Eine umfassende Reifenempfehlung fehlte in der Dauertest-Zwischenbilanz der Honda Crosstourer in MOTORRAD 3/2012 noch: Welche Gummis bekommen der mächtigen V4-Maschine besonders gut, welche weniger? Testfahrten dazu konnten erst im Januar 2013 stattfinden. Doch das Warten hat sich gelohnt. So konnten die deutschen Marken Metzeler und Continental kurzfristig neueste 2013er-Pneus bei-steuern, Tourance Next und Trail Attack 2. Sie sind Erstausrüstung auf der neuen KTM 1190 Adventure und der wassergekühlten BMW R 1200 GS. Nur der Michelin Anakee 3 fehlte noch als weiterer Neuzugang.
Zehn verschiedene Reifenpaarungen bekam Hondas 1200er auf die Speichenräder gezogen – in den Dimensionen 110/80 R 19 und 150/70 R 17. In diesen Formaten, den generell gängigsten aller Reiseenduros, dreht sich sehr viel, weil sie auch Topseller à la BMW R 1200 GS oder Suzuki V-Strom 650 tragen. Daher offerieren diverse Reifenhersteller neben expliziten Reiseenduro-Reifen auch ihre Sporttouren-Pneus als 19- und 17-Zöller. In unserem Fall sind das Bridgestone, Continental, Dunlop und Michelin. Alle Reifenkombinationen mussten Testfahrten auf kurvigen Landstraßen absolvieren – mit sehr unterschiedlichen Belägen in puncto Griffigkeit und Asphaltgüte.
Zielgenauigkeit, Kurvenstabilität, Neutralität, Haftung bei Trockenheit und Aufstellmoment ließen sich so gut beurteilen. Aussagen über Hochgeschwindigkeitsstabilität auf Autobahnen oder Nasshaftung und Verschleiß fehlen dagegen noch. Bis zum großen Reifentest für Reiseenduros, den MOTORRAD im Frühjahr 2013 startet. Und das Fazit für Hondas Crosstourer? Hut ab für das hohe Reifen-Niveau. Überzeugen können Bridgestone Battle Wing, Dunlop Trialmax und Michelin Anakee 2. Doch bei den genannten Bedingungen sind die neuen Conti und Metzeler die beste Empfehlung.
Bridgestone BT 023

Der Sporttouren-Reifen harmoniert nicht mit der Crosstourer. Er macht die Honda unhandlich, sie muss in Kurven gezwungen werden. Der hohe Kraftaufwand beim Einlenken verwässert die Linie. Kurvenausgangs treibt das Motorrad nach außen, fährt weite Bögen. Merkliche Aufstelltendenz beim Bremsen in Schräglage. Mit dem BT 023 wirkt das Honda-Fahrwerk ziemlich unterdämpft. Gut ist die Haftung beim Rausbeschleunigen, selbst bei Kälte.
Bridgestone Battle Wing BW 501/BW 502
Ganz klar der besser passende japanische Reifen. Die 1200er fühlt sich vertrauenerweckender an, rollt runder, homogener und neutraler als mit dem BT 023. Sie lenkt handlicher ein, ihre Front bleibt ruhiger. Die Eigendämpfung ist spürbar besser, allerdings auch das Aufstellmoment größer. Rückmeldung und Lenkpräzision passen beim Battle Wing. Möglicher Haftungsverlust kündigt sich gutmütig durch Wegrubbeln an. Eine ausgewogene Paarung.
Continental Road Attack 2
Mit Contis sportiven Straßenreifen fährt die schwere Honda pri-ma: sehr zielgenau, präzise und neutral auf den Punkt. Denn die Handlichkeit ist gut und das Aufstellmoment gering ausgeprägt. Allerdings kann der Road Attack 2 Holperpisten nicht so komfortabel kaschieren wie reinrassige Straßenenduro-Reifen, seine Eigendämpfung ist geringer. Im Dauertest zeigte sich, dass der Reifen voll beladen auf Autobahnen leichtes Rühren bewirken kann.
