Ducati Diavel V4 und Triumph Rocket 3 Storm R – an diesen Motorrädern ist kaum etwas überschaubar oder klein: 27 Riesen Einstiegspreis, 240er-Heckschlappen und gut 170 V4-Pferde für die Ducati. Knapp 1,70 Meter Radstand, deutlich über 300 Kilo Masse und absurde 2.458 Kubikzentimeter Hubraum für die nur unwesentlich günstigere Triumph: Da wird einem ja fast schwindelig. Verzicht und Zurückhaltung, das sind Dinge, die Diavel und Rocket höchstens vom Hörensagen kennen. Nein, hier wird noch mit großer Kelle und Ambition aus dem Vollen geschöpft, was in Zeiten allgegenwärtiger wie notwendiger Ressourcenschonung zugegebenermaßen eine erfrischende Brise an Genuss und Leichtigkeit auf die Synapsen pustet.
Ducati Diavel mit 168 PS
Bei aller Opulenz und Autorität, welche die 2024er-Ducati Diavel V4 zweifellos ausstrahlt, wird beim Bologneser Teufel dann doch an einer einzigen Sache traditionsgemäß gespart: Masse. 235 Kilogramm sind nicht nur für ein Musclebike dieser Kragenweite geradezu sensationell und sorgen ganz nebenbei für die leichteste Diavel ever. Dank 168 PS aus dem "Granturismo"-V4 übrigens auch die stärkste Diavel ever. Wer das mit dem markentypischen Anspruch an enervierende Querdynamik zusammenbringt, bekommt ein Bild davon, was dieses Motorrad seit 2010 so besonders macht: der Bruch mit den Erwartungen.
Triumph Rocket 3 Storm R mit dem größten Motor
Zahlenspielereien und Analysen, welche die mächtige Triumph Rocket 3 Storm R Modelljahr 2024 so gar nicht voraussetzt, um ihr Wesen zu begreifen. Der Name allein übt sich ja schon kaum in jeglicher Kryptik. You see what you get ist hier seit jeher die Devise. And you get vor allem den größten Motor, den man in Serie überhaupt zwischen zwei Räder spannen kann. Prominenter wurde ein Antriebsstrang mit Ausnahme des vierfach befeuerten und in seiner Silhouette gar nicht so unähnlichen Red-Porsche-Killers vom legendären, 1988er-Werner-Rennen wohl selten in Szene gesetzt. Hier wie dort ist der Bestzeiten-Sprint die Maxime, aber die Umsetzung ist bei der Rocket ungleich sinnlicher. Von Lackauftrag über Materialgüte bis hin zur Verarbeitung reizt dieses konsequent geschmackvolle Neo-Retro-Kraftrad die Hinckley-typische Liebe zur Ästhetik maximal aus. Schneller und gleichzeitig schöner lässt es sich wohl kaum geradeaus fahren, ist die deutliche Botschaft aus UK.
Duacti Diavel: aufeinandertreffen von Kraft
Egal, ob es quer oder längs nach vorn geht, die Nackenmuskulatur wird wohl wieder gut was aushalten müssen bei diesem Aufeinandertreffen von Kraft und noch mehr Kraft. Aber wäre alles andere nicht enttäuschend, wenn man schon mal so viel Geld gegen so viel Superlativ getauscht hat? Sich lebendig fühlen, darum geht es doch letztendlich bei unser aller liebster Freizeitbeschäftigung. Diese beiden Giga-Schrittmacher haben genug Kraft, sterbende Sterne wieder erglühen zu lassen, da sollte doch auch das kälteste Pilotenherz quasi en passant wieder ins blühende Leben zurückgezündet werden können?
Es gibt nur einen Weg, das rauszufinden. Also als Erstes den italienischen Teufel bestiegen und an den Hörnern gepackt. Weiter als gewohnt muss man sich zu Lenker und Fußrasten strecken, die groteske Schleifstein-Haltung à la Harley und Co. bleibt einem aber erspart. Genug Restwürde, um ein bisschen bella figura zu machen, mille grazie! Auch für den trotz allem intimen Knieschluss, der bei aller Lümmeligkeit noch für ein schönes Ducati-Gefühl von Nähe zu allen relevanten Fühlern der Duati Diavel V4 sorgt.
Explosive Drehfreude bei 8.000 Touren
Beim Stichwort Fühlen hat der V4 seinen großen Auftritt. Er gibt sich akustisch große Mühe, einen V2 zu mimen, und ist es im Teillastbereich dank Zylinderabschaltung auch ab und an. Was aber nichts an seiner emotionalen Wucht ändert. Er rumpelt, bollert und röhrt ansprechend, ohne groß zu vibrieren, hängt immer sämig am Gas und schiebt oberhalb der Mindestmitarbeitsgrenze von 3.000 Touren bereits kräftig nach vorn. Untenrum vielleicht nicht die Arschbombe, die man in diesem Genre vermutet, aber besagte 235 Kilo machen die auch gewissermaßen obsolet. Außerdem gibt es ja noch die Mitte und oben. Bereiche, die sowohl vergleichsweise groß als auch unverschämt kraftvoll gestaltet sind. Spätestens bei 8.000 Touren schaltet der V4 auf Warp neun und reißt mit solch explosiver Drehfreude nach vorn, dass man sich wirklich gut festhalten sollte. Getriebe und Quickshifter stehen diesem Verbrennungs-Furioso nicht im Geringsten entgegen, und auch die enorm starken Stylema-Stopper von Brembo gehören zum Feinsten, was man am Markt finden kann.
