Der 1380er-V2 von Moto Guzzi ist große Klasse. Er zieht so machtvoll aus dem Drehzahlkeller, wie man es von einem großvolumigen Motor erwarten darf, dreht aber viel agiler hoch, als man es angesichts der Einzelhubräume von 690 cm³ befürchten muss. Er treibt nicht nur vorwärts, sondern bewegt die ganze Einheit von Fahrer und Motorrad mit sanften, aber kräftigen Impulsen im Rhythmus seiner Zündungen und wiegt sie im Kippmoment seiner Kurbelwelle. So entsteht parallel zur mechanischen Bewegung beim Fahrer auch eine emotionale.
Es ist deshalb kein Wunder, dass die Produktplaner der Guzzi-Konzernmutter Piaggio den California-Modellen Custom und Touring zwei weitere Varianten mit dem prachtvollen Antrieb zur Seite stellen. Moto Guzzi 1400 Audace und Moto Guzzi 1400 Eldorado heißen die beiden Neuen, die kürzlich an ihrem Produktionsort Mandello am Comer See präsentiert wurden. Audace bedeutet „kühn“ oder „tapfer“, Eldorado erinnert an eine sagenhafte Goldstadt in Südamerika. Entsprechend ihrer Namen sind die Motorräder gestaltet; die Audace wirkt wie der Inbegriff des kraftvoll-kühnen Kämpfers oder des Machos, der einer sein will, die Eldorado ist zwar nicht mit Gold, dafür aber viel Chrom, Zierstreifen und Weißwandreifen geschmückt.
Fußrasten statt Trittbretter
„Asterix“-Leser kennen die lateinische Sentenz, der zufolge das Glück die Tapferen („audaces“) begünstigt, doch bei der Präsentation war dies nicht der Fall. Es regnete mal kräftiger, mal schwächer, doch die Straßen rund um den Comer See, die ohnehin wenig Grip bieten, blieben den ganzen Tag über nass. So konnte die Moto Guzzi 1400 Audace den Beweis ihrer gegenüber der California Custom gesteigerten Sportlichkeit nicht antreten. Ob die Fußrasten, die sie statt der Trittbretter besitzt, tatsächlich mehr Schräglagenfreiheit bringen oder der schmalere, weit vorn montierte Lenker die Lenkpräzision fördert – wir wissen es nicht. Im Regen auf diesen Straßen reichte die Schräglagenfreiheit dicke.
So blieb von der Testfahrt hauptsächlich das herzerwärmende Spiel mit dem freundlichen Grollen des Motors und dem kernigen, exakt schaltbaren Getriebe in Erinnerung. Pflichtgemäß, jedoch eher nebenher registrierte der Tester, dass die Bremsen achtbar, für die Gripverhältnisse fast zu gut funktionierten, was wiederum die Funktion des ABS unter Beweis stellte. Auch das Traktionskontrollsystemder Moto Guzzi 1400 Audace arbeitete, wie beim Geradeausfahren gelegentlich zu beobachten war. Aber das kam mangels Grip alles viel zu rasch und zu früh, um wirkliche Aussagen über das Regelverhalten zu treffen.
Um sportlich fahren und heizen ging's nicht
Dabei erwies sich der Dunlop D 251 der Moto Guzzi 1400 Audace noch als der bessere Reifen im Nassen. Der schmucke Weißwandreifen der Moto Guzzi 1400 Eldorado – Dunlop American Elite, am Vorderrad mit 16 Zoll Durchmesser – unterschreitet eindeutig eine untere Grenze, die für Fahrten im Regen noch eine gewisse Sicherheit markiert. Um falschen Vermutungen vorzubeugen: Es ging nicht darum, sportlich zu fahren oder gar zu heizen.
Das Schlingern, Rutschen, Blockieren, Ausbrechen der Räder geschah beim angstvollen Vorwärtstasten am Existenzminimum jeglicher Bewegung. Die in der Bildergalerie gezeigten, betulich wirkenden Fahrfotos entstanden am absoluten Limit. Wenn der Marke Moto Guzzi etwas an ihren Kunden liegt, sollte sie einen anderen Reifentyp wählen. Mag ja sein, dass die Moto Guzzi 1400 Audace und die 1400 Eldorado hauptsächlich für die USA bestimmt sind, wo „mileage“ über alles geht, doch wir sind hier in Europa. Hier gibt es gelegentlich Kurven und manchmal beginnt es auch während einer Tour zu regnen, die bei sonnigem Wetter begonnen hat.
Audace und Eldorado nicht frei von Verarbeitungsmängeln
Die Moto Guzzi 1400 Audace und die Moto Guzzi 1400 Eldorado sind mit einem Preis von 18.500 Euro genau 510 Euro teurer als das „Basismodell“ California Custom, das der Audace fahrwerkstechnisch weitgehend entspricht. Dafür erhält der Käufer mechanisch ausgesprochen solide Motorräder, die aber nicht frei von Verarbeitungsmängeln sind. So war der eigenwillig geformte Scheinwerfer einer jeden Eldorado nach den Regenfahrten beschlagen. Auch in diesem Punkt möge Moto Guzzi bitte nachbessern.
Wie gewohnt bietet Moto Guzzi auch für die Neuen viel Zubehör an. In Sachen Elektronik sogar eine sogenannte „media platform“ die ein iPhone 5 oder andere Smartphones in die Bordelektronik integriert, auf denen dann bestimmte Funktionen des Motorrads anzeigt werden und die als Navigationsgerät oder Datenlogger fungieren. Der Tester gibt zu, solchen Dingen gegenüber misstrauisch zu sein. Sie könnten ihn vom Schlag des V2 ablenken.