Rückruf BMW R 1250 GS, GS Adventure, RT
Getriebe-Rückruf bei BMW – neue Software im Test

Im Januar 2023 wurde bekannt, dass in den Antrieben der BMW R 1250 GS, R 1250 GS Adventure und R 1250 RT-Behördenausführung in bestimmten Situationen die Getriebeeingangswelle brechen kann. Ein Software-Update soll das künftig verhindern. MOTORRAD hat es inzwischen getestet und verglichen.

BMW R 1250 GS Rückruf Getriebe Eingangswelle (01/2023)
Foto: BMW
In diesem Artikel:
  • Die neue BMW-Software im MOTORRAD-Test
  • Gangwechsel mit Quickshifter (Schaltassistent) geschmeidiger
  • Sogar marginal mehr Leistung nach dem Update
  • Gebrochene Getriebeeingangswellen
  • Ursachenforschung bei BMW
  • Überlastung der Getriebeeingangswelle
  • Rückruf für GS, GS Adventure und Behörden-RT
  • Software-Update als Problem-Lösung
  • Stellungnahme von BMW
  • Kardan-Nachrüstung ab Juli 2022
  • Fazit

Durch die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA), die US-Behörde für Verkehrssicherheit, wurde im Januar 2023 eine Rückrufaktion von BMW bekannt, die die Modelle R 1250 GS (Typ K50), R 1250 GS Adventure (Typ K51) und die Behördenausführung der R 1250 RT (Typ K52 RTP), jeweils ab dem ersten Modelljahr 2019 betrifft. Im Rahmen der Rückrufaktion wurde, beziehungsweise wird die Software für die Motorsteuerung modifiziert.

Die neue BMW-Software im MOTORRAD-Test

MOTORRAD hatte inzwischen Gelegenheit, die geänderte BMW-Software zu testen. Dabei verglich das Test-Team zwei BMW R 1250 GS – eine mit dem Software-Update, die andere noch auf dem bisherigen Software-Stand. Um Placebo-Effekte, also eingebildete Unterschiede auszuschließen, wusste der Test-Redakteur vor dem Test nicht, welche der beiden GS das Update verpasst bekommen hatte.

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Gangwechsel mit Quickshifter (Schaltassistent) geschmeidiger

Nach intensivem Vergleich beider R 1250 GS berichtet MOTORRAD-Test-Redakteur Philipp Genikomsidis: "Im Fahrbetrieb lassen sich bezüglich des Ansprechverhaltens und der Leistung keine spürbaren Unterschiede herausfahren. Anders sieht es bei zackigen Schaltvorgängen mit dem Quickshifter (Schaltassistent) aus: Beim Hochschalten geht die Schaltunterbrechung mit dem neuen Mapping deutlich geschmeidiger vonstatten. Der Schlag auf den Antriebsstrang nach einem Gangwechsel ist weicher, das Getriebe fühlt sich dabei fast wie eines mit Doppelkupplungssystem (DSG) an."

Sogar marginal mehr Leistung nach dem Update

Und Test-Redakteur Philipp Genikomsidis fügt hinzu: "Auf dem Prüfstand erreichte die R 1250 GS mit dem neuen Mapping sogar einen marginalen Leistungszuwachs. Im Fahrbetrieb war dieser jedoch nicht spürbar. Jedenfalls können etwaige Bedenken betroffener Fahrzeugbesitzer ausgeräumt und das Software-Update uneingeschränkt empfohlen werden. An Sportlichkeit oder Performance büßt der Antrieb damit nicht ein."

Gebrochene Getriebeeingangswellen

Bei den genannten, von der Rückrufaktion betroffenen Modellen kann in bestimmten Situationen die Getriebeeingangswelle brechen. Seit Oktober 2020 sind einige Fälle dokumentiert worden: in Italien, in den Niederlanden, in Frankreich, in Tschechien und in Großbritannien. In manchen dieser Fälle blockierte durch den Bruch der Getriebeeingangswelle das Hinterrad, was zu Stürzen und Verletzungen führte.

BMW Rückruf R 1250 GS Getriebe Eingangswelle (01/2023)
BMW
Der 1250er-Boxer. Hier in der Schnittzeichnung ist das Getriebe links unten zu sehen.

Ursachenforschung bei BMW

Bei BMW wurde rasch mit der Ursachenforschung begonnen, dabei kamen unter anderem spezielle Röntgengeräte und Elektronenmikroskope sowie diverse Laboranalysen des Metalls und dessen Beschichtung zum Einsatz. Der Zulieferer der Getriebeteile, das japanische Unternehmen Musashi, wurde bei den Untersuchungen selbstverständlich einbezogen. Ursachen oder Unregelmäßigkeiten konnten jedoch keine festgestellt werden.

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Das Getriebe des 1250er-Boxers - von einem japanischen Zulieferer - hier links hinten im Bild in tadellosem Zustand nach 100.000 Kilometern im MOTORRAD-Dauertest.

Überlastung der Getriebeeingangswelle

Weitere Analysen bei BMW ergaben, dass die Getriebeeingangswelle in bestimmten Situationen überlastet wird und dabei brechen kann. Bei diesen Situationen handelt es sich um schnelle Sprünge zwischen Motordrehzahl und Hinterraddrehzahl, etwa bei und vor allem nach Sprüngen im Gelände oder wenn unter Volllast Bordsteine überfahren werden und das Hinterrad für einen Moment den Bodenkontakt verliert.

