Einer wird gewinnen einzig und allein diese Tatsache stand vor Beginn des großen Alpen-Masters 2006 fest. Aber welches Motorrad kann sich letzlich durchsetzen: ein wendiger Allrounder, ein knackiger Sportler, vielleicht ein komfortabler Tourer, eine vielseitige Enduro oder gar das klassische Big Bike? Ingesamt zwanzig Maschinen, gleichmäßig verteilt auf die fünf Kategorien, stellten sich in diesem Jahr der ultimativen alpinen Challenge, in der es einmal um etwas andere Qualitäten als sonst in Tests und Vergleichstests geht. Aspekte wie Wirtschaftlichkeit und Umwelt etwa spielen beim Alpen-Masters keine Rolle und fallen komplett unter den Tisch. Der Schwerpunkt liegt stattdessen eindeutig auf der Eigenschaftswertung unter den besonderen Verhältnissen im Gebirge, eine spezielle Punktewertung soll diese abbilden.
Spezialisten chancenlos
Ein Alpenkönig muss mit widrigsten Verhältnissen zurechtkommen, anspruchslos sein, aber es auch nicht an Dynamik vermissen lassen. Touristische Qualitäten sind ebenfalls gefragt, schließlich will man ja tagelang ohne Sitzbeschwerden das kurvenreiche Terrain genießen. Demzufolge haben es Spezialisten und Charaktermodelle unter solchen Bedingungen eher schwer, Allround-Eigenschaften ohne spezifische Schwächen bieten Vorteile.
Das Testareal rund um das legendäre Stilfser Joch beinhaltet alles, was die Alpen an straßenbaulicher Varianz zu bieten haben. Es beginnt mit den unendlichen Spitzkehren der Passstraße, auf der die gesamte Automobilbranche ihre Bremsentests durchführt. Anschließend kann sich die Testmannschaft am Umbrail-Pass, der knapp unterhalb der italienischen Passhöhe abzweigt und in die Schweiz hinüber führt, austoben. Zwischendurch gibt es sogar eine längere Schotterpassage. Unten im Tal folgen schnelle Passagen mit zügigen Wechselkurven, längere Geraden gönnen schwindligen Testern auch mal etwas Erholung. Damit ist die Runde schon beinahe abgeschlossen, es geht zurück zum Ausgangspunkt, dem Biker-Hotel Tannenheim in Trafoi am Fuß des Passo Stelvio.
Finale furioso
Die Klassenbesten in den Sparten Allrounder, Sportler und Tourer wurden bereits im ersten Teil (MOTORRAD 17/2006) gekürt, nun fehlen für das Finale noch die beiden Vertreter in den Disziplinen Enduros/Funbikes und Big Bikes. Diese fünf Kandidaten bestreiten dann das große Finale, in dem die Karten neu gemischt werden. Denn hier dreht es sich nicht mehr allein um Punkte, die fünf Fahrer lassen in ihre Platzierung subjektive Bewertungen einfließen. Das bedeutet keineswegs, dass die Punktewertung völlig außer Acht gelassen wird, sondern gibt bei diesem Konzeptvergleich die Möglichkeit, bestimmte Kriterien anders zu gewichten. So können prägnante Stärken oder Schwächen eine durchschlagende Wirkung erhalten. Weshalb es am Ende gegenüber der reinen Punktewertung zu geringfügigen Verschiebungen kommen kann. Aber lassen Sie sich einfach überraschen!
Enduros/Funbikes: KTM 950 Supermoto, Buell Ulysses XB12X Touratech

So kehrt sich alles zum Besten
Man muss ja nicht unbedingt schroffe Felsabhänge hinunterhoppeln, einen Steinhagel hinter sich herziehend die Hänge hinaufbrettern oder tiefe Furchen in aufgeweichte Schotterpisten fräsen. Nein, Enduros sind aus anderen Gründen gerade in den Alpen äußerst sinnvoll: weil sie vielseitige Allrounder und komfortable Tourer sind, weil der Fahrer entspannt sitzend die grandiose Umgebung genießen kann und weil Enduros unkompliziert und anspruchslos sind. Was rund um das Stilfser Joch äußerst hilfreich ist, wo die Kurvenkombinationen besonders trickreich verlaufen, die Kehren extrem spitz gerieten und der Asphalt mitunter die Struktur von Pockennarben hat.
