Honda Crossrunner und Crosstourer DCT im Test

Familienduell: Honda Crossrunner und Crosstourer DCT Honda Crossrunner oder Crosstourer DCT?

Kreuzfahrer sind üblicherweise auf den Meeren dieser Welt zu finden. Doch auch wer festen Boden unter den Füßen bevorzugt, muss auf Kreuzfahrten nicht verzichten, denn von Honda gibt es den Crossrunner und Crosstourer.

Honda Crossrunner oder Crosstourer DCT? Bilski

Honda Crossrunner und Crosstourer DCT im Vergleich

Es ist unübersehbar, dass Honda Crossrunner und Crosstourer Geschwister sind. Wobei, und das klingt jetzt ein wenig paradox, der kleine Bruder, seit 2011 auf dem Markt und Crossrunner genannt, der ältere ist. Auch konzeptionell, denn er basiert auf Hondas Techno-Krad VFR 800, von der er nicht nur den im Zylinderkopf leicht modifizierten V4-Antrieb erbte.

Unverändert übernommen hat er neben Rahmen und Schwinge auch die Getriebeabstufung und die für ein Funbike ellenlange Endübersetzung. Wovon noch zu sprechen sein wird. Des Weiteren fand die Bremsanlage, die serienmäßig über ABS und die CBS-Kombibremse verfügt, den Weg von der VFR zum Crossrunner. So weit so gut.

Prinzipiell gibt es ja gegen den 800er-V4 wenig einzuwenden, er ist laufruhig, sparsam, und vor allem eilt ihm der Nimbus der Unzerstörbarkeit voraus, was besonders für Kilometerfresser von Interesse sein dürfte. Eine Besonderheit trägt er aber mit sich herum: die V-TEC genannte Ventilsteuerung. Die sorgt dafür, dass sich bis 6500/min nur jeweils zwei der vier Ventile um den Gaswechsel kümmern, darüber dann alle vier. Damit soll ein besseres Drehmoment im unteren mit hoher Leistungsabgabe im oberen Drehzahlbereich kombiniert werden. Besagtes V-TEC wurde für den Einsatz im Crossrunner überarbeitet, um die Übergänge geschmeidiger zu machen.

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Der Crossrunner ist der ältere der beiden Honda-Modelle.

In der Praxis sieht das dann so aus: Wird beim gemütlichen Rollen im großen Gang Gas gegeben, müht sich der Vierer zwar redlich und kämpft wacker gegen die flache Drehmomentkurve und seine lange Übersetzung an. Erst ab 6500/min weht dann ein spürbar anderer Wind, und in das Motorgeräusch mischt sich ein stark schnarrender Unterton. Harmonisch ist anders. Insgesamt wirkt der Antrieb ein wenig müde. Da der Crossrunner der Reifen wegen (Pirelli Scorpion Trail) ohnehin bei 200 km/h, die sie eher im fünften als im sechsten Gang erreicht, abgeregelt wird, würde eine kürzere Endübersetzung ihrem Temperament deutlich auf die Sprünge helfen.

Das zweite Problem, besonders für langbeinige Fahrer, ist die seltsame Ergonomie des Crossrunners. Man sitzt recht weit hinten auf der mit 810 Millimetern nicht zu hohen Sitzbank und muss die Beine extrem anwinkeln, um die Füße auf die Rasten zu bekommen. In Kombination mit dem hohen und nach hinten gezogenen Lenker ergibt sich eine leicht froschmäßige Sitzposition. Kleinere Fahrer dürften diesen Eindruck weniger bis gar nicht haben, eine ausführliche Probefahrt sei Crossrunner-Interessenten deshalb nachdrücklich ans Herz gelegt. Doch genug der Meckerei. In Sachen Fahrverhalten gibt sich die Crossrunner tadellos. Leichtfüßig und neutral eilt sie mit großer Schräglagenfreiheit gesegnet durchs Geläuf, das aufgrund des komfortablen, aber nicht zu weichen Fahrwerks auch gerne mal von minderer Qualität sein darf. Dank der aufrechten Sitzposition behält der Fahrer dabei die Spielübersicht und verliert sie auch bei Dunkelheit oder dem Blick in die Rückspiegel nicht. Und mit einem Preis von 10790 Euro ist sie im ursprünglichen Wortsinn preiswert.