BMW Rückruf R 1250 GS Getriebe Eingangswelle (01/2023)
BMW
Vom Getriebe-Rückruf betroffen: der BMW-Topseller R 1250 GS.

Rückruf für GS, GS Adventure und Behörden-RT

Laut BMW kommen derlei Extremsituationen sowie die dadurch bedingten Lastspitzen im Antriebsstrang nur bei den Enduro-Modellen R 1250 GS (Typ K50) und R 1250 GS Adventure (Typ K51) vor. Und bei der bisweilen ähnlich strapazierten Behördenausführung der R 1250 RT (Typ K52 RTP). Hochskaliert wurde das Lastspitzenpotenzial durch das immer weiter gesteigerte Leistungspotenzial: Maximal 143 Nm Drehmoment sowie 136 PS stecken im 1250er-Boxer mit Shiftcam-Ventiltrieb. Laut NHTSA sind in den USA insgesamt 18.489 Fahrzeuge von diesem Rückruf betroffen, in Deutschland circa 39.000 und weltweit circa 250.000. Die übrigen 1250er-Modelle R und RS sowie die zivile RT sind laut BMW Motorrad nicht betroffen (Stand Januar 2023).

Software-Update als Problem-Lösung

Im Rahmen einer "technischen Aktion", wie Rückrufe von BMW traditionell genannt werden, sollen die betreffenden Fahrzeuge ein Software-Update bekommen. Dieses Update wirkt auf die bereits vorhandene Schlupfregelung (ASC oder DTC) und somit auf die Motorsteuerung. Insbesondere soll das schnelle Hochdrehen des Motors unter Volllast, bei durchdrehendem Hinterrad verhindert und so der Drehzahlunterschied zwischen Motor und Endantrieb reduziert werden, für den Moment, wenn der Hinterreifen wieder greift.

Stellungnahme von BMW

Hier die Stellungnahme von BMW am 27. Januar 2023 gegenüber MOTORRAD: "BMW Motorrad hat bei laufenden Feldbeobachtungen festgestellt, dass es in seltenen Fällen bei wiederholten Fahrmanövern mit schlagartigen, hohen Drehzahlunterschieden zwischen Motor und Endantrieb (abruptes Abbremsen des Hinterrads bei höheren Motordrehzahlen, zum Beispiel beim Aufsetzen nach einem Sprung) zu einer Überlastung der Getriebeeingangswelle kommen kann. Die Welle kann in der Folge solcher wiederkehrenden Überlasten aufgrund eines auftretenden Schwingbruchs versagen. Im Falle eines Wellenbruchs sind kritische Fahrsituationen nicht auszuschließen.

Bei den betroffenen Fahrzeugen wird die bereits im Handel befindliche neueste Software zur Vermeidung höherer Drehzahlsprünge zwischen Getriebe und Endantrieb nachgerüstet. Dadurch werden Lastspitzen auf die Getriebewellen verhindert und das Getriebe so wirkungsvoll vor schädlichen Überlasten geschützt. Im Rahmen einer technischen Aktion rüstet BMW Motorräder der Modelle R 1250 GS und R 1250 GS Adventure des Fertigungszeitraums ab August 2018 bis Dezember 2022 sowie der Behördenversion der R 1250 RT des Fertigungszeitraums ab Juli 2018 bis Dezember 2022 mit einem neuen Softwarestand aus."

Kardan-Nachrüstung ab Juli 2022

Im Juli 2022 wurde eine "Service-Aktion" von BMW Motorrad bekannt, die ebenfalls die GS, die GS Adventure und die Behördenversion der RT betrifft – allerdings nicht nur die 1250er, sondern auch die 1200er-Vorgängermodelle. Bei insgesamt circa 440.000 Fahrzeugen wurde oder wird der Kardan überprüft und eine Entlüftung nachgerüstet. Damit sollen Rostbildung und infolgedessen Defekte am hinteren Kreuzgelenk verhindert werden. In diesem Fall spielt nach BMW-Angaben ebenfalls die modellspezifische Materialbeanspruchung bei Enduros sowie bei Behördenfahrzeugen mit den damit einhergehenden Lastspitzen eine Rolle.

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Fazit

Wieder eine "technische Aktion" von BMW, vom Volksmund Rückruf genannt. Wieder ist vor allem der Topseller R 1250 GS betroffen, und wieder ist der Antriebsstrang die Problemzone: In bestimmten Extremsituationen kann die Getriebeeingangswelle brechen. Und das kann dann gefährlich werden. Ein Software-Update für Schlupfregelung und Motorsteuerung soll den Bruch der Welle künftig verhindern. Betroffene Besitzer werden von BMW seit Ende Januar 2023 schriftlich informiert und in die Vertragswerkstätten gebeten.

MOTORRAD hatte inzwischen Gelegenheit, das Software-Update zu testen und zu vergleichen. Fazit: Keine Abstriche bei Leistung und Performance, dafür geschmeidigere Gangwechsel.

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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023