Funtastischer Spritztourer
Und da die Grenzen zwischen Enduros, Funbikes und Supermotos heutzutage verschwimmen, durfte auch die KTM 950 Supermoto mit. Ein radikales Sportgerät, mit dem man im Kehrengewirr ganz locker der Knieschleiferfraktion um die Nase fahren kann. Ginge es ausschließlich um Sekunden und Länge der Radierspuren, wäre der KTM der Titel "King of the Alps" sicher. Das Fahrwerk arbeitet gediegen, schluckt übelste Schlaglöcher. Die Bremse stellt zurzeit den Gipfel an Wirkung und Dosierbarkeit dar, da können sich manche Spitzensportler eine Scheibe abschneiden. Und der Motor geht schon unten dank der kurzen Übersetzung wie eine Rakete, schnalzt ohne jegliche Schwächeanfälle bis in den Begrenzer. Funtastisch.
Kommt man nach dieser Orgie an Speed, Spektakel und Spaß irgendwann wieder auf dem Boden der Tatsachen an, muss die KTM ihrem radikalen Konzept Tribut zollen. Mit dem Transport von Gepäck sieht es eher mau aus, mit dem eines Sozius nicht viel besser. Und der Windschutz tendiert gegen null, die touristischen Qualitäten sind arg limitiert. Beim gemütlichen Herumzuckeln ruckelt der Motor, bleibt manchmal gar mit einem Plopp unvermittelt stehen. So springt unterm Strich "nur" der zweite Platz raus, für ein dermaßen kompromissloses Gerät durchaus bemerkenswert.

Störrischer Ballermann
Konzeptionell dürfte die Buell sich eher Chancen auf den Klassensieg ausrechnen, ist sie doch als klassische Reiseenduro besser geeignet, Tour und Dynamik unter einen Hut zu bringen. Zumal beim Alpen-Masters eine von Touratech verfeinerte Ulysses an den Start ging, aufgerüstet mit Gepäcksystem, bequemer, niedriger Sitzbank und Optimierungsmaßnahmen wie einer veränderten Schaltkinematik. Dennoch muss der Buell-Fahrer bereits vor Fahrtantritt ernste Hürden überwinden und einen Sitz in immer noch luftiger Höhe erklimmen. Zudem wird das Rangieren durch den gewaltigen Wendekreis erschwert.
Dabei schlägt die Gabelbrücke links am Kabelbaum an. Der erste Gang will nur mit Nachdruck rein, im weiteren Verlauf landet man schon mal im Niemandsland zwischen den Gangstufen. Außerdem begleiten harte Geräusche jeden Gangwechsel. Dass die Kupplung viel Kraft erfordert, ist auf Dauer auch nicht besonders hilfreich. Ähnliches gilt für die vordere Bremse, für ordentliche Verzögerung muss vor allem bergab mit Beladung gewaltig am Hebel gezogen werden. Immerhin spricht die Federung weich an, reagiert auf grobe Unebenheiten allerdings bockig. Und werden diese in Schräglage überquert was zum Beispiel am Umbrail-Pass die Regel ist , entwickelt das Chassis ein störrisches Eigenleben.
Das klingt ziemlich negativ, wird jedoch zumindest teilweise durch einen charakterstarken Motor kompensiert, der mit seinem sanften Pulsschlag eine souveräne Ruhe ausstrahlt und daher in das alpine Umfeld besonders gut hineinpasst. Gemächlich und ohne Hektik kann man bei 2000 bis 3000 Umdrehungen durch die Natur blubbern, das herrliche Panorama genießen, ohne dass einem wie auf der KTM latent die Gier im Nacken sitzt. Zu mehr als Platz vier reicht es trotzdem nicht.
Enduros/Funbikes: BMW R 1200 GS Adventure, Suzuki V-Strom 650

Das Enduro-Gebirge
Das Vorbild der Ulysses, die erfolgreiche GS-BMW, war bereits beim letztjährigen Alpen-Masters dabei, dieses Mal durfte daher die Adventure ran. Ein Massiv von Motorrad mit riesigem 33-Liter-Spritfass. Rund 1,90 Meter Körpergröße sollten es schon sein, um sich auf diesem Sitzplatz heimisch zu fühlen. Wer dieses Trumm auf dem Hotelparkplatz aus einer engen Parklücke bugsieren muss, ist wirklich nicht zu beneiden.