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Der Crosstourer DCT ist mit 14490 Euro deutlich teurer als der kleine Bruder.


Für den großen Bruder Crosstourer trifft das zumindest in der gefahrenen Version mit dem DCT (Dual Clutch Transmission) genannten Doppelkupplungsgetriebe nur bedingt zu. 14490 Euro ruft Honda für ihn auf, mithin 1000 Euro mehr als für das ebenfalls erhältliche Modell mit Standardgetriebe. Sinn und Zweck des DCT ist das Wechseln der Gänge ohne Zugkraftunterbrechung. Im Zeitalter der Bits und Bytes geht das natürlich nicht ohne elektronische Unterstützung. Zur Wahl stehen ein Standard- und ein Sportmodus sowie die manuelle Bedienung mittels Knöpfen am linken Lenkerschalter oder dem Schalthebel. Der Kupplungsgriff allerdings, der fehlt.

Je flüssiger und zügiger die Fahrt, desto besser funktioniert das System, beim Rangieren allerdings wünscht man sich
eine sensiblere Kupplung, und im Stadtverkehr sind die Schaltpunkte im Automatikmodus nicht immer nachvollziehbar. Zudem nervt bisweilen an roten Ampeln die Gedenksekunde, bis das System den Kraftschluss hergestellt hat und den Start freigibt.

Daneben trennen Tourer und Runner sechs Zentimeter Sitzhöhe (860 zu 810 Millimeter), 38 Kilogramm Gewicht (277 zu 239 Kilogramm) und 9 km/h Endgeschwindigkeit (209 zu 200 km/h, jeweils abgeriegelt). Motorseitig trennen die beiden Geschwister zwar nur 19 PS, aber stramme 44 Nm in der Spitze, bei 6000/min drückt der 1237er-V4 gar das Doppelte als der 782er. Das sind Welten! Dementsprechend bullig und souverän geht es voran, zudem geschmeidig und weitgehend frei von Vibrationen. Dass auch der Verbrauch mit 5,4 zu 5,1 Liter nur unwesentlich höher ist als beim Crossrunner, macht die Sache motorseitig rund.

Bilski
Kardan hat nur der Honda Crosstourer, beim Runner sind nach wie vor Kettenpflege und Felgenreinigung angesagt.

Das beim Reiseenduro-Vergleichstest in MOTORRAD 9/2012 bemängelte große Spiel im Antriebsstrang sowie der Fahrstuhleffekt des Kardanantriebs der allerdings mit herkömmlicher Kupplung ausgestatteten Testbikes war bei der aktuellen DCT-Maschine kaum mehr feststellbar.

Auch die Ergonomie des Crosstourers ist deutlich umgänglicher, große wie kleine Touristen finden ein sehr flauschiges Plätzchen vor. Die Abstimmung des vorne wie hinten in Federbasis und Zugstufe einstellbaren Fahrwerks ist deutlich softer als beim kleinen Bruder was auf schlechtem Untergrund und bei hohem Tempo schon mal zu leichter Unruhe im Gebälk führt. Auf ebenem Geläuf hingegen zieht er stoisch und ohne Tücken ­ihre Bahnen. Für weitere Beruhigung des Nervenkostüms wiederum sorgt die Kombi
nation aus ABS und CBS. Im Gegensatz zu der ebenfalls vorhandenen, aber eher grob regelnden Traktionskontrolle ist die Bremshilfe nicht abschaltbar, was beim im Konzept vorgesehenen Offroad-Einsatz durchaus wünschenswert wäre. Doch dafür ist der Crosstourer – trotz im Übrigen kaum ohne blutige Finger zu reinigenden Kreuzspeichenfelgen – definitiv nicht gemacht. Zu hoch das Gewicht und ebenfalls zu passiv die Sitzposition.

