BMW G 650 GS und F 650 GS im Vergleich
Dass Namen Schall und Rauch sind, kennt man bei BMW ja aus der Autosparte, wo beispielsweise 520er wie 528er einen Zweiliter-Vierzylinder unter der Haube haben. Auch die Zweiradsparte beherrscht die Kunst der Vernebelungstaktik. Nur läuft da die Sache genau andersherum. F 650 und G 650 schmücken sich zwar mit gleicher Hubraumbezeichnung, tragen aber völlig verschiedene Motoren. Den Unterschied macht der Buchstabe. F steht für einen in der Leistung etwas gedrosselten, wassergekühlten Reihen-Zweizylinder aus der F 800 mit, Sie ahnen es, 800 Kubik. Das G-Modell wird von einem bei Loncin in China gefertigten Einzylinder angetrieben. Das heißt also ein Zylinder gegen zwei, 650 Kubik gegen 800, 48 PS gegen 71. Oder auch: rund 7000 Euro gegen 8100 für die Basisversionen. Formal ist den beiden die Verwandtschaft auf Anhieb anzusehen. Aber wie groß sind die Unterschiede in der Praxis tatsächlich?
Zunächst, beim Aufsitzen, schon mal beträchtlich. Ganze vier Zentimeter dichter am Asphalt bettet die G ihren Reiter. Ihre schmal taillierte Sitzbank sorgt für angenehm innigen Kontakt zum Motorrad. Die unangenehm badewannenartige Sitzmulde ihrer Vorgängerin – die G 650 war quasi als F 650 bis 2007 schon einmal im Programm –, die den Fahrer nochmals vier Zentimeter tiefer setzte, ist nun deutlich entschärft. Wenngleich die Sitzposition immer noch eher passiv ist, hat der Fahrer dafür das Gefühl, im Motorrad zu sitzen. Fühlten sich einst selbst Fahrer mit 1,70 Metern zu groß für die F, kommen jetzt auch 180-cm-Piloten einigermaßen klar.
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Bereits der Einzylinder ist von ausgesprochen kräftiger Natur.
Stattlicher wirkt dagegen die F 650. Nicht nur wegen der um 40 Millimeter größeren Sitzhöhe; auch die Sitzbank und Tankattrappe sind etwas breiter. Dem Weckruf des Anlassers folgen beide ohne Umschweife. Sauber rasten die ersten Gänge; die leichtgängigere Kupplung besitzt die G 650. Handprotektoren kann keine der beiden vorweisen, bei der F lässt sich immerhin der Handbremshebel einstellen.
Selbstbewusst legt der Einzylinder der G 650 los. Seine 48 PS stehen ausgesprochen gut im Futter. Bereits knapp über 2000/min zieht der Single ruckfrei voran. Quicklebendig schrubbt er, unterstützt von seiner kurzen Übersetzung, durch das Drehzahlband. Wobei der kleine LCD-Drehzahlmesser ziemlich schlecht ablesbar ist. Was schade ist, denn der Single scheut auch hohe Drehzahlen nicht. Im Gegenteil, er dreht willig bis zum Begrenzer und entwickelt oben heraus beachtliches Temperament.
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Die F 650 GS mit zwei Zylindern und 800 Kubik.
Dabei kann er sein Single-Dasein zwar nicht ganz verheimlichen, die noch vorhandenen Vibrationen sind aber weit davon entfernt, störend zu wirken. Erst ab 5000/min kribbelt es stärker in Lenker und Rasten. So ist bis Tempo 120 alles in Butter, der Motor hängt sauber am Gas, und wirklich untermotorisiert fühlt man sich im Alltag eigentlich kaum. Auch wenn Überholmanöver doch sorgfältiger getimt werden müssen als auf der kräftigeren F 650. Deren Hubraum- und Leistungsplus sorgt wie zu erwarten für die nötige Souveränität, die man auch mal für Reisen zu zweit benötigt.
Wobei der Leistungsvorsprung nicht so sehr bei niedrigen Drehzahlen zutage tritt, ab mittleren dann aber umso deutlicher. Ab 4500/min zieht der Twin dem Single klar davon. Zumal die einzylindrige G nur einen sehr geringen Gewichtsvorteil ins Feld werfen kann. Ob Überholmanöver, schneller Sprint bergauf, die F 650 erledigt das souverän, die Gangwechsel erfolgen satt und sicher, wobei ab 8000/min die Drehfreude wieder nachlässt. Doch so direkt wie die G 650, die auch in Sachen Lastwechsel die Nase vorne hat, hängt sie nicht am Gas.