Rollt die Riesen-Enduro jedoch erst einmal, kehrt sich der unhandliche Eindruck plötzlich um. Ohne großen Körpereinsatz lässt sich die Adventure um Spitzkehren zirkeln. Nur in Wechselkurven ist Arbeit angesagt, um die Monsterkuh von einer Schräglage in die andere zu wuchten. Dafür hält es die gesamte Besatzung dank des sehr guten Sitzkomforts auch auf Dauer locker aus. Die großen, allerdings nicht serienmäßigen Alu-Koffer schlucken jede Menge Gepäck. Nicht nur die unschlagbare Reichweite von rund 660 Kilometern kürt die große GS zum Langstreckenkönig, auch der Federungskomfort ist überragend. Wie eine Sänfte gleitet die Adventure über übelste Schlaglochpisten. Dazu kommt ein guter Windschutz, der aber nicht ganz frei von Turbulenzen ist. Das optionale, teil-integrale ABS verwirrt mitunter durch überraschende Regelfunktion, besonders bergab steigt die Bremse auf Bodenwellen manchmal unangenehm lange aus.
Über den GS-Motor ist eigentlich in unzähligen Tests alles schon mal gesagt worden. Trotzdem fallen unter solch speziellen Bedingungen sogar erfahrenen Boxer-Piloten neue Feinheiten auf. Etwa, dass der Motor zwar ausgesprochen sanft und gleichmäßig zu Werke geht, aber in den Kehren etwas verzögert am Gas hängt. Was im Extremfall gar zu einem Schluckauf kumulieren kann. Nichts wirklich Gravierendes, doch erwähnenswert. Sieht man von dieser typischen Kehrenproblematik ab, herrscht in puncto Motorisierung eitel Sonnenschein. Im Gegensatz zum Buell-Zweizylinder überzeugt der Boxer mit einem breiten Drehzahlband und einer unterhaltsamen Drehfreudigkeit, muss darüber hinaus dank des breiten Leistungsbands wenig geschaltet werden. Ein wahrlich souveräner Antrieb für eine spaßige Kehrwoche in den Alpen, der leider nicht in ein perfektes Getriebe mündet. Lange Schaltwege und eine deutliche Geräuschkulisse beim Gangwechsel sind sattsam bekannte Boxer-Phänomene.

Ansprechende Anspruchslose
Unterm Strich muss sich der Bayern-Tanker ganz knapp hinter dem österreichischen Playmobil mit Platz drei begnügen, wobei beiden zur Startberechtigung im Finale nur wenige Pünktchen fehlen. Den Klassensieg bei den Enduros/Funbikes heimst nämlich erneut die Suzuki V-Strom 650 ein. War ja klar, wird nun jeder einwerfen, denn mit ABS sollte der letztjährige Alpenkönig auch diesmal eindeutiger Favorit sein. Dass die Entscheidung in dieser Gruppe ziemlich eng wurde, hängt mit weiteren Änderungen am neuen Modell zusammen. Der Motor erfüllt nun die Euro-3-Norm, wodurch einige Pferdchen auf der Strecke blieben. Im Vergleich zum Vorjahr fehlen zwar nominell nur zwei, drei PS, doch das überall, von ganz unten bis zum Leistungszenit. Weshalb es spürbar an der Spritzigkeit und Dynamik mangelt, die das Vorgängermodell auszeichneten. Das bestätigt sich auch bei den Messungen. Statt 5,8 braucht die neue V-Strom nun 7,2 Sekunden, um zwei Leute im Zweiten am Berg von 25 auf 75 km/h zu beschleunigen.
Ein Umstand, der ein wenig ernüchtert, den Vorsprung sichern aber weiterhin die bewährten Qualitäten der V-Strom. Etwa der sanfte, jederzeit berechenbare Leistungseinsatz, das breite Leistungsband und die für das kurvige Terrain passende Getriebeabstufung. Der ordentliche Windschutz, ein guter Sitzkomfort für beide Passagiere sowie das progressive und komfortable Fahrwerk gewährleisten zudem Reisekomfort. So endet dieses Kapitel mit einem zwar knappen, gleichwohl verdienten Sieg des Favoriten.