Aber das ist ja bei den meisten Reiseenduros so. Zu guter Letzt sei darauf hingewiesen, dass die am Testobjekt verbauten Sturzbügel (318 Euro) und Hauptständer (228 Euro) aufpreispflichtiges Zubehör sind. Die Verarbeitung der beiden Kreuzer liegt auf üblich hohem Honda-Niveau, wenngleich einige Bauteile wie zum Beispiel die Cockpits arg billig wirken.

Fazit
Renner oder Tourer, das ist hier weniger eine Frage des Prinzips als der Bereitschaft, Geld -auszugeben. Der Crosstourer hat das ausgewogenere Konzept, der Motor ist eine Wucht. Ob das Doppelkupplungsgetriebe 1000 Euro Aufpreis wert ist, muss jeder selbst entscheiden. Letztendlich ist es eine Spielerei ohne wirkliche Vorzüge. Beim Crossrunner stören Sitzposition und Übersetzung, dafür stimmen Preis und Fahrverhalten.

Daten und Messwerte

Bilski
Auf auf dem Papier gibt es deutliche Unterschiede zwischen dem Crosstourer und dem Crossrunner.

Motor


Honda Crossrunner
Honda Crosstourer DTC
Bauart Vierzylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor Vierzylinder-Viertakt-76-Grad-V-Motor
Einspritzung Ø 36 mm Ø 44 mm
Kupplung Mehrscheiben-Ölbadkupplung Mehrscheiben-Ölbadkupplung
Bohrung x Hub 72,0 x 48,0 mm 81,0 x 60,0 mm
Hubraum 782 cm3 1237 cm3
Verdichtung 11,6:1 12.0:1
Leistung 75,0 kW (102 PS) bei 10000/min 95,0 kW (129 PS) bei 7750/min
Drehmoment 74 Nm bei 9250/min 126 Nm bei 6500/min

Fahrwerk

  Honda Crossrunner Honda Crosstourer DTC
Rahmen Brückenrahmen aus Aluminium

Brückenrahmen aus Aluminium

Gabel Telegabel, Ø 43 mm Upside-down-Gabel, Ø 43 mm
Bremsen vorne/hinten Ø 296/256 mm Ø 310/275 mm
Assistenzsysteme Teilintegral-Bremssystem mit ABS Teilintegral-Bremssystem mit ABS
Räder 3.50 x 17; 5.50 x 17 2.50 x 19; 4.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17 110/80 ZR 19; 150/70 ZR 17
Bereifung Pirelli Scorpion Trail Bridgestone Trial Wing BW 501/502

Maße und Gewicht


Honda Crossrunner Honda Crosstourer DTC
Radstand 1464 mm
1595 mm
Lenkkopfwinkel 61,9 Grad 62,0 Grad
Nachlauf 96 mm 107 mm
Federweg vorne/hinten 165/145 mm 145/146 mm
Sitzhöhe 810 mm 860 mm
Gewicht vollgetankt 239 kg 287 kg
Zuladung 194 kg 192 kg
Tankinhalt/Reserve 21,5/0 Liter 21,5/0 Liter
Service-Intervalle 12000 km 12000 km
Preis 10790 Euro 15036 Euro
Nebenkosten 295 Euro 355 Euro


MOTORRAD-Messwerte


Honda Crossrunner Honda Crosstourer DTC
Höchstgeschwindigkeit* 200 km/h 209 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h 3,7 sek 4,0 sek
0-140 km/h 6,2 sek 6,4 sek
0-200 km/h 16,4 sek 15,5 sek
Durchzug 60-100 km/h 5,6 sek 4,3 sek
100-140 km/h 6,5 sek 4,8 sek
140-180 km/h 9,2 sek 5,9 sek
Verbrauch Landstraße 5,1 Liter/Normal 5,4 Liter/Super
Reichweite Landstraße 422 km 398 km
Archiv
Leistung Honda Crossrunner und Crosstourer DTC.

Ein Bild, oder ein Diagramm sagt mehr als 1000 Worte, aber nicht alles. Es sagt, dass der Crosstourer-Motor in einer Drehmomentwelt lebt, von der der Runner-Antrieb nicht zu träumen wagt. Es sagt aber kaum etwas zu dem Kick bei 6500/min, wenn das V-TEC einsetzt.

* Herstellerangabe.

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