zwar die Stabilität des Pirelli, dafür kündigt er sein spätes Limit durch einen sehr breiten Grenzbereich rechtzeitig an. Dennoch gibt es noch einen Kritikpunkt: Beim Geradeauslauf mit und ohne Beladung nervt beim TR 91 eine Pendelneigung ab Geschwindigkeiten über 200 km/h. Nach 4000 Kilometern verschlechtert sich die Lenkpräzision durch hohen Verschleiß mit einer sichtbaren Kantenbildung an den Profilblöcken.
Nasstest: (93 Punkte, Platz 2)
Klasse bei Nässe: Der breite Grenzbereich und die ausgesprochen gute Haftung führen zu einer Top-Rundenzeit. Zusammen mit dem Metzeler distanziert sich der Dunlop-Reifen deutlich vom restlichen Feld. Im Omega rutscht der TR 91 erst spät, kündigt die Haftgrenze aber rechtzeitig an.
Verschleiß: (84 Punkte, Platz 5)
Der starke Verschleiß zeigt sich nicht nur in den Messwerten, auch optisch fallen gerade vorne die starken Kanten an den Profilblöcken auf.
Fazit
Ein Reifen, der mit exzellenten Fahreigenschaften im Trockenen sowie im Nassen glänzt. Wer Wert auf Performance und nicht auf geringen Verschleiß legt, ist mit dem TR 91 bestens aufgestellt.
MOTORRAD-Urteil: Platz 2 436 Punkte
Infos
Gewicht: vorn 5,1 kg, hinten 7,1 kg, Herstellungsland: Deutschland, Infos/Freigaben: Pirelli Deutschland, Tel. 089/14908302, www.metzeler.com
Bewertung
Landstraße: (neu: 128 Punkte, Platz 3; nach 4000 km: 126 Punkte, Platz 3)
Ohne besonders aufzufallen, deckt der neue Tourance Next ein sehr breites Einsatzgebiet ab. Auf der Autobahn überzeugt er mit guter Geradeauslaufstabilität, ob solo oder mit Sozius und Beladung. Auf der Landstraße sticht besonders seine Ausgewogenheit hervor: Ob kalt oder warm gefahren, die Haftung ist immer auf hohem Niveau. Zwar biegt er nicht so leicht um die Ecken wie ein Conti oder Dunlop, punktet aber durch Neutralität. Durch den geringen Verschleiß haben sich die Eigenschaften nur minimal verschlechtert.
Nasstest: (94 Punkte, Platz 1)
Das Kopf-an-Kopf-Rennen auf der Nassteststrecke kann der Tourance Next gegen den TR 91 mit der etwas besseren Rundenzeit für sich entscheiden. Beide setzen sich durch satte Haftung beim Beschleunigen und in Schräglage deutlich von der Konkurrenz ab. Ein sehr breiter Grenzbereich kündigt spät einsetzende Rutscher am Hinterrad rechtzeitig an. Auf der Bremse erreicht der Tourance ebenfalls einen Top-Wert.
Verschleiß: (94 Punkte, Platz 2)
Keine auffälligen Absätze, vorne ein geringer Verschleiß. Pluspunkt in Sachen Wirtschaftlichkeit.
Fazit
Unterm Strich deckt der neue Tourance Next den weitesten Bereich in diesem Reifentest ab: gute Fahreigenschaften im Trockenen, die besten bei Nässe und der geringe Verschleiß bringen Platz 1.
MOTORRAD-Urteil: Platz 1 442 Punkte
Infos
Gewicht: vorn 5,7 kg, hinten 7,3 kg, Herstellungsland: Spanien, Infos/Freigaben: Michelin Reifenwerke, Tel. 0721/5300, www.michelin.de
Bewertung
Landstraße: (neu: 121 Punkte, Platz 5; nach 4000 km: 118 Punkte, Platz 5)
Beim 2011er-Reifentest fiel der Vorgänger Anakee 2 noch durch starke Walkbewegungen auf, der brandneue Anakee 3 geht dagegen wie verwandelt an den Start: Auf der Autobahn glänzt der Michelin neben dem Bridgestone mit der besten Geradeauslaufstabilität. Ob solo oder mit voller Zuladung, die Explorer ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Schade, dass es ihm im Vergleich zur Konkurrenz an Rückmeldung fehlt. Auch beim Einlenken stören höhere Lenkkräfte, die Handlichkeit ist ähnlich wie beim Battle Wing.
Nasstest: (79 Punkte, Platz 4)
Der Anakee 3 kämpft durch sein träges Einlenken mit weiteren Bögen auf der Nassteststrecke, die Haftung in Schräglage liegt über dem Durchschnitt, aber hinter der von TR 91 und Tourance Next. Der Grenzbereich ist breit genug, um Rutscher zu kontrollieren, kündigt sich aber etwas zu früh an. Auf der ersten Runde fehlt es an Rückmeldung.
Verschleiß: (97 Punkte, Platz 1)
Das Profil wirkt nicht nur optisch äußerst robust, es lässt sich auch auf der 4000-Kilometer-Runde wenig beeindrucken. Das Abriebbild bleibt sauber - ohne Kanten zwischen den Profilblöcken.
Fazit
Geradeauslaufstabilität bei Höchstgeschwindigkeit, geringer Verschleiß. Der Anakee 3 ist ein Reifen für flotte Fernreise-Enduristen. Im kleinen Kurvengeschlängel überwiegen die Defizite.
MOTORRAD-Urteil: Platz 4 415 Punkte
Infos
Gewicht: vorn 5,2 kg, hinten 6,8 kg, Herstellungsland: Deutschland, Infos/Freigaben: Pirelli Deutschland, Tel. 06163/710, www.pirelli.com
Bewertung
Landstraße: (neu: 131 Punkte, Platz 1; nach 4000 km: 130 Punkte, Platz 1)
Die klaren Vorzüge vom Scorpion Trail sind nach wie vor die sportlichen Gene, die viele Pirelli-Reifen auszeichnen. Dazu zählen die gestochen scharfe Lenkpräzision und eine sehr gute Rückmeldung. Auch wenn nicht ganz auf dem Niveau von Conti und Dunlop, ist er mit einer ordentlichen Portion Handlichkeit gesegnet. Dazu spricht er nach einer kurzen Warmfahrphase sehr gut an. Der Abrieb war enorm, die Fahreigenschaften haben sich dadurch aber nur gering verändert.
Nasstest: (80 Punkte, Platz 3)
Auf der Nassteststrecke ordnet sich der Pirelli klar im Mittelfeld ein. Mit ordentlicher Nasshaftung und einem breiten Grenzbereich erreicht er eine Rundenzeit auf dem Niveau von Anakee 3 und Trail Attack. Die Bremswege sind auf der regennassen Fahrbahn dagegen top.
Verschleiß: (74 Punkte, Platz 6)
Ein schwarzes Kapitel für den sportlichen Enduroreifen. Mit der geringsten Anfangsprofiltiefe und dem stärksten Abrieb an den Schultern verliert der Pirelli wertvolle Punkte. Der Vorderreifen war nach der Cevennen-Tour bei rund 2800 Kilometern unter dem gesetzlichen Limit.
Fazit
Auf der Landstraße absolut top, bei Regen im (guten) Mittelfeld, aber der starke Verschleiß kostet den Podestplatz. Wer nur auf die Trocken-Performance Wert legt, muss den Pirelli aufziehen.
MOTORRAD-Urteil: Platz 4 415 Punkte