Big Bikes: Triumph Speed Triple, Yamaha FZ1

Kraft sei dank
Kräftig rußend schnaubt der Linienbus die steile Rampe empor. Vor jeder Kehre schaltet der Fahrer unter heftigem Hupen bis in den ersten Gang zurück, um anschließend den tonnenschweren Koloss ums Eck zu wuchten. Im Gänsemarsch trottet eine Autokolonne hinterher, reiht sich brav ein. An Überholen ist nicht zu denken. Zu eng und zu unübersichtlich die Straße, zu kurz die Geraden, zu schwach die Motoren. Bis zur Passhöhe kann es dauern. Als Motorradfahrer hat man es da besser. Kurz gecheckt, ob niemand entgegenkommt, dann das Gas aufgezogen, zum Überholen angesetzt, und schwups ist man vorbei. So jedenfalls stellt man es sich vor, wenn man sich für ein leistungsstarkes Big Bike entschieden hat, das aufgrund seiner meist moderaten, manchmal sogar kompakten Bauform auch noch eine gehörige Portion Wendigkeit und Agilität mit auf den Weg bekommen hat.
Ein Racer zum Alpensurfen
Yamahas neue FZ1 könnte eine heiße Kandidatin für lockeres Alpensurfen sein. Ihr Reihenvierzylinder stammt aus dem Supersportler R1 und bringt es, etwas mehr auf Drehmoment getrimmt, noch immer auf 150 PS. Das sollte genügen. Tut es aber nicht. Nach wie vor ist der Motor heiß auf Drehzahlen, seine spitze Leistungscharakteristik lässt jegliche Souveränität vermissen. Das FZ1-Triebwerk muss gezwirbelt werden. Die Leistungsausbeute aus niedrigen Drehzahlen ist mau, am Kurvenausgang kommt die Tausender enttäuschend mager aus dem Quark. Runterschalten oder gefühlvolles Kupplungsschleifen ist angeraten. Erst wenn der Drehzahlmesser die 6000er-Marke passiert hat, entwickelt die FZ1 Temperament. Doch meistens ist dann schon die nächste Kurve da. Urlaubsstimmung kommt so nicht gerade auf.
Dabei sind ansonsten die Voraussetzungen gar nicht schlecht, um mit der FZ1 stressfrei durch die Alpen zu kurven. Das kompakte Naked Bike offeriert eine angenehm aufrechte Sitzposition und eine entspannte Ergonomie. Auf ihm lässt es sich einige Stunden ermüdungsfrei aushalten. Mit Leichtigkeit absolviert die FZ1 Kehre um Kehre, nur größere Schräglagen und Richtungswechsel erfordern ein wenig Nachdruck. Ihr straffes Fahrwerk aber will von Komfort nicht allzu viel wissen. So holpert sie etwas zappelig über marode Fahrbahnbeläge, und ein ums andere Mal verhindert der breite 190er-Reifen auf welligen Streckenabschnitten eine sauber gefahrene Linie. Perfekt hingegen die Bremsen. Mit wenig Kraftaufwand und gut dosierbar, haben sie die FZ1 auch bei voller Beladung bestens unter Kontrolle.

In der Ruhe liegt die Kraft
Die Triumph Speed Triple hat mit Yamahas FZ1 einiges gemein, was nur bedingt zum Touren taugt: das Fehlen einer schützenden Verkleidung, um langweilige Autobahnetappen schnell hinter sich zu bringen. Oder die zu knapp bemessene Sitzbank, um eine Alpentour bequem zu zweit angehen zu können. Vom Verzurren oder Unterbringen von Gepäck gar nicht erst zu reden. Die Zuladung bei der Triumph beträgt gerade mal 181 Kilogramm. Große Freude auf Alpenpässen bereitet allerdings der Motor. Der heiser röchelnde, 131 PS starke Dreizylinder verwöhnt mit einer solch bulligen Leistungskurve, dass Schalten glatt zur Nebensache verkommt. Majestätisch kraftvoll schiebt die Speed Triple mit mittleren Drehzahlen von Kehre zu Kehre, schwingt sich unter sattem Zug unangestrengt und leichtfüßig von Kurve zu Kurve. Samtig geht der Triple knapp über Leerlaufdrehzahl ans Gas, leichtgängig flutscht die Kupplung, kurz und knackig rasten die Gänge. Auch die Bremsen agieren tadellos, zeigen Transparenz, vermitteln ein sicheres Fahrgefühl und haben die 221 Kilogramm schwere Engländerin fest im Griff.
