Motorrad-Folierer Custom Company im Porträt
Der Folien-Magier

Edgar Rüttger ist einer der ganz wenigen Folierer in Deutschland, die sich auf Bikes spezialisiert haben. Denn es ist nicht nur ein Handwerk oder eine Kunst. Nein, Motorräder mit ihren vielen Ecken und Kanten perfekt zu folieren grenzt an Magie.

Custom Company Porträt
Foto: Custom Company/Edgar Rüttger

Wer es nicht weiß, fährt dran vorbei. Auch das Navi mag ihn erst nicht finden. Edgar Rüttgers Zauberbude ist in einer alten Scheune eines ehemaligen Bauernhofes in Langlingen, Nähe Celle, integriert. Ein großes Schleppdach überragt den Hof, der mit uralten Steinen gepflastert ist, die Wände aus roten Backsteinen, die viele Geschichten erzählen könnten, blaue Fenster mit Industriecharme, ein kleines Hinweisschild über der Tür.

"Was hast du dem Motorrad angetan!"

Vor penibel gestapeltem Brennholz steht eine BMW R 1250 GS Adventure, die aussieht, als hätte sie die besten Jahre ihres Lebens auf dem Meeresgrund verbracht: Rost, wohin man sieht. Ein Fauxpas für die meisten GS-Treiber, deren zweites Hobby das Putzen ihres Transportmittels ist. Besitzer Edgar Rüttger kommt turnschuhfedernd aus der Tür, sein Händedruck ist kräftig, der ganze Kerl scheint aus Muskeln zu bestehen. "Ja", sagt er, darauf angesprochen, "ich habe in der Jugend halt sehr viel Sport getrieben." Man glaubt es sofort. Aber was ist mit seiner GS? "Die Flächen sind foliert, auf den Stahlteilen ist ein Rostlack. Beides kann rückstandslos entfernt werden – wenn man möchte." Nachfrage, was passiert, wenn er sein Bike auf einem GS-Treffen abstellt. Gibt es mehr Hater oder auch Lover? "Auf jeden Fall bildet sich eine Menschentraube um das Motorrad", schmunzelt Edgar. "Es gibt ganz viele, die sagen: Um Gottes Willen! Was hast du diesem schönen Motorrad nur angetan! Gleichzeitig zollen sie Respekt vor der handwerklichen Ausführung. Über Design lässt sich bekanntermaßen immer streiten …"

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Eintritt in sein Reich. Gleich am Eingang steht eine hellblaue R nineT mit den Kampfspuren und der Patina einer jahrelang durch die Kurven geprügelten Rennmaschine. Schrammen, Ölflecke und Rost zieren ihr Blechkleid. Unwillkürlich möchte man mit dem Finger prüfen, ob das wirklich echt ist und streicht dabei über eine detailreich und aufwendig designte Folie, die der Maschine einen originellen Used-Look verleiht. Edgar Rüttger lächelt. Unter seinem Label "Custom Company" hat er sich ganz der Aufgabe verschrieben, Serien-Motorrädern ein individuelles Outfit zu verpassen. Vom ersten Designentwurf über die zeichnerische Umsetzung bis hin zur kunstvollen Vollverklebung: Mit diesem Angebot hat Edgar ein Alleinstellungsmerkmal. Kein Wunder: Die Kombination aus gelerntem Kfz-Mechaniker, studiertem Grafikdesigner, Künstler, Illustrator und die notwendige Begeisterung für Motorräder muss so erst mal gefunden werden.

Custom Company Porträt
Custom Company/Edgar Rüttger
Eine R nineT mit Kampfspuren und Patina einer jahrelang durch die Kurven geprügelten Rennmaschine.

Entwürfe, Grafik und Artwork, wie der agile Mittfünfziger sie früher mit Bleistift, Schablonen und Airbrushpistole erstellte, entwickelt und zeichnet er heute am Computer, die Absprachen mit den Kunden laufen meist telefonisch oder online – ganz praktisch während der Pandemie. Der Mann, der selbst schon fast 70 Motorräder im Leben besessen hat, verfügt über eine eigene umfassende Design-Kollektion mit zahlreichen, unterschiedlichen Design- und Stilrichtungen. Das garantiert Individualität. "Bislang hatte jeder Fahrer noch einen eigenen Wunsch. Zwei komplett gleiche Dekore – die gibt es bis heute nicht", sagt er.