Nun gut, Musclebike geht nach vorn, wer hätte es gedacht? Die eigentliche Magie passiert dann, wenn einem in diesen Gefilden sonst gerne mal die Schweißperlen auf die Stirn kommen: vor, in und nach der Kurve. Oder wie Kollege Glück es treffend formuliert hat: "Was ist denn DAS bitte???" Allgemeine kognitive Dissonanz könnte man es nennen, wenn man versucht, zusammenzubringen, wie leicht, präzise und handlich sich dieses lang begabelte, breit bereifte und komfortabel befahrwerkte Bat-Krad von Radius zu Radius scheuchen lässt. Wer den kleinen ergonomischen Spielraum der Ducati Diavel V4 nutzt und ein wenig gen Vorderrad rutscht, braucht – abseits der gesetzlichen Autoritäten – bei engagierter Gashand nichts und niemanden zu fürchten.
Knapper Lenkeinschlag bei der Rocket 3
Auch nicht die Triumph Rocket 3 Storm R. Denn anders als die Ducati fährt die Triumph ziemlich genau so, wie sie aussieht: wie der ultimative Dragster. Quer geht mehr, als man vermutet, aber weniger, als man bräuchte, um der Italienerin auf den Fersen zu bleiben. Dafür ist die Front gefühlt und real zu weit weg, die Vorderradwalze zu einlenkresistent, die Fußrasten zu tief und zu weit vorn und das ganze Handling zu ... na ja, ein Containerschiff wendet auch nicht auf der Fläche einer Briefmarke, oder?
Knapp 320 Kilo bleiben knapp 320 Kilo, und wer die amtlich rumlassen will, sollte nicht nur den besagten starken Nacken, sondern auch etwas Schmalz in den Oberarmen haben. Die zudem nicht allzu kurz sein sollten, wenn man den eh schon knappen Lenkeinschlag ohne Kontaktverlust zum Volant nutzen möchte. Abkürzen per Rumrutschen wie auf der Ducati Diavel V4 ist auch nicht drin, da der Hintern hier – immerhin komfortabel – einbetoniert wird. Ist man deswegen gefühlt oder real langsam unterwegs? Gewiss nicht. Hat man weniger Spaß dadurch? No, Sir. Und spielt das alles überhaupt eine Rolle, wenn man sich wohl nicht ganz zufällig für diesen Dreadnought auf Rädern entscheidet …?
Triumph Rocket: Dreiender läuft turbinenhaft
So absurd es beim Blick auf die sehr großen Zahlen in Zusammenhang mit der Triumph Rocket 3 Storm R scheinen mag, so wenig gehören Eile und Hatz zum Gesamtkonzept der Rocket. Ganz anders als bei der ebenfalls hoch souveränen, aber latent unter Strom stehenden Duacati Diavel V4. Wenn der Begriff "Powercruising" jemals Einzug in eine Enzyklopädie finden sollte, wird dort ganz sicher auch ein Bild der Rocket abgebildet sein. Und das hat vor allem einen großen Grund. Oder besser: 2.458 kleine Gründe.
Spätestens beim Druck auf den Startknopf sind so viele Synapsen in Beschlag, da bleiben eh keine Kapazitäten mehr für etwaige Dynamikvergleiche. Mit spürbarer Schlagseite nach links schnaubt sich der mit längs liegender Kurbelwelle und eimergroßen Kolben versehene Gigant eindrucksvoll ins Leben. Während bei der Ducati Diavel V4 vor allem die surrealen Chassis-Qualitäten verblüffen, wird das Erlebnis Rocket mit erdrückender Dominanz von diesem Monument der Verbrennung geprägt. Der Dreiender läuft gewohnt sämig und turbinenhaft, lässt einen aber angenehm an seiner gewaltigen Mechanik teilhaben, macht fast jede Kurbelwellenumwuchtung spürbar. Wer sich jetzt noch nicht lebendig fühlt, braucht das Koffein morgens intravenös.
Gewaltige Leistung und Stabilität
Oder sollte mal einfach am Gasgriff der Triumph Rocket 3 Storm R drehen. Min.- max.-Prinzip par excellence. Jeder Millimeter schmeißt einem gewaltige Brocken an Leistung und Drehmoment hin, die in ihrer Intensität kaum je variieren. Ob 1.000 oder 6.000 Umdrehungen, 1. oder 6. Gang: Die Triumph schießt aberwitzig unangestrengt nach vorn und quittiert jeden Gasschluss mit balsamierendem Brabbeln. Dank Top-Elektronik und bester Fahrwerks- wie Brems-Hardware jederzeit fein anzapf- und kontrollierbar. Und dazu mit einer Stabilität gesegnet, welche die für sich genommen erdig-satte Diavel fast schon wackelig erscheinen lässt.
Apropos aberwitzig: Bei Landstraßentempo im Sechsten schiffsdieselt der Reaktor mit nur 2.200 Touren. 3.000 Umdrehungen reichen also im Alltag eigentlich immer aus. 4.000 oder gar mehr werden, wenn überhaupt, nur auf der unlimitierten Autobahn nötig oder wenn eine Ducati Diavel V4 zu lang zu frech vor der Nase rumbollert. Aber keine Sorge, auch darauf wurde die Triumph vorbereitet, denn mit dem jüngsten Update gab es was? Richtig, knapp zehn Prozent mehr Top-End-Power. Was auch sonst?