Und das alles bei einer sehr relaxten Sitzposition. Da passt auch das zwar durchaus noch straffe, aber gut ausbalancierte Fahrwerk ganz prima dazu. Unbekümmert huscht die Triumph über den rütteligen Asphalt zum Stilfser Joch hinauf, schwingt sich auf der glatten Teerdecke in sauberen Bögen Richtung Umbrail-Pass, um auf der welligen Abfahrt ins Münster-Tal noch mal ihre gute Lenkpräzision und ihr neutrales Kurvenverhalten bei schlechten Bedingungen unter Beweis zu stellen.
Big Bikes: Suzuki Bandit 1200 S, Honda CBF 1000

Fahrkomfort ist angesagt
Auf dieser Schlechtweg-Strecke stößt die Suzuki Bandit 1200 S bei flotter Gangart endgültig an ihre Grenzen. Schon zuvor hatte das 243 Kilogramm schwere Big Bike mehr Mühe, die Spitzkehren und Wechselkurven so leichtfüßig zu nehmen wie die Konkurrentinnen, und mit der Lenkpräzision ist es bei der Suzuki ebenfalls nicht so weit her. Auf dem Holperabschnitt schlägt nun auch noch die lasch gedämpfte Telegabel beim harten Anbremsen durch und hat das Vorderrad auf der Talfahrt nicht mehr präzise unter Kontrolle. Das mindert spürbar die Spurstabilität. Dabei ist die weiche Fahrwerksauslegung auf Dauer gar nicht einmal so unangenehm, denn bei moderater Geschwindigkeit ist der gute Federungskomfort der großen Bandit auf holprigen Strecken durchaus angenehm. Das hintere Zentralfederbein weist genügend Reserven auf, selbst bei voller Beladung von 212 Kilogramm stößt es noch nicht an seine Grenzen.
Überhaupt hat die Suzuki, was Reisen betrifft, ihre Stärken. Die Halbschalenverkleidung bietet ordentlichen Windschutz, und auch die Turbulenzen bei schneller Autobahnfahrt halten sich in Grenzen. Zudem passt die Ergonomie für lange Etappen, die Sitzbank bietet ordentlich Platz für zwei Personen. Und die Bandit hat ein Sicherheitsfeature serienmäßig an Bord: ein fein regelndes ABS. Allerdings dürften die Handkräfte geringer und die Dosierbarkeit besser ausfallen.
Gegenüber den 150 PS der FZ1 und den 131 PS der Speed Triple fallen die 98 PS (gemessen 113) der Bandit bescheiden aus. Dennoch ist die Suzuki alles andere als untermotorisiert. Ihr etwas rau laufender Reihenvierzylinder hängt sauber am Gas und überrascht durch Kraft aus niedrigen Drehzahlen und einen gleichmäßigen Drehmomentverlauf. Druckvolles Beschleunigen aus Kehren, kurze Überholvorgänge, zügig lange Steigungen mit viel Gepäck erklimmen die Bandit erledigt alles tadellos.

Volles Wohlfühlprogramm
Hondas schlanke CBF 1000 ist aus ähnlichem Holz geschnitzt wie die Bandit: halb verkleidet, mit noch besserem Sitzkomfort als die Suzuki gesegnet, außerdem sozius- und reisetauglich. Nur die Zuladung könnte mit 193 Kilogramm etwas höher ausfallen. Auch bei ihr leistet ein allerdings aufpreispflichtiges ABS mit CBS (700 Euro) im Ernstfall sicher Schützenhilfe. Es regelt noch feinfühliger als das der Bandit, und die Bremse lässt sich besser dosieren sowie mit weniger Handkraft forcierter verzögern. Das flößt schon mal Vertrauen ein.