Nicht jedes Design passt zu jedem Modell

Neben seiner Kollektion bietet der Designer auch die Möglichkeit, sich ein ganz eigenes Design entwickeln und umsetzen zu lassen. "Natürlich kommen viele Motorradfahrer mit eigenen Ideen und wünschen sich, dass ich etwas daraus mache. Neulich kam ein Fahrer mit einer alten Lucky Strike-Schachtel zu mir und wollte, dass seine GS ‚irgendwie so aussieht‘. Daraus entstand das Design ,Lucky Rider‘. Ein anderer zeigte mir ein Star Wars Fighter-Foto, der nächste hatte ein Raben-Faible, wollte etwas mit Federn und Rabenkopf. Es gibt auch welche, die möchten ein Design umgesetzt haben, damit die Maschine besser zum neuen Helm passt – die Liste der Wünsche ist lang. Eine Fahrerin wollte ihr BMW GS passend zum Thema Feuerwehr gestaltet haben", erzählt er. Seine Ideen skizziert und collagiert Edgar auf einem digitalen Zeichenbrett. Manchmal stunden- und tagelang. "Erst wenn ich das Gefühl habe, das RICHTIGE für den Kunden gefunden zu haben, präsentiere ich meine Idee", sagt er. Nicht jedes Design passt zu jedem Modell. "Aber darum geht’s ja: Dem Mopped das Gesicht zu geben, das am besten zu ihm passt."

Anders als beim Airbrushen, können Änderungen und Anpassungen auch nach Beginn der Grafikarbeiten jederzeit berücksichtigt werden. Beim Zeichnen am Artpad, muss jede Kante, jede Vertiefung und Wölbung eines Bauteiles mit eingeplant werden. Damit also die Designelemente und Texte final auch an der richtigen Stelle sitzen, werden alle noch nicht vermessenen Bauteile mit weißer Folie vorfoliert, danach sämtliche Vertiefungen, Kanten und Schraubenlöcher mit dem Marker nachgezeichnet, die Folie wieder abgezogen, gerade geföhnt, fotografiert, die Bilder digitalisiert und in einem Zeichenprogramm sauber nachgezeichnet.

Anheften, nachjustieren, erhitzen

Sind alle Bauteile erfasst, kann das Artwork exakt platziert und ausgerichtet werden. Mit den fertigen Daten geht es dann in die Druckproduktion. Der Einsatz modernster Drucktechnik ermöglicht es, das Motiv fotorealistisch auf spezielle Folien zu übertragen. Ein zusätzlich aufgepresstes Schutzlaminat schützt den Druck vor Kratzern und UV-Strahlen. Der Rest ist Kunst am Bike und Handarbeit. Zunächst müssen die Folien der einzelnen Bauteile akribisch aufeinander ausgerichtet werden. Nur so ergibt sich später ein stimmiges Gesamtbild. Dann wird die Designfolie angeheftet, nachjustiert, mit dem Heißluftfön erhitzt und damit weich gemacht, über Wölbungen gespannt und mit kleinen Spezialwerkzeugen in Sicken und Kanten hineingearbeitet. Hierbei ist Fingerspitzengefühl gefragt. "Motivbedruckte Folien sind schwerer zu verarbeiten als normale Farbfolien", erklärt Edgar. Aufgrund des Designs dürfen diese kaum gedehnt, also gezogen werden – sonst wird aus einer Niete schnell ein Eierbecher. Bei zu starker Dehnung reißen außerdem die Farbpigmente schnell auseinander. Das führt zu unerwünschten Farbschwankungen innerhalb der Folie."

Wir wollen natürlich wissen, ob es lange dauert, bis man raus hat, wie’s geht. "Handwerkliches Geschick, viel Geduld und Übung, Übung, Übung sind Voraussetzung", meint der Meister. Der weiß inzwischen natürlich ganz genau, wie das Material bei welchen Temperaturen regiert. Und obwohl es fast durchgängig eine "Fummelarbeit" ist, sagt er: "Kein Problem. Gerade das macht ja Spaß: Etwas zu kreieren, dass dir keine Maschine produzieren kann." Inzwischen kommen auch vermehrt Händler auf ihn zu, die gern ein von ihm entworfenes und foliertes Motorrad in ihrem Ausstellungsraum hätten – um ihren Kunden eine attraktive Individualisierung anbieten zu können.