Continental Trail Attack 2
(Vorn mit „Z“-Kennung) Vermittelt vom ersten Meter an vollstes Vertrauen. Die Trail Attack 2 machen den XXL-Tourer besser, als wäre er leichter. Man ist flotter und schräger unterwegs als bislang. Frech, stabil und sicher, mit guter Rückmeldung. Überragende Handlichkeit trifft auf geringes Aufstellmoment und guten Grip. Ein Wohlfühlreifen, der vom Vorgänger hoffentlich die hohe Laufleistung geerbt hat; seine Nasshaftung soll laut Conti verbessert sein. Ein echter Tipp!
Dunlop Roadsmart 2
Muss für gute Fahreigenschaften etwas warm gefahren werden. Beim Hin-und-her-Werfen in Wechselkurven durchaus handlich. Doch beim Abklappen aus der Senkrechten, dem ersten Lenk-impuls, höherer Kraftaufwand erforderlich. Abrollkomfort geringer als bei Enduro-Reifen: Auf einer Schlechtwegstrecke poltern die Reifen etwas über Bodenunebenheiten. Starkes Aufstell-moment beim Bremsen in Schräglage trifft auf guten Grip.
Dunlop Trailmax TR 91
Passt gut zur Honda, bleibt neutral auf Kurs. Auch in engsten Kehren präzise und berechenbar. Vorderrad führt vertrauen-erweckend gut. Rückmeldung vom Hinterrad dürfte besser sein. Handling nicht ganz so federleicht wie bei Conti und Pirelli, klappt aus der Senkrechten nicht ganz so easy ab. Hohe Eigendämpfung macht komfortabel und überdeckt leichte Fahrwerksschwächen. Stellt sich nur beim Griff zur Vorderbremse etwas stärker auf.
Michelin Anakee 2
Eine Paarung, die Mensch und Maschine guttut. Lenkt leicht ein, führt präzise. Schön handlich, nur nicht ganz so leichtfüßig wie Conti Trail Attack 2 und Pirelli. Macht flottes Wedeln zum Vergnügen, gar kein Aufstellmoment. Gutmütig, rollt schön rund und neutral über die gesamte Reifenbreite ab. Bei sportlicher Fahrweise wird er etwas indifferent, mögliches Haftungsende kündigt sich durch Walken an. Fazit: homogen und komfortabel.
Michelin Pilot Road 3
Sehr zielgenau und stabil, das schafft Vertrauen. Zumal der in Thailand gefertigte Hinterreifen satten Grip beim Rausbeschleunigen bietet. Der mögliche Grenzbereich der „Regenmeister“ ist bei kühler Witterung leider nicht gut definierbar. Die Michelins erlauben sehr enge Linien in Kehren, klappen jedoch in großer Schräglage selbsttätig weiter ab. Handling auf mittlerem Niveau, Rückmeldung etwas schwammig. Komfort dürfte größer sein.
Metzeler Tourance Next
Für den Straßenbetrieb optimiert, begeistert die dritte Tourance-Generation mit „rundem“, leichtfüßig-handlichem Fahrverhalten. Ohne große Eingewöhnung sind knackige Schräglagen drin – bei sehr geringem Aufstellmoment. Stabiler Aufbau kombiniert mit guter Dämpfung, insbesondere auch beim Vorderreifen. Der Komfort ist hoch, der Crosstourer wird zum Crossgleiter. Nicht ganz so sportlich wie der Trail Attack 2, aber äußerst ausgewogen.
Pirelli Scorpion Trail
Die Honda fährt auf den Pirellis leichtfüßig-sportiv, erinnert an eine BMW R 1200 GS. Und lässt sich auch weit in die Kurven hineinbremsen. Bei sehr schräger Fahrweise rutschen die Pneus recht früh, doch ganz sanft weg, lassen sich aber gut wieder einfangen. Eigendämpfung (Komfort) könnte beim recht straff wirkenden Vorderreifen größer sein. Reifen für einen 285-Kilo-Tourer gefühlsecht-frech. Insgesamt eher sinnlich, weniger harmonisch.