Der Motor gibt sich tatsächlich mit 98 PS zufrieden und geht dabei äußerst sanft und weich ans Gas. Aus niedrigsten Drehzahlen zieht der Vierzylinder kraftvoll an und verleitet mit seinem linearen Drehmomentverlauf zu schaltfauler, souveräner Fahrweise. Dabei ist das mit 252 Kilogramm schwerste Big Bike im Vergleich nicht gerade handlich, doch in jedem Radius und in jeder Schräglage äußerst neutral zu fahren. Zielgenau folgt die CBF Lenkbefehlen, meistert glatte Straßenverläufe mit erfreulicher Präzision und vermittelt ein Sicherheitsgefühl, das spitzwinkligen Serpentinen, engen Kurven, steilen Rampen und abenteuerlichem Kurvengeschlängel ihren Schrecken nimmt. Erst wenn der Fahrer sportlich zur Sache geht, stößt die komfortabel abgestimmte Honda an ihre Grenzen, quittiert die ein oder andere Bodenwelle durch leichtes Lenkerschlagen und ein schaukeliges Fahrgefühl. Dafür jongliert sie ihren Fahrer den lieben langen Tag stressfrei und mit Freude durch die Alpen. Durchweg positive Eigenschaften, mit denen sie sich fürs Finale empfiehlt.
Finale, Teil 1: BMW F 800 S, BMW K 1200 GT, ...

And the Winner is...
Pittoreske Felsformationen greifen nach dem Himmel, rostrot, schneeweiß und schiefergrau leuchten Gesteine und Mineralien. Feldspat, Quarz und Glimmer sehen manchmal aus wie der Schuppenpanzer eines alten Krokodils. Grellgrüne und orangefarbene Flechten überziehen den Boden, der Lago Nero schimmert seinem dunklen Namen zum Trotz türkisblau in 2386 Meter Meereshöhe. Der enge Gaviapass beeindruckt mit fantastischer Landschaft. Noch in den 80er Jahren war seine schmale Südrampe mit den schlecht einsehbaren Kurven eine reine Schotterstrecke.
Heute ist sie asphaltiert, allerdings in sehr wechselvoller Qualität, und mit tiefen, schroff gekanteten Löchern übersät. "Mensch, da hauts dir das Gebiss raus," beklagt sich ein Honda-Fahrer auf der Passhöhe bei 2618 Metern. Fahrerisch ist dies ein anspruchsvolles Terrain für die fünf Finalisten des Alpen-Masters: BMW F 800 S und K 1200 GT, Honda CBF 1000 und Fireblade fordern den letztjährigen Alpenkönig, die nun mit ABS bestückte Suzuki V-Strom 650, heraus. Ganz subjektiv beurteilt von fünf Juroren.
Gran Turismo
Auf dem Gavia helfen schluckfreudige, stabile, nicht zu straff ausgelegte Federelemente. Wie etwa die der BMW K 1200 GT. Das aufpreispflichtige, elektronisch einstellbare Fahrwerk lässt sich easy per Knopfdruck an Beladung und Straßenzustand anpassen. In drei Stufen ist die Federvorspannung vorn wie hinten zu variieren, ebenso die Ausfedergeschwindigkeit. Von komfortabel bis straff gleitet die GT, nimmt Pustelbelag seinen Schrecken. Erstaunlich handlich umrundet das Sechs-Zentner-Trumm engste Biegungen wie Hindernisse. Niedriger Schwerpunkt trifft hohen, einstellbaren Lenker. Fahrwerke bauen, das kann BMW. Getriebe dagegen weniger. Derbe Schläge bei jedem Gangwechsel, selbst bei schnellem Gas-auf-Gas-zu, passen nicht zu diesem gediegenen Monumental-Tourer. Dessen bärenstarker 152-PS-Motor anreißt, als wäre der Teufel hinter ihm her. Mehr Druck von unten ist kaum vorstellbar.
Weicher und besser konturiert sollte das Sitzkissen ausfallen. Und die Bremsen feiner dosierbar. Der nervig fiepsende, elektro-hydraulische Bremskraftverstärker haut abrupt und häufig heftiger rein als gewünscht. Zumal das serienmäßige ABS vor allem bergab früh und lange den Regelbereich entert. Trotz kleinen Wendekreises wäre ein Umfaller mit diesem Berg von einem Motorrad der pure Alptraum, darin sind sich alle Tester einig.
Leichtes Spiel?