Auch beim Schwingen über kleine Landsträßchen kann die Kleine im Kapitel Handlichkeit einige Pluspunkte sammeln. Was zunächst erstaunt. Denn von der Papierform her ist sie nur sieben Kilogramm leichter, rollt auf denselben Reifen und hat gar den längeren Nachlauf und flacheren Lenkkopfwinkel. Dafür aber auch zehn Zentimeter weniger Radstand. Wie auch immer: Die G 650 wedelt leichtfüßig durch die Lande. Fällt wie selbstverständlich in Schräglage und stellt sich beim Bremsen kein bisschen auf.
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Die per Handrad einstellbare Federvorspannung ist eine vorbildliche Lösung (links: G 650 GS; rechts: F 650 GS).
Die weich abgestimmten Federelemente sprechen sehr feinfühlig an, doch wirkt die G in Schräglage auch ein wenig nervös. Das über Umlenkung betätigte Federbein besitzt nur eine ziemlich schlappe Zugstufendämpfung, selbst bei ganz geschlossener Einstellschraube wippt das Heck auf Bodenwellen fröhlich nach. Zudem fehlt es an Rückmeldung vom Vorderrad. Doch allzu schrägem Treiben setzt zumindest in Linkskurven ohnehin der aufsetzende Ausleger des Seitenständers zeitig Grenzen. Was letztlich aber nichts am umgänglichen, problemlosen Charakter des G-Modells ändert.
Abgeklärter, souveräner meistert dagegen die F 650 den Kurvendschungel. In puncto Handlichkeit kann sie der G 650 zwar nicht das Wasser reichen. Doch trifft sie deutlich präziser in die Ecken. Und auch wenn ihre Gabel nicht so sauber anspricht wie jene der G, zieht sie doch stoischer ihre Bahn, liegt satter auf dem Asphalt. Wobei die Dämpfung der Ausfederbewegung des direkt angelenkten Federbeins fast schon zu viel des Guten ist. Selbst bei voll geöffneter Stellschraube federt das Heck nur sehr langsam aus. Dennoch vermittelt die G den innigeren Fahrbahnkontakt und wirkt erwachsener. Was freilich auch mit der entspannteren Ergonomie zusammenhängt. Einigkeit herrscht beim Thema Bremsen. Beide setzen auf eine Bremsscheibe im Vorderrad – in beiden Fällen eine nur mäßig befriedigende Lösung.
Einen ordentlichen Händedruck vorausgesetzt, lässt sich zwar ausreichend Verzögerung aus der Anlage der F pressen. Allerdings ist der Druckpunkt knautschig, die Dosierbarkeit nur Durchschnitt. Die Bremse der G packt zwar bei geringer Handkraft etwas spontaner und kräftiger zu. Legt aber, wenn sie richtig gefordert wird, nicht mehr entsprechend der zunehmenden Handkraft auch an Wirkung zu und hinterlässt dadurch einen etwas stumpfen Eindruck.
Immerhin regelt in beiden Fällen das ABS sicher bis zum Stand, jenes der G sogar noch eine Spur souveräner. Freude kommt dagegen beim Tankstopp auf, vor allem beim G-Piloten. Mit 3,4 Litern nippt der Einzylinder noch verhaltener am Sprit als die mit 4,0 Litern ohnehin schon sparsame F. Womit beide Etappen mit rund 400 Kilometern ohne Tankstopp ermöglichen, die im Falle der F dank besserer Laufkultur, etwas besserem Windschutz und niedrigerem Drehzahlniveau auch gerne mal über die Autobahn gehen dürfen.
Fazit
Die G 650 GS ist ein problemloser, handlicher Begleiter für den Alltag, die Fahrt zur Arbeit und Wochenendtrips. Ihr Einzylinder ist kräftig und sparsam. Wer jedoch gerne auch mal längere Etappen zu zweit unter die Räder nimmt und mehr Power möchte, für den sind die 1100 Euro Aufpreis für die F 650 GS gut angelegt. Entschlossener bremsen dürften beide.
Daten und Messwerte
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Die BMW G 650 GS und F 650 GS sind zwei kultivierte Vertreter ihrer Gattung.
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