"Künftig muss der ganze Handschuh was können", sagt Sven Kirschning. Der Diplom-Ingenieur für Bekleidungstechnik beschäftigt sich seit über 10 Jahren mit der Zertifizierung von Motorradbekleidung. Im Interview gibt er Einblicke in die derzeitige Überarbeitung der für Motorradhandschuhe gültigen Norm und sagt, was er von einer Tragepflicht für Handschuhe auf dem Motorrad hält. Den kompletten Test-Test findest du in der XXL-Ausgabe MOTORRAD 17/2025.
Genau, wir arbeiten derzeit an der Überarbeitung der aktuell gültigen EN 13594 aus dem Jahr 2015. Bei Normen wird alle 5 Jahre geprüft, ob sie noch aktuell sind. 2020 gab es keine Veränderungen, aber dieses Jahr haben wir uns für eine Überarbeitung entschieden. Grund dafür ist, dass mit der aktuellen Norm ein bisschen Schindluder getrieben wird.
Als Beispiel: Die "Impact Abrasion", also der Abriebprozess, wird nur auf einer sehr kleinen Fläche geprüft, auf dem Handballenknochen. Das Material am gesamten Rest des Handschuhs wird hingegen nur auf Zugfestigkeit getestet. Jetzt haben wir gesehen, dass einige Hersteller einfach ein kaum schützendes Material verwenden und nur an der Stelle, die geprüft wird, ein Plastikteil aufnähen. Bei einem Sturz ist man dann nur dort vor Abrieb geschützt, als würden die Finger den Asphalt bei einem Sturz nicht berühren. So stürzt aber niemand.

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Künftig muss der ganze Handschuh etwas können – ähnlich wie bei Motorradanzügen soll es verschiedene Zonen geben, in denen unterschiedliche Anforderungen gelten. Eine weitere Änderung betrifft die Schutzklasse 2, die es auf dem Markt quasi nicht gibt. Sie soll so gestaltet werden, dass sie mit einem guten Handschuh auch wirklich erreichbar ist. Zudem könnte die Durchstichprüfung wegfallen, da Verletzungen durch Scherben oder Nägel laut Unfallstatistiken kaum eine Rolle spielen.
Es gibt Überlegungen, eine spezielle Schutzklasse für diese Art Handschuhe einzuführen. Aktuell befinden sich Cross-Handschuhe oft in einer Grauzone, was weder für Hersteller noch Nutzer gut ist. Zukünftig will man auch vermeiden, dass jemand im Laden den cool aussehenden, aber weniger schützenden Enduro-Handschuh kauft, weil dieser ja ebenso Level 1 erfüllt wie beispielsweise ein objektiv besser schützender Touren-Handschuh.
Zunächst nicht. Die neue Norm betrifft erst mal die Hersteller, dann den Handel. Der Endkunde dürfte sogar weiterhin ohne Handschuhe fahren – auch wenn das natürlich nicht empfehlenswert ist.

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Ich bin kein Freund einer Tragepflicht in diesem Bereich, aber ein großer Fan davon, Leute vor ihrer eigenen Unwissenheit zu schützen. Handschuhe gehören zur Grundausstattung, das sollte in Fahrschulen und in Medien wie bei Euch klar vermittelt werden. Denn wenn die Leute es nicht von selbst tun, kommen irgendwann doch Gesetze, die es vorschreiben.
Ich gehe davon aus, dass die Überarbeitung Anfang nächsten Jahres in die Abstimmung geht. Mit einer Veröffentlichung rechne ich dann aber frühestens Ende 2026.