209 Kilogramm leicht geriet die F 800 S. Der Newcomer klingt wegen seines Paralleltwins wie ein Boxer mit Tuning-Endtopf. Und er poltert beim Schalten und Lastwechseln genauso. Vermittelt jedoch dank konventioneller Telegabel (trotz lascher Dämpfung) viel mehr vom dem, was sich unterm Vorderrad tut. Dazu glänzt
das Chassis mit Alu-Brückenrahmen, edler Einarmschwinge und wartungsarmem Zahnriemen. Sehr praktisch wie auch an der V-Strom: das Handrad am Federbein zum Verstellen der Federbasis. Die ordentlich ansprechenden, etwas weichen Federelemente schaffen den Spagat zwischen Komfort und Stabilität. So wie jetzt am Stilfser Joch. Wechselkurven durcheilt die 800er noch recht leichtfüßig, doch um aus der Mittellage abzuklappen, braucht sie eine energische Hand. Ein Handlingwunder ist Schwester F nicht. Dafür hält sie in lang gezogenen Kurven vorbildlich den Kurs. Und ihre Continental Sport Attack grippen ohne Ende. Ein sehr sinnliches Fahren ist das, soviel ist jedem Twin-Treiber rasch klar. Die gestreckte Sitzhaltung geriet fürs alpine Umfeld jedoch zu sportlich, es ruht viel Gewicht auf den Handgelenken. Leistung hat der spritzige und sparsame Zweizylinder mehr als genug, zumindest oben heraus, und er läuft kultivierter als etwa das Triebwerk der R 1200 S. Die F könnte zum "besseren Sportboxer" avancieren. BMW-typisch: Beim heftigen Anbremsen von Kehren auf welligem Untergrund löst das ABS manchmal erschreckend lange die Vorderbremse. Dennoch bleibt es für nur 690 Aufpreis zu empfehlen. Unter der Rubrik "auffällig bis störend" notiert die Testjury noch mehr Punkte: den hohen Sitz, Taumeltendenz bei Schleichfahrt bedingt durch den Lenkungsdämpfer und lautes Kupplungsscheppern im Leerlauf.
Finale, Teil 2: Honda CBF 1000, Honda Fireblade, Suzuki V-Strom 650

Günstiger Gipfelstürmer
Die preiswerte CBF 1000 verkörpert Hondas Firmenphilosophie perfekt: Draufsetzen und sich wohlfühlen. Sitzkomfort? Prima, auch für den Sozius. Windschutz? Ordentlich. Langstreckenkomfort? Gut. In Deutschland stürmte die 1000er aus dem Stand heraus auf Platz zwei der Neuverkäufe. Brilliert sie auch in den Bergen? Nun, schon ihr defensives Design signalisiert Anspruchslosigkeit. Pures Understatement ist das. Die 1000er integriert nämlich den aktuellen Fireblade-Motor. Der aufwendig gedrosselte Vierzylinder bringt es auf "nur" noch 98 PS. Wobei er bis 6000 Touren die supersportliche Schwester deutlich an Drehmoment übertrifft, unten herum reichlich Druck hat. Doch trotz der bulligen Leistungsentfaltung kann die CBF die Fireblade beim Gasaufziehen nicht distanzieren.
Die CBF ist nämlich ein echtes Moppelchen, 252 Kilogramm schwer. Beim Angasen auf Holperstrecken, wenns denn sein soll, beginnt das Chassis zu tänzeln, kommt das Federbein mit seinen knapp bemessenen 120 Millimeter Federweg schnell an seine Grenzen. Bereits beim heftigen Beschleunigen auf welliger Fahrbahn fällt dessen lasche Dämpfung negativ auf. Und die Michelin Pilot Road rutschen schon mal kurvenausgangs. Umso besser agieren die perfekt dosierbaren, fein regelnden Verbundbremsen mit ABS. Verzögern in Schräglage bedingt allerdings deutliche Aufstelltendenz. Bei Konstantfahrt ab 5000/min kriechen nervtötende, feine Vibrationen in Griffe und Fußrasten der CBF. Schnelles Umlegen in Wechselkurven behindert der arg schmal geratene Lenker. Außerdem verbesserungswürdig: die bescheidene Schräglagenfreiheit. Mit Sozius engagiert bewegt, raspelt es den Ausleger des Hauptständers vollflächig an. So was kann leicht mal die ganze Fuhre aushebeln. Nicht viel Vertrauen erweckend steht die Honda auf ihrem kurzen Seitenständer.