Custom Company Porträt
Custom Company/Edgar Rüttger
"Es gibt ganz viele, die sagen: Um Gottes Willen! Was hast du diesem schönen Motorrad nur angetan! Gleichzeitig zollen sie Respekt vor der handwerklichen Ausführung. Über Design lässt sich bekanntermaßen immer streiten …"​

Täglich 3 bis 4 Anfragen

Folierungen werden im Automobilbereich schon länger eingesetzt und sind hier nichts Neues. Wegen der vielen Ecken und Kanten schrecken viele Folierer jedoch vor Arbeiten an Motorrädern zurück, dennoch ist Bedarf da. Edgar bekommt täglich drei bis vier Anfragen, auch aus dem Ausland. Aber wie kam der Mann dazu? "Angefangen hat alles durch meinen Beruf als Grafikdesigner und Illustrator. Für die Außen- und Fahrzeugwerbung für Kunden hatte ich in der Vergangenheit schon oft spektakuläre Designs entwickelt, auf Folie drucken und verkleben lassen. Vor fünf Jahren habe ich mir dann eine BMW R 1200 GS gekauft, die mir aber optisch viel zu uniform und langweilig daherkam – zumal man die Maschine gefühlt an jeder Ecke stehen sieht. Ich dachte mir: "Warum nicht den Versuch wagen, Artwork anstatt per Airbrush über eine bedruckte Folie aufs Motorrad zu bringen? Nach dem Designen und Vermessen der Bauteile bin ich mit den Daten zu einer Folien-Druckerei gegangen. Parallel habe ich mir in einem Fachbetrieb zeigen lassen, wie man richtig mit Folie arbeitet, quasi ein Praktikum gemacht. Als meine erste selbst gestaltete und folierte Maschine im Italien-Urlaub vor dem Hotel stand, hat mich wirklich JEDER darauf angesprochen. Das war im Prinzip die Geburtsstunde von Custom-Company im Jahr 2017."

Inzwischen hat der findige Künstler seine Werkstatt mit einem eigenen Drucker und Laminator bestückt. Hier will er zukünftig seine Folien selbst bedrucken und laminieren, sich weitgehend unabhängig machen, von Druckereien und Postwegen. Stellt sich die Frage, ob es immer nötig ist, seine Maschine nach Langlingen zu fahren, damit sie foliert werden kann.

Dauer für Folierung: eine Woche

"Nein", sagt Edgar. "Wenn es ein Modell ist, das ich bereits hier hatte und vermessen habe, reicht es völlig aus, die Teile einzuschicken." Und wie lange dauert es von der Idee zum fertig umgestalteten Motorrad? "Für ein neues Design von der Ideenfindung, über die Grafikarbeit, Vorfolierung bis hin zum endgültigen Druckdatensatz benötige ich mindestens eine ganze Woche. Wenn das Design erstmal steht, muss man für die passgenaue Verklebung einer GS in der Maximalausstattung zwei ganze Arbeitstage einplanen. Für die meisten Aufträge benötigt man die Bauteile maximal drei bis fünf Werktage. Im Prinzip muss man sein Moped also nicht länger als eine Woche entbehren."

Zwischen 1.000 und 2.000 Euro geht's los

Bleibt zum Schluss die Frage nach dem Preis für den handwerklich hohen Aufwand. "Selbst sehr aufwendige Aufträge bleiben bezahlbar, wenn ich sie anschließend in meine Kollektion aufnehmen kann. Denn wird ein Design ein zweites oder drittes Mal an den Fahrer/die Fahrerin gebracht, rechnet sich der Aufwand", erklärt Edgar und fügt hinzu: "Normalerweise verlange ich je nach Modell zwischen 1.000 und 2.000 Euro für die Umgestaltung eines Motorrades aufgrund eines vorhandenen Designs." Wer eine komplett eigene Idee umsetzen lassen und ein Unikat sein Eigen nennen möchte, muss noch in Entwurf und Artwork investieren. "Das berechne ich nach Zeitaufwand – und der ist immer abhängig von der Art des Motives und dem Wunsch der Umsetzung." Am Ende steht ein lackähnliches Ergebnis, das nicht nur individuell, sondern auch kaum von einer Lackierung oder einem Airbrush zu unterscheiden ist. Und irgendwie stets magisch wirkt.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023