Auf Abwegen
Kaum Gefahr aufzusetzen läuft die Fireblade. Aber genau wie die CBF dürfte sie auf Störimpulse in Schräglage gelassener reagieren, neutraler bleiben: Leichtes Aufstellmoment erfordert mitunter Gegenlenken. Das kostet Lenkpräzision. Zumal die auf Bridgestone BT 015 rollende Blade ein wenig in die Kurven gezwungen werden will. Aktives Fahren ist angesagt. Anpeilen, umsetzen, richtig abgehen. Trotz der für einen Supersportler wenig radikalen Sitzposition erfordert die Blade am meisten Kompromissfähigkeit. Und fördert den aggressivsten Fahrstil. Immerhin, auf dem Schweizer Ofenpass werden die Kurvenradien endlich weit, die Teerdecke glatt genug für das Powerpaket. Nun schneidet die 205 Kilogramm leichte Feuerklinge so präzise und scharf durchs Asphaltgeschlängel wie ein Samuraischwert durch eine Kerze. Jetzt kann die Drehzahl endlich mal über 6000/min klettern und den Bereich erklimmen, in dem der Vierzylinder verdammt dicke Backen macht. Denn vor allem in den unteren Gängen frisst die rennmäßig lange Übersetzung einiges der puren Kraft des Aggregats.
Darüber hinaus erschwert der harte Leistungseinsatz aus dem Schiebebetrieb heraus gefühlvolles Gasanlegen am Scheitelpunkt der Spitzkehren. Beim Wiedereinfangen der 1000er dagegen ist die herrlich transparent zu dosierende Bremse trotz etwas erhöhten Leerwegs ein prima Partner. Stichwort Partnerschaft: Soziustauglichkeit bleibt konzeptbedingt auf der Strecke. Nein, der Rücksitz eignet sich besser als Unterlage für eine Hecktasche auf dem Weg zum nächsten Renntraining. Das ist Konsens.
Schein und Sein
Gegen die grazile Fireblade wirkt die unscheinbare Suzuki V-Strom 650 plump. Sie hat es jedoch faustdick hinter den Ohren. Mit moderat langen Federwegen, die nichts an Lenkpräzision verwässern, und souverän-aufrechter Enduro-Sitzhaltung trägt sie ihren Reiter lässig in die Höhe. Selbst schroffe Schlaglöcher steckt der kleine Stromer locker weg, bügelt Flickenteppiche glatt. Auf den Schotterpassagen des Schweizer Umbrailpasses entfleucht die 650er dem gesamten Quintett. Beim Herumzirkeln um Asphaltkrater oder Spitzkehren schlägt keines der vier anderen Motorräder so enge Haken wie die handliche graue Maus. Leicht lässt
sich Suzi-Sorglos dirigieren. Breite Lenker sind einfach klasse. Und schmale Reifen. Und großer Lenkeinschlag. Die 650er wendet auf dem Handteller, bietet herrlichen Überblick über das Hochgebirgs-Panorama. Etwas wenig Reserven hat leider das Federbein. Tipp: maximal vorspannen. Dann ruht mehr Last auf dem Vorderrad, der Hintern sackt nicht ganz so tief ein.
Früh raspeln Füße, Rasten und später der Seitenständer über den Asphalt. In Haftungsfragen gibt es bessere Berater als die Bridgestone TW 101 und 152. Zum Ausgleich ist die V-Strom sicher zu stoppen. Die Bremsen sind zwar nicht besonders bissig, aber ordentlich dosierbar; das ABS regelt fein genug. Soziusplatz und -griffe hinterlassen einen guten Eindruck, ebenso der günstige Preis: 7190 Euro.
Der 650er-V2 setzt Maßstäbe. Drehfreudig, elastisch, mit kernigem Sound. Allerdings ließ das auf Euro 3 getrimmte 2007er-Modell trotz oder gerade wegen neuer Software und Doppelzündung ein paar Federn. Die alte Version drückte energischer aus den Ecken heraus. Dennoch gefällt der V-Twin allen Testern.
Finalissimo
Es wird Abend in den Alpen. Die Gebirgskämme leuchten in der tief stehenden, orangerot glühenden Sonne. Als unterschiedlich grau melierte Silhouetten treten die einzelnen Höhenzüge hervor. Murmeltiere, Steinböcke und Gemsen sagen sich gute Nacht. Wir steigen herab aus dem Reich der wilden Tiere ins Reich der vielen Biere. Vor dem Bikerhotel Tannenheim in Trafoi kühlen knisternd die Motoren ab. Drinnen wird diskutiert. Denn das Ergebnis ist knapp, der alte auch der neue Sieger des Alpen-Masters. Also Prost und salute auf die Suzuki V-